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Zurück zum Schweizer Erfolgsmodell

Zurück zum Schweizer Erfolgsmodell

Markus Bänziger, Direktor IHK St.Gallen-Appenzell

Die Coronavirus-Pandemie traf die Schweiz wie die ganze Welt völlig unerwartet. Dennoch reagierte die Schweiz im internationalen Vergleich fast schon vorbildlich. Doch: Die staatlichen Massnahmen werden nicht ohne Konsequenzen bleiben. Daher gilt es nun, die Erfolgsfaktoren der Schweiz schnell wiederherzustellen.

Seit der Finanzkrise 2008 befand sich die Weltwirtschaft in einem anhaltenden Aufwärtstrend. Ein Ende dieses Steigflugs war zwar zu erwarten – nur wann, warum und wie abrupt wusste niemand. Die Coronavirus- Pandemie zwang die Konjunktur weltweit in einen Sturzflug, und dies mit ungeahnter Härte und Geschwindigkeit. Staaten aus aller Welt sprachen gross angelegte Unterstützungsmassnahmen, um die wirtschaftlichen Folgen abzufedern – so auch die Schweiz, die hohe zweistellige Milliardenbeträge aufwendet.
 

Rasch und klar reagiert

Die Schweizer Massnahmen, von der nationalen Politik bereits zu Beginn der Pandemie ausgearbeitet, waren klar definiert und rasch implementiert. Der angeordnete Lockdown war notwendig und kam rechtzeitig, um Menschenleben zu retten und einem Kollaps des Gesundheitssystems vorzubeugen. Bei den wirtschaftlichen Unterstützungsmassnahmen setzte der Bund auf bestehende Gefässe: Mit der Vereinfachung und Ausweitung der Kurzarbeit und zusätzlichen Mitteln für die Arbeitslosenversicherung konnte er eine grössere Kündigungswelle vorerst verhindern. Die Bürgschaftsgarantien des Bundes auf Unternehmenskredite wendeten Liquiditätsengpässe ab – vergleichsweise unkompliziert. Die Bankenlandschaft erwies sich in der Krise als solidarisch und gut eingespielt.

Summarisch reagierte die Schweiz vorbildlich. Auch in der Ostschweizer Wirtschaft stiessen die staatlichen Massnahmen auf breite Akzeptanz, wie drei Unternehmensumfragen der beiden IHK St.Gallen-Appenzell und Thurgau zeigten. Doch selbst wenn die behördlichen Massnahmen in einem ersten Zwischenfazit richtig erscheinen, werden sie nicht ohne Konsequenzen bleiben. Die wirtschaftlichen und finanzpolitischen Folgen der Pandemie werden den Wirtschaftsstandort Schweiz auf Jahre hinaus beschäftigen. Wenn man sich dessen Erfolgsfaktoren vergegenwärtigt, ist immerhin klar, wohin die Schweiz nach der Krise zurückfinden muss.
 

Staatshaushalt schnell regenerieren

Zunächst das Offensichtlichste: Die Massnahmen zur Abfederung der Wirtschaft verursachen bei Bund und Kantonen Kosten in Milliardenhöhe. Bis Ende Mai beliefen sich alleine die gesprochenen Bundesmittel, um die Pandemie und die Folgen daraus einzudämmen, auf über 72 Milliarden Franken – bis Ende Jahr dürfte sich dieser Betrag nochmals deutlich erhöhen. Denn: Nicht nur die Bundesfinanzen, sondern auch die Sozialversicherungen geraten durch die Krise substanziell unter Druck. Weitere Bittsteller für finanzielle Nachschüsse werden folgen, gerade auch bundeseigene oder -nahe Betriebe wie die SBB.

Die Schuldenbremse, in den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs immer stärker kritisiert, erweist sich für die Schweiz nun als Garant für Handlungsfreiheit und Eigenständigkeit. Tiefe Staatsschulden ermöglichen es der Schweiz, den Wohlstand auch in dieser ausserordentlichen Krise abzusichern; sie bilden eine Erfolgskomponente der Krisenbewältigung in der Schweiz. Um für die nächste Krise gewappnet zu sein, müssen sich Bund und Kantone rasch überlegen, wie und bis wann diese ausserordentliche Schuldenlast getilgt wird. Die Schuldenbremse muss als Voraussetzung dafür weiterhin Bestand haben.
 

