Sie sind hier

Standortattraktivität der Ostschweiz stärken

Frank Bodmer, Leiter des neuen Kompetenzzentrums IHK-Research, im Gespräch Standortattraktivität der Ostschweiz stärken

Dr. Frank Bodmer, Leiter IHK-Research

Robert Stadler, Leiter Kommunikation / stv. Direktor IHK

Mit der Gründung des volkswirtschaftlichen Kompetenzzentrums IHK-Research stärkt die IHK St.Gallen-Appenzell ihre Grundlagenarbeit zugunsten von Wirtschaft und Politik. Das neue Institut wird vermehrt mit eigenen Analysen zur Ostschweiz an die Öffentlichkeit treten. Frank Bodmer nimmt im Interview Stellung zu den Zielen von IHK-Research, zur Finanzpolitik und zu den Auswirkungen des neuen US-Präsidenten Donald Trump auf die Ostschweizer Wirtschaft.

Die IHK St.Gallen-Appenzell hat angekündigt, mit IHK-Research ein eigenes Kompetenzzentrum unter Ihrer Leitung zu schaffen. Worum geht es dabei?

Frank Bodmer: Die IHK St.Gallen-Appenzell schafft mit IHK-Research ein Kompetenzzentrum für alle Fragestellungen, die sich mit der Ostschweiz als Wirtschaftsregion befassen. Wir werden damit in der Lage sein, eine eigene und unabhängige Analyse von wirtschaftspolitischen Vorlagen vorzunehmen und allfällige Defizite zu erkennen.

Sie sind bereits seit vielen Jahren immer wieder für die IHK tätig, haben bereits mehrere Studien verfasst und schreiben regelmässig für IHKfacts. Was wird sich an Ihrer Arbeit ändern?

Mit IHK-Research stärken wir den Bereich Grundlagenarbeit, das heisst wir werden noch aktiver und regelmässiger mit eigenen Analysen an die Öffentlichkeit treten. Bei den bearbeiteten Themen wird sich dagegen nicht viel ändern.

Welche Themen werden den Schwerpunkt bilden?

Themenschwerpunkte werden die regionale wirtschaftliche Entwicklung, die öffentlichen Finanzen, die Bildungspolitik und das Monitoring von Regulierungen sein. Wir werden aber natürlich auch zu anderen Themen Analysen erstellen, wenn das als nötig erscheint.

Wie sehen Sie Ihre Rolle im Vergleich zu anderen Instituten?

Die Konjunktur, das heisst die Entwicklung in der kurzen Frist, wird sicherlich keinen Schwerpunkt unserer Arbeit darstellen. Hier besteht bereits ein breites Angebot, auch für die Ostschweiz. Im Bereich mittel- und langfristige Entwicklung offerieren Beratungs­unternehmen und Hochschulinstitute zwar ebenfalls ihre Dienste. Deren Spielraum wird allerdings oft dadurch begrenzt, dass die öffentliche Hand Hauptauftraggeberin für Studien ist. Solche Restriktionen werden wir nicht haben.

Möchten Sie die Dienstleistungen auch Dritten anbieten? Und wenn ja, wem?

Wir werden sicher mit Politikern, Parteien und anderen Verbänden in Kontakt stehen. Wenn Fragen und Themen für die IHK von Interesse sind, können wir natürlich mit Dritten zusammenarbeiten. Inhalte werden aber auch hier im Zentrum stehen. Unsere Unabhängigkeit werden wir schützen.

Neben Ihrer Tätigkeit für die IHK sind Sie auch noch Privatdozent an der Universität Basel. Wie sehen Sie die Beziehung zwischen Forschung an einer Universität und Arbeit für einen Wirtschaftsverband?

Ich beschäftige mich schon seit mehr als 15 Jahren mit der schweizerischen Wirtschaftspolitik. Dabei habe ich Studien zur Energie­politik, zur Steuerpolitik, zum Finanzausgleich oder zur wirtschaftlichen Entwicklung gemacht. Meine Arbeit für die IHK ist eine Weiterführung und Vertiefung dieser Forschungstätigkeit. Das Zusammenspiel ist sehr fruchtbar: Die Fragestellungen stammen aus der Praxis, die Methoden aus der Forschung.

