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Hohe Unsicherheiten führen zu verhaltenem Ausblick für 2021

Konjunktur: Die regionale Sicht Hohe Unsicherheiten führen zu verhaltenem Ausblick für 2021

Alessandro Sgro, Chefökonom IHK

Die Geschäftslage der Ostschweizer Unternehmen hat sich im Vergleich zum Ausbruch der Corona-Pandemie vor einem Jahr klar verbessert. Die Aussichten für die Ost­schweizer Konjunktur bleiben mindestens zu Beginn des neuen Jahres aber verhalten. Vieles hängt von der unberechenbaren Entwicklung der Corona-Pandemie ab, ­insbesondere vom Impffortschritt. Eine sich allmählich erholende Weltwirtschaft dürfte sich auch auf die hiesigen, stark exportorientierten Unternehmen positiv auswirken.

Neun von zehn Ostschweizer Unternehmen kämpfen weiterhin mit starken coronabedingten Erschwernissen. Das zeigt die sechste IHK-Unternehmensumfrage «Coronavirus und Ostschweizer Wirtschaft». Über die Branchen hinweg, aber auch innerhalb der Branchen offenbaren sich deutliche Unterschiede. Während sich das Baugewerbe erstaunlich krisenfest zeigt, leidet der Detailhandel teilweise stark – nicht zuletzt aufgrund der per 18. Januar 2021 verschärften Massnahmen in Form von Laden­schliessungen. Besonders betroffen sind kleine Detailhändler und Unternehmen aus dem sonstigen Detailhandel. Im verarbeitenden Gewerbe hat sich die Geschäftslage nach einem markanten Einbruch im Frühjahr 2020 stark erholt und wird von den Unternehmen im Durchschnitt als befriedigend eingestuft. Die vom Konjunkturboard Ostschweiz neu lancierten Konjunkturindizes widerspiegeln diese Entwicklungen. Sowohl der Geschäftslageindikator als auch das Stimmungsbarometer haben sich stark verbessert und im neutralen respektive leicht negativen Bereich stabilisiert. Gerade das Stimmungsbarometer signalisiert die verhaltenen Aussichten und lässt eine tiefere wirtschaftliche Aktivität vermuten. Siehe PDF icon Infografik

 

Druck auf den Arbeitsmarkt steigt

Die Mehrheit der Unternehmen erwartet, dass die coronabedingten Erschwernisse noch länger anhalten werden. 86 % der befragten Teilnehmer der Corona-Spezialumfrage sind der Meinung, dass diese noch sechs Monate oder länger dauern werden. Die Erschwernisse zeigen sich am stärksten in der tieferen Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen, im häufigeren Personalausfall oder in einem zu hohen Personalbestand. Das hat Folgen. Aktuell beurteilen viele Industrieunternehmen ihren Personalbestand als zu hoch und beabsichtigen, diesen zu reduzieren. Unklar ist: über welchen Zeitraum. Ebenfalls als zu hoch wird der Personalbestand im Detailhandel eingeschätzt, wobei kleinere Unternehmen erneut deutlich stärker betroffen sind. Weniger ausgeprägt ist der Druck im Baugewerbe. Trotz des starken Drucks auf den Arbeitsmarkt ist aktuell nicht unmittelbar mit einer grösseren Kündigungswelle zu rechnen. Das belegen die Resultate der IHK-Spezialumfrage. Knapp zwei Drittel rechnen im ersten Quartal 2021 nicht mit Kündigungen. Einen wesentlichen unterstützenden Beitrag leisten insbesondere die Regelungen im Bereich der Kurzarbeitsentschädigung.

Finanzielle Hemmnisse und Investitions­verhalten

Je länger die Pandemie anhält, desto mehr zeigen sich die Folgewirkungen. Das betrifft aufgrund des tieferen Umsatzes besonders die Liquidität von Unternehmen. Liquiditäts- und Finanzierungsengpässe sind mögliche Folgen. Erfreulicherweise stellen finanzielle Hemmnisse bei den Industrieunternehmen in der Kernregion keine ausgeprägte Erschwernis dar. Dies ist ein Indiz dafür, dass ­einerseits der Markt und andererseits der Staat den ­Unternehmen mittels wirtschaftspolitischer Unterstützungsmassnahmen direkt oder indirekt genügend Liquidität zur Verfügung stellt. Trotzdem ist eine gewisse Zurückhaltung im Investitionsverhalten sichtbar. Das ist auch im Baugewerbe der Fall. Vor allem aber halten Unternehmen aus der Metallindustrie und zunehmend auch Unternehmen aus dem Maschinenbau Investitionen zurück – und neuerdings eben auch Unternehmen aus dem Hoch- und Tiefbau. Wohlfahrtsökonomisch bedeuten tiefere Investitionen heute ein tieferes Wachstum morgen.

