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IHK lehnt Vollgeld-Initiative ab

Abstimmung vom 10. Juni 2018 IHK lehnt Vollgeld-Initiative ab

Am 10. Juni stimmen die Schweizerinnen und Schweizer über die Vollgeld-Initiative ab. Die IHK St.Gallen-Appenzell lehnt die Vorlage als gefährliches und fehlgeleitetes Experiment ab. Frank Bodmer, Leiter von IHK-Research, erklärt im Interview die Gründe.

Am 10. Juni stimmen die Schweizerinnen und Schweizer über die Vollgeld-Initiative ab. Der Vorstand der IHK St.Gallen-Appenzell empfiehlt die Vorlage einstimmig zur Ablehnung. Die Initiative ist aus Sicht der IHK ein gefährliches und fehlgeleitetes Experiment, welches unser Geld- und Bankensystem auf den Kopf stellen würde. (IHK-Parolen zu den kantonalen Vorlagen)

Die Folgen wären hohe Kosten für die Nutzer des Zahlungsverkehrs sowie schwere Störungen bei der Kreditvergabe. Die Vollgeld-Initiative stellt damit ein Risiko für Werkplatz und Finanzplatz dar und bedroht den Wohlstand der Schweiz. Siehe dazu das untenstehende Interview mit Dr. Frank Bodmer, Leiter IHK-Research.

Interview zur Vollgeld-Initiative mit Dr. Frank Bodmer, Leiter IHK-Research

Worum geht es bei der Vollgeld-Initiative?
Dr. Frank Bodmer, Leiter IHK-ResearchFrank Bodmer: Die Vollgeld-Initiative will das Geld- und Bankensystem der Schweiz radikal umgestalten. Geld für Zahlungen soll in Zukunft immer entweder direkt von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) stammen oder von ihr garantiert werden, daher der Name Vollgeld. Deklarierte Ziele sind erstens eine Verhinderung von Bankenkrisen und zweitens eine Erhöhung der Ausschüttungen der SNB.

Sie halten die Vollgeld-Initiative für ein gefährliches Experiment. Weshalb?
Frank Bodmer: Beim Vollgeldsystem handelt es sich um eine rund 80 Jahre alte Idee, welche bisher noch nirgends auf der Welt in die Praxis umgesetzt wurde. Die Schweiz würde damit beim Geldsystem, einem Bereich von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung, zum Experimentierfeld werden. Das wäre mit vielen Risiken und hohen Kosten verbunden.

Was ändert sich für die Sparer?
Frank Bodmer: Statt der bisherigen Privat- und Firmenkonten gäbe es ein neu eingeführtes «Zahlungsverkehrskonto», über welches die Zahlungen abgewickelt werden müssten. Auf diesem neuen Konto würden hohe Gebühren fällig. Dies weil die Banken die Kundengelder nicht mehr ausleihen könnten, sondern in Form von Bargeld halten müssten. Haushalte und Firmen müssten damit deutlich mehr für den Zahlungsverkehr bezahlen.

Wie sieht es bei Krediten für Firmen und Hausbesitzer aus?
Frank Bodmer: Das heutige System der Kreditvergabe an Firmen oder Hausbesitzer würde ebenfalls radikal verändert. Für die Finanzierung könnten die Banken nicht mehr auf die Privat- und Firmenkonten zugreifen. Es verblieben nur die Sparkonten. Die Kreditvergabe wäre komplizierter und schwerfälliger, wie auch SNB Präsident Thomas Jordan kürzlich in einem Vortrag betonte. Der Werkplatz Schweiz wäre bedroht.

Was bedeutet das Experiment Vollgeld für den Finanzplatz Schweiz?
Frank Bodmer: Ein erfolgreicher Finanzplatz braucht stabile Rahmenbedingungen, das ist der grosse Vorteil der Schweiz. Das Vollgeld-Experiment würde diese Stabilität zerstören und den Finanzplatz Schweiz in seinen Grundfesten erschüttern. Die Umstellung auf das neue System wäre kompliziert und mit vielen Risiken behaftet. Zudem bekäme die Schweiz ein rein staatlich gelenktes Geldsystem. Das ist kaum die Basis für einen innovativen und erfolgreichen Finanzplatz.

Würde das Bankensystem wenigstens sicherer?
Frank Bodmer: Nein, nicht einmal bei dieser Frage leistet die Initiative einen Beitrag. Dank der Einlagensicherung sind die Gelder der Sparer in der Schweiz bereits heute sicher. Und die Insolvenz einer Bank, zu denken ist an den Fall der UBS von 2008, liesse sich mit der Vollgeld-Initiative nicht verhindern. Die Zahlungsfähigkeit einer Bank hängt vom eingegangenen Risiko und dem vorhandenen Eigenkapital ab, wozu die Vollgeld-Initiative nichts zu sagen hat.

Zur Person

Dr. Frank Bodmer, geboren 1966, studierte Ökonomie in Basel und Ann Arbor, wo er einen Ph.D. an der University of Michigan erwarb. Er leitet IHK-Research, das im Frühjahr 2017 neu gegründete Kompetenzzentrum der IHK St.Gallen-Appenzell für Politik und Wirtschaft der Ostschweiz. Daneben ist er Privatdozent an der Universität Basel. Für die IHK ist er bereits seit mehr als zehn Jahren tätig, unter anderem als Verfasser von Studien zur wirtschaftlichen Entwicklung der Ostschweiz, zur Hochschulfinanzierung und zur Finanzpolitik der Ostschweizer Kantone.

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