Für das letzte Konjunkturforum Zukunft Ostschweiz haben Sie eine umfassende Studie zur Finanzlage der Ostschweizer Kantone erstellt. Welche Reaktionen haben Sie im Nachgang zur Veröffentlichung erhalten?

Die Reaktionen waren mehrheitlich positiv. Vor allem wurde begrüsst, dass wir eine umfassende Analyse der finanzpolitischen Situation der Ostschweizer Kantone vorgelegt haben. Dabei konnten wir Bereiche identifi­zieren, in denen spezieller Handlungsbedarf besteht. Etwas überraschend gehören die Ausgaben für Primar- und Sekundarschulen zu den Bereichen, bei denen die Ostschweiz relativ viel Geld ausgibt. Ein gutes Bildungs­niveau ist wichtig. Investitionen in die Bildung sind deshalb nötig. Allerdings muss auch bei der Bildung die Effektivität des Mitteleinsatzes stimmen.

Verraten Sie uns, an welchen Themen Sie zurzeit arbeiten respektive was wir von IHK-Research erwarten können?

Die Finanzpolitik wird uns sicherlich weiter beschäftigen. Es gilt, die Erkenntnisse der Studie zur Finanzpolitik zu vertiefen und sie damit für die politische Praxis nutzbarer zu machen. Kosten und Effizienz in der Bildung und die galoppierenden Kosten im Gesundheits- und im Sozialbereich sind drei kritische Bereiche, die wir näher untersuchen werden.

Bei der Finanzpolitik ist der politische Handlungsbedarf damit klar. Wo sehen Sie weitere Herausforderungen?

Die Ostschweiz weist bei der Steuerbasis einen klaren Rückstand gegenüber den meisten anderen Schweizer Regionen auf. Zwar sind die Ausgaben auch relativ tief. Das reicht aber nicht für eine tiefe Steuerbelastung, dazu ist die Ostschweizer Steuerbasis einfach zu schwach. Es gilt deshalb, nicht nur das Ausgabenwachstum in den Griff zu bekommen, sondern auch die Steuerbasis zu stärken. Der Standort Ostschweiz muss insbesondere für Unternehmen und hochqualifizierte Arbeitskräfte attraktiver werden.

Welchen Beitrag kann die Politik dazu leisten?

Die Erhältlichkeit von qualifizierten Arbeitskräften und das Fehlen von unnötigen bürokratischen Hürden sind zentral, tiefe Steuern ebenfalls. Bei allen drei Faktoren ist die Standortattraktivität der Ostschweiz bedroht. Eine strenge Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative würde das Angebot an hochqualifizierten Arbeitskräften einschränken. Die Regeldichte nimmt auch bei uns weiter zu, Stichworte sind neue Regeln im Arbeitsmarkt, beim Energieverbrauch oder bei Gebäuden. Und bei den Unternehmenssteuern liegt die Ostschweiz nur noch im Mittelfeld.

Bisher konnten sich Ostschweizer Unternehmen auf die Rekrutierung von Arbeitskräften im Ausland verlassen. Weniger attraktiv ist die Ostschweiz bei bereits in der Schweiz wohnhaften Personen. Was sind die Ursachen für diese Diskrepanz?

Effektiv konnte die Ostschweiz in der Vergangenheit von der Zuwanderung von Ausländern profitieren, verlor ihrerseits aber Bevölkerung an andere Regionen der Schweiz. Ein Problem sind sicherlich die teilweise grossen Distanzen zu den Zentren. Ein Zweites sind die relativ hohen Steuern bei Personen mit mittleren und hohen Einkommen. Die aktuelle Entwicklung am Immobilienmarkt ergibt hier ein gewisses Korrektiv. Immobilieneigentum bleibt in weiten Teilen der Ostschweiz erschwinglich. Wir dürfen diesen Vorteil nicht mit unnötig strikten Vorgaben bei der Richtplanung und einer Verknappung des Baulandes aus der Hand geben.

Wie sehen Sie die mittelfristