Sie sind hier

Tourismus hat an Bedeutung verloren

Rückgang der Übernachtungszahlen Tourismus hat an Bedeutung verloren

Volkswirtschaftliche Bedeutung des Tourimsus

Michael Götte, Leiter kant. Politik IHK 

Die Ostschweiz verfügt über ein breites touristisches Angebot und ist geprägt von kleinräumigen Strukturen. Diese allein sind zwar nicht schuld daran, dass der Tourismus eine relativ geringe wirtschaftliche Bedeutung hat. Fakt ist jedoch, dass die Übernachtungszahlen in der Ostschweiz in den letzten 25 Jahren deutlich gesunken sind. Positiv entwickelt sich dafür in jüngster Vergangenheit der Städtetourismus, von dem auch die Hauptstadtregion St. Gallen profitiert.

In der Ostschweiz befinden sich diverse attraktive Tourismusdestinationen wie die Regionen St. Gallen-Bodensee, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Toggenburg, Rheintal sowie das Heidiland mit den Flumserbergen. Trotzdem hat der Tourismus in der Ostschweiz eine vergleichsweise kleine volkswirtschaftliche Bedeutung. Die IHK St. Gallen-Appenzell sieht einen Teil des Problems in der Vernetzung der Regionen und somit auch bei der Vermarktung. Auch das St. Galler Kantonsparlament hat schon vor längerer Zeit eine bessere Zusammenarbeit unter den Ostschweizer Tourismusdestinationen über die Kantonsgrenzen hinweg gefordert. Im Zusammenhang mit der Beratung des kantonalen Standortförderungsprogramms für die Jahre 2015 bis 2018 erteilte der Kantonsrat der Regierung einen Auftrag: «… im Rahmen der Neuverhandlungen der Leistungsvereinbarungen ab 2016 die heute kleinräumigen Strukturen zu bereinigen, die Zuständigkeiten für übergreifende Themen wie Seminar- und Kongress-Tourismus zu koordinieren und zu prüfen, ob die heutigen Angebote zu schärfen beziehungsweise zu fokussieren sind.»

Tourismusstrukturen optimieren

Mit Blick auf diesen Auftrag lud die Regierung des Kantons St. Gallen die Nachbarkantone ein, sich an dem Prozess «Optimierung der Tourismusstrukturen» zu beteiligen. Mit diesem Prozess sollten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine nachhaltige Steigerung der Gäste- und Übernachtungszahlen ermöglichen. Die Kantone Thurgau und Appenzell Innerrhoden waren jedoch an einer Projektbeteiligung nicht interessiert. Nach den Projektvorarbeiten sah auch die Regierung des Kantons Appenzell Ausserrhoden von einer weiteren Mitwirkung ab.

Unter der Federführung des Volkswirtschaftsdepartementes des Kantons St. Gallen wurde das Projekt schliesslich mit dem Ziel lanciert, wenigstens eine Bündelung und Fokussierung innerhalb des eigenen Kantons zu erreichen. Das künftige Modell wurde von der kantonalen Verwaltung und den heutigen Destinationen gemeinsam entwickelt.

Der politische Wille wäre da

In der aktuellen Beratung des Standortförderungsprogramms für die Jahre 2019 bis 2022 wurde der Tourismus und dessen Organisation erneut beurteilt. Es hat sich nichts am politischen Willen geändert, dass die Tourismusdestinationen ihre Marketing- und Produktleistungen künftig gebündelt anbieten sollen. Der Kanton selber fokussiert sich ausschliesslich auf die Entwicklung und Optimierung der Erlebnis- und Beherbergungsinfrastruktur, zumal es sich dabei um eine raumrelevante Standortentwicklung handelt.

Angesichts der negativen Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit bedauert die IHK St. Gallen-Appenzell, dass die notwendige Bündelung der Aktivitäten nicht rascher erfolgt.

Wirtschaftlich geringe Bedeutung

Daran ändert auch nichts, dass der Tourismus gesamtschweizerisch eine eher kleine Branche ist. Zwar gibt es einige Regionen wie das Bündnerland oder das Wallis, in denen der Tourismus ein ausgesprochen wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Insgesamt jedoch trägt der Tourismus lediglich 2,6 Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei. Das ist deutlich weniger als in unseren Nachbarländern: So lebt beispielsweise Deutschland zu 4,4 Prozent vom Tourismus (Quelle: OECD). In der Ostschweiz liegt der Prozentsatz leider noch tiefer.