Ausblick mit hohen Unsicherheiten behaftet

Wann genau wieder ein spürbarer wirtschaftlicher Aufschwung einsetzt, ist aufgrund der aktuell von hoher Unsicherheit geprägten Lage schwer abzuschätzen. Trotzdem haben sich die Erwartungen zur Geschäftslage in sechs Monaten gerade bei Industrieunternehmen stabilisiert. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Baugewerbe. Ein hoher Auftragsbestand und das nach wie vor tiefe Zinsniveau wirken stabilisierend. Unternehmen im Baugewerbe sehen sich zwar einem intensivierten Preiskampf ausgesetzt. Dieser ist allerdings mehr struktureller als konjunktureller Natur. Weiter eingetrübt haben sich die Aussichten im Detailhandel – insbesondere im stationären Bereich. Im Gegensatz dazu boomt der Onlinehandel. Ein Beleg dafür: Im Jahr 2020 hat die Post schweizweit über 180 Mio. Pakete ausgeliefert. Dies ist ein Rekordwert und entspricht einem Wachstum von 23,3 %. Konkrete Zahlen für die Ostschweiz fehlen. Die Entwicklung dürfte ähnlich sein.

Hohe Abhängigkeit vom globalen Welthandel

Die Frage nach einer starken Erholung hängt wesentlich von der Entwicklung der Weltwirtschaft ab. Gerade die Ostschweizer Wirtschaft ist sehr stark vom Export abhängig. Insbesondere die Entwicklung in Europa und Asien wird entscheidend sein. Hier zeichnet sich aktuell eine allmähliche Verbesserung ab. Der IHS-Market-Einkaufsmanagerindex für die Industrie in der Eurozone blieb im Januar den siebten Monat in Folge auf Wachstumskurs. Eine vollständige Erholung der Wirtschaft benötigt aber noch längere Zeit (siehe auch «Konjunktur: Der globale Blick»). Das hängt auch davon ab, welches Szenario eintritt. Unser aktuelles Basisszenario heisst: immer wieder auftretende Infektionsherde – begleitet durch gesundheitspolizeiliche und wirtschaftspolitische Massnahmen – und ein allmählicher Impffortschritt. Klar ist zum einen: Den Takt wird das Coronavirus vorgeben. Und zum anderen: Die Unternehmen in der Kernregion Ostschweiz zeigen sich insgesamt erfreulicherweise erstaunlich robust sowie anpassungsfähig und nutzen im Rahmen der Möglichkeiten auch ihre Chancen – im Bereich der Digitalisierung oder in der Entwicklung von innovativen Produkten und Dienstleistungen. Die Innovationskraft eines Unternehmens wird eine zentrale Rolle in der Überwindung der Krise spielen.

Volkswirtschaftliches Kompetenzzentrum für regionalökonomische Fragestellungen

Führungskräfte müssen sich für ihre Entscheide auf verlässliche Informationen stützen können. Dabei helfen ökonomische Daten, Analysen und Prognosen. Sie ermöglichen nicht nur fundierte Entscheidungen, sondern bieten insbesondere auch in turbulenten Zeiten wie aktuell wichtige Anhaltspunkte. IHK-Research ist das volkswirtschaftliche Kompetenzzentrum der IHK St. Gallen-Appenzell und die zentrale Anlaufstelle sowie Ansprechpartner für alle ökonomischen und wirtschaftspolitischen Fragestellungen zur Entwicklung der Ostschweizer Wirtschaft. Ziel ist es, den Entscheidungsträgern/-innen in Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Verbänden und speziell auch im Bereich der Medien volkswirtschaftliche Grundlagenarbeiten in einfacher und verständlicher Form zugänglich zu machen. Im Fokus stehen eigene Analysen zur kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklung der Kernregion Ostschweiz. Das bedingt ein fundiertes Verständnis der Entwicklung der gesamten Kernregion Ostschweiz und erfordert professionelle und breit abgestützte Strukturen. Die Zukunftsagenda «Softurbane Ostschweiz» bildet dabei den zentralen Ziel- und Orientierungsrahmen. Mit dem Auf- und Ausbau der Konjunkturarbeiten wird das IHK-Research im Bereich der kurzfristigen Wirtschaftsentwicklung weiter ausgebaut und gestärkt. Ergänzt werden die Analysen über die kurzfristige Entwicklung der Wirtschaft um Fragestellungen struktureller Natur. Dazu gehören Themen wie die Innovationskraft der Ostschweizer Unternehmen oder ein Abgleich der zukünftigen Anforderungen an die Arbeitskräfte mit dem aktuellen Bildungsangebot bis hin zu klassischen Fragestellungen im Bereich der Standortattraktivität oder den Anforderungen an die Infrastruktur. Einerseits bedient IHK-Research die verschiedenen Anspruchsgruppen mit zukunftsgerichteten Analysen, andererseits können solche auch in Auftrag gegeben werden. Weitere Informationen zum Angebot von IHK-Research, vertiefende Analysen zur konjunkturellen Lage in den einzelnen Branchen sowie die Kontaktmöglichkeit finden sie unter www.ihk.ch/research

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