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Wirtschaftliche Erholung bringt deutliche Entspannung am Arbeitsmarkt mit sich

7. Ostschweizer Corona-Unternehmensumfrage Wirtschaftliche Erholung bringt deutliche Entspannung am Arbeitsmarkt mit sich

09. Juni 2021 | Ostschweizer Unternehmen kämpfen immer noch mit coronabedingten Erschwernissen. Das zeigt die siebte IHK-Unternehmensumfrage. Doch innerhalb dieser Erschwernisse gibt es eine klare Veränderung weg vom tiefen Nachfrageeinbruch hin zu stark gestiegenen Rohstoffpreisen und Lieferverzögerungen – eine klare Folge der dynamischen wirtschaftlichen Erholung. Die spürbare Verbesserung bei der Geschäftslage bringt jüngst eine deutliche Entspannung am Arbeitsmarkt mit sich, verstärkt aber wieder den Fachkräftemangel. Im Bereich der Lehrstellen zeichnet sich kein signifikant negativer Einfluss durch die Corona-Pandemie ab. Die Ostschweizer Wirtschaft bewies während der Pandemie ihre Widerstandsfähigkeit, nutzte ihre Chancen im Bereich Digitalisierung und kehrt gestärkt aus der Krise zurück.

Nach wie vor sind neun von zehn Unternehmen in der Kernregion Ostschweiz mit coronabedingten Erschwernissen konfrontiert. In den letzten sechs Monaten veränderte sich jedoch deren Ausprägungen. «Während deutlich weniger Unternehmen unter einem zu tiefen Auftragsniveau, mehr Arbeitsausfällen oder einem zu hohen Personalbestand leiden, hat sich der Anteil der Unternehmen, die mit Lieferengpässen, ganz unterbrochenen Lieferketten oder einem zu tiefen Personalbestand kämpfen, seit anfangs Jahr verdoppelt», sagt Alessandro Sgro, Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell. Zudem seien die Preise für Rohstoffe und Vorprodukte stark angestiegen. «Diese Verschiebungen im Bereich der coronabedingten Erschwernisse sind Ausdruck und Folge der raschen globalen wirtschaftlichen Erholung, in der die Nachfrage das Angebot bei Weitem übersteigt», ergänzt Sgro. Diese dynamische Erholung widerspiegelt sich auch in der Beurteilung der Geschäftslage. Aktuell beurteilen acht von zehn Unternehmen in der Kernregion Ostschweiz die Geschäftslage als «befriedigend» oder als «gut». Damit liegt der Anteil der Unternehmen, die Geschäftsentwicklung als «befriedigend» oder «gut» beurteilen, nur noch leicht unter dem Vorkrisenniveau. Insbesondere in der stark exportorientierten Ostschweizer MEM-Industrie, aber auch im Bereich der chemischen und pharmazeutischen Produkte, war zuletzt eine deutliche Erholung sichtbar. Die gesamtschweizerischen Exportzahlen für den Monat April 2021 bestätigen diese Entwicklungen.

Coronabedingte Erschwernisse werden anhalten

Knapp 60% der befragten Ostschweizer Unternehmen rechnen damit, dass die neu ausgeprägten Erschwernisse noch mindestens 9 Monate anhalten werden. Gleichzeitig erwarten die Unternehmen, dass sich die Tendenzen bei den Erschwernissen im dritten Quartal 2021 nochmals akzentuieren werden. Rund 40% der Unternehmen erhöhen deshalb ihr Vorproduktelager. «Das könnte in weiter steigenden Rohstoffpreisen und sich verschärfenden Lieferengpässen resultieren und das Geschäftsergebnis kurzfristig belasten», erklärt Sgro. Damit steige temporär zwar die Gefahr einer höheren Inflation. «Mittel- und langfristig erwarten wir allerdings keine ausufernde Inflationsentwicklung. Was wir aktuell sehen, ist ein sogenannter Basiseffekt am Beginn einer wirtschaftlichen Erholung», ergänzt Sgro.

Abb.: Deutliche Verschiebungen bei den coronabedingten Erschwernissen

Frage: Welche Erschwernisse hatten Sie im zweiten Quartal 2021 aufgrund des Coronavirus?