Wachstum ÜbernachtungenGemäss der Fachstelle für Statistik des Kantons St. Gallen sind die Übernachtungszahlen in den letzten 25 Jahren deutlich gesunken. Insbesondere in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre verzeichnete der Kanton St. Gallen einen im Vergleich zur Gesamtschweiz stärkeren Rückgang, welcher seither nicht mehr kompensiert werden konnte. Im Jahr 2017 kam es dann auf Ebene Schweiz zu einem markanten Anstieg der Logiernächtezahlen, der im Kanton St. Gallen deutlich moderater ausfiel.

Städtetourismus boomt

Dieser Anstieg ist vor allem dem aktuellen Boom des Städtetourismus zu verdanken, von dem auch die Stadt St. Gallen profitiert. Gemäss Tourismusexperten hängen die zunehmenden Gästezahlen stark mit dem Geschäftstourismus zusammen. Die Logiernächte in Grossstädten steigen, weil sich in diesen die Headquarters und Konferenzzentren befinden. Die angrenzenden Tourismus­regionen in der Ostschweiz können davon allerdings kaum profitieren. Die vergleichsweise wenigen Geschäftstouristen konzentrieren sich mehrheitlich auf die Stadt und die Agglomeration St. Gallen-Bodensee.

Ein weiterer Grund für die negative Entwicklung in der Ostschweiz ist sicherlich auch der Druck aus dem angrenzenden Ausland. Dies zeigte sich beispielsweise, als sich einer der bedeutendsten Kongresse in St. Gallen, der European Colorectal Congress, nach München verabschiedete. Nur dank grosser Bemühungen und der Verwurzelung der Hauptverantwortlichen konnte dieser Kongress zurück nach St. Gallen geholt werden.

Mehr Logiernächte in St. Gallen

Diesen negativen Entwicklungen zum Trotz gibt es auch Hoffnungsschimmer. So hat die Stadt St. Gallen in der ersten Hälfte dieses Jahres bei den Logiernächten zugelegt. Dies ist umso erfreulicher, als dass damit der Trend aus dem Jahr 2017 fortgesetzt wird. Die Fachstelle für Statistik des Kantons St. Gallen weist für Stadt und Region einen Zuwachs von über 13 Prozent aus. Dabei hat nicht nur die Zahl der Übernachtungen zugelegt, sondern auch die Internationalisierung der Gäste wurde erhöht. Anders sieht es bei der Entwicklung der Verbleibdauer aus: Der Gast logiert im Durchschnitt nur noch 1,82 Tage in der Region. Diese Entwicklung konnte bisher auch mit den ersten regionalen Angeboten wie zum Beispiel einer Ostschweizer Gästekarte nicht gestoppt werden. Es ist aber auch eine Tatsache, dass diese Entwicklung eine Konsequenz der gesellschaftlichen Entwicklung ist.

Für die IHK St. Gallen-Appenzell ist klar, dass es neue Ideen und einen gemeinsamen Auftritt der Ostschweiz braucht. Dies darf sich aber nicht nur auf die Organisation beschränken. Viel wichtiger ist das Produkt. Dass die Stiftsbibliothek St. Gallen vor Kurzem in der britischen Tageszeitung «The Guardian» als eine der schönsten Bibliotheken der Welt ausgewählt wurde zeigt, dass viel Potenzial vorhanden ist.

Es muss uns gelingen, unsere grosse Vielfalt in touristische Angebote einzubringen, die von potenziellen Gästen wahrgenommen werden. Angesichts der Herausforderungen der Zukunft stellt sich die Frage, ob es für die Ostschweiz nicht eine «One Brand»-Strategie braucht, welche die ganz besonderen Qualitäten der einzelnen Regionen zu einem attraktiven Angebot bündeln kann.

Die diesjährige EcoOst-Arena widmete sich ebenfalls dem Tourismus. Bilder des Anlasses finden Sie im aktuellen Heft.