Eigenverantwortung statt Fehlanreize

Die Coronavirus-Pandemie ist eine Krise ausserordentlichen Ausmasses. Folgerichtig wurden zur Bewältigung auch ausserordentliche Massnahmen getroffen. Unterstützungsmassnahmen solcher Grössenordnung können nur im äussersten Notfall angewendet werden. Die Massnahmen dürfen nun nicht zu Fehlanreizen dahingehend führen, dass sich Unternehmen nicht mehr eigenverantwortlich auf Krisen vorbereiten: Die Sicherung von Liquidität – auch über den Monatsbedarf von Normalzeiten hinaus – gehört ohne gesetzliche Pflicht und im Eigeninteresse der Unternehmen zum selbstauferlegten Pflichtenheft. Zusätzliche Erwartungen an den Staat würden dazu führen, dass die nächste Krise noch länger und tiefer ausfiele. Nicht vorgesehene, prämienfreie staatliche Rückversicherungen stellen die unternehmerische Eigenverantwortung infrage. Als Wirtschaftsvertreter fordern wir auch in guten Zeiten einen schlanken und effizienten Staat, der sich auf die Kernaufgaben fokussiert. So sollten wir nun davon absehen, zu weitgreifende Massnahmen zu verlangen, sei es in Form von A-fondsperdu-Beiträgen oder gar weitergehenden Eigenmittelvorschriften für Unternehmen. Gesetzlich erzwungene Mieterlässe zum Beispiel, wie sie das nationale Parlament beschlossen hat, sind nicht nur ein fundamentaler Eingriff in private Vertragsverhältnisse. Sie geben auch unmissverständlich zu verstehen, dass etatistische Tendenzen seit der Krise bis tief ins bürgerliche Lager hinein salonfähig geworden sind. Wenn die Wirtschaft solchen Tendenzen nicht entschieden entgegentritt, dürfte klar sein, wohin der politische Wind in Zukunft weht.

Stattdessen müssen wir den Weg zurück in die Normalität eigenverantwortlich beschreiten. Dazu gehört aktuell das Perfektionieren von Sicherheitskonzepten auf allen Ebenen: Einer zweiten Welle muss vorgebeugt werden. Weiterhin dürfen durch den Bund verbürgte Kredite nicht leichtfertig erlassen werden. Sie machen mit über 40 Milliarden Franken den Grossteil jener 72 Milliarden aus, die der Bund bislang aufwendete. Gleichzeitig darf sich die Vorsorge nicht auf das aktuelle Pandemieszenario beschränken. Die nächste Krise wird anderswo ausbrechen, anders verlaufen und andere Konsequenzen haben.
 

Internationale Zusammenarbeit aufrechterhalten

Auch der Exportstandort Schweiz geriet während der Krise zusehends unter Druck: Nahezu alle politischen Parteien, von links bis rechts, nahmen Elemente der wirtschaftlichen Abschottung in ihren Forderungskatalog an die nationale Politik auf. Zur Versorgungssicherheit, so scheint nun der Tenor, müsse die Schweiz sich aus dem Geflecht der Globalisierung lösen, etwa medizinische Güter komplett selbst herstellen. Oder: Die Personenfreizügigkeit gehöre gerade jetzt gekündigt. Dabei geht gerne vergessen, dass gerade die Offenheit und internationale Vernetzung massgeblich zum Erfolg des Wirtschaftsstandorts Schweiz beitragen. Der Aussenhandel trägt rund 40 Prozent zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung in unserem Land bei.

Versorgungssicherheit darf nicht mit Autarkie verwechselt werden. Selbst wenn Schweizer Unternehmen unter wesentlichen Produktivitätsverlusten gewisse Güter wieder hierzulande herstellen würden, wären sie immer noch auf den Import von Roh- und Hilfsstoffen angewiesen. Gerade die Krise beweist, dass ein breit diversifiziertes Netz aus verlässlichen Partnern der zuverlässigste Garant für die Schweizer Versorgung darstellt. Nicht zuletzt haben wir als Land mit einem der höchsten Exportanteile weltweit alles Interesse daran, für tiefe Hürden im internationalen Waren- und Güterhandel einzutreten, protektionistischen Tendenzen entschieden entgegenzutreten und dabei voranzuschreiten.
 

Schweizer Erfolgsfaktoren nicht verspielen

Insgesamt kam die Schweiz bis jetzt im internationalen Vergleich gut durch die Coronavirus-Pandemie. Dies liegt auch an den bereits bewährten Instrumenten und der eigenverantwortlichen Umsetzung behördlicher Massnahmen durch Unternehmen und Gesellschaft. Die Schweiz tut gut daran, ihre Erfolgsfaktoren nach der Krise schnell wiederherzustellen.

 

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