Deutliche Entspannung am Arbeitsmarkt

Die Verbesserung der Geschäftslage führt zu einer deutlichen Entspannung am Arbeitsmarkt. Im Vergleich zur Umfrage vom Januar 2021 ist der Anteil der Unternehmen, die nicht mit Kündigungen rechnen, sprunghaft angestiegen. Die grosse Mehrheit erwartet generell auch keine markante Veränderung im Personalbestand aus. Dennoch planen gar knapp 30% der befragten Unternehmen ihren Personalbestand zu erhöhen. Diese Einschätzungen bestätigen auch die jüngsten Resultate der KOF-Konjunkturumfrage. Die dynamische wirtschaftliche Erholung führt zudem dazu, dass sich der Fachkräftemangel in der Kernregion Ostschweiz wieder verschärft. Bereits jetzt ist der Anteil der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes und im Baugewerbe, die von einem Fachkräftemangel betroffen sind, nur leicht unter dem Vorkrisenniveau. Aber auch bei den wissensintensiven Dienstleitungen ist der Fachkräftemangel überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Trotzdem gilt zu beachten, dass nach wie vor verhältnismässig viele Arbeitnehmende ganz oder teilweise in Kurzarbeit sind und dass ohne die Verlängerung der Maximalbezugsdauer von Kurzarbeitsentschädigungen die Situation am Arbeitsmarkt tendenziell schlechter ausfallen würde.

Abb.: Deutlich weniger Unternehmen rechnen mit Kündigungen

Frage: Gehen Sie unter den aktuellen Umständen davon aus, dass Sie bis Ende des ersten Quartals 2021, resp. bis Ende des dritten Quartals 2021, Kündigungen aussprechen müssen?

Anzahl der Lehrstellen beinahe unbeeinflusst

Aktuell ist die Zeit der Lehrabschlussprüfungen und nach den Sommerferien treten zahlreiche junge Menschen ihre Lehrstelle an. Die IHK-Unternehmensumfrage zeigt, dass die Corona-Pandemie keinen signifikanten Einfluss auf den Lehrstellenmarkt hatte. Die Mehrheit der befragten Unternehmen gab an, dass die Anzahl an Lehrstellen gegenüber dem Vorjahr unverändert sei. Zudem würden gleich viele oder mehr Lehrabsolventinnen und Lehrabsolventen wie in den Vorjahren weiter beschäftigt. Für einen Grossteil der Lehrabgängerinnen und Lehrabgänger seien bereits Anschlusslösungen gefunden worden. «Das ist ein sehr erfreuliches Zeichen», konstatiert Markus Bänziger, Direktor der Industrie- und Handelskammer. Denn eine hohe Jugendarbeitslosigkeit habe nicht nur unmittelbare Konsequenzen für die finanzielle Lage und das psychische Befinden der Betroffenen, sondern zieht erhebliche Folgewirkungen im weiteren Berufsleben nach sich.

Erholung wird sich trotz Erschwernissen fortsetzen

Die Ostschweizer Wirtschaft hat während der Krise ihre Widerstandsfähigkeit bewiesen und ihre Chancen genutzt. «Erfreulicherweise und entgegen der befürchteten Zurückhaltung vor einem Jahr investierten die Ostschweizer Unternehmen während der Pandemie unverändert weiter und erhöhten zum Teil ihre Investitionen gar», erläutert Sgro. Insbesondere im Bereich der Digitalisierung wurden Fortschritte erzielt. «Über 50% der befragten Unternehmen nutzten die Krise um Digitalisierungsprojekte voranzutreiben. Dank dieser Anstrengungen kehrt die Ostschweizer Wirtschaft gestärkt aus der Krise zurück», ist Markus Bänziger überzeugt.

Zur Umfrage

 

Die IHK St.Gallen-Appenzell und die IHK Thurgau haben die Umfrage zwischen dem 25. Mai und dem 03. Juni 2021 unter ihren Mitgliedunternehmen durchgeführt. Insgesamt haben 467 Unternehmen daran teilgenommen. Die vollständigen Resultate können hier abgerufen werden.

 

Die Umfrage ist Bestandteil einer Umfrageserie zur Coronakrise unter Ostschweizer Unternehmen. Ziel dieser Umfrageserie ist es, ein systematisches Bild zur Verfassung, der aktuellen Risikoeinschätzung und der Zukunftsperspektiven der Ostschweizer Wirtschaft zu entwickeln und über den Krisenzeitraum nachverfolgen zu können. Die Resultate und Analysen der bisherigen Umfrage können hier abgerufen werden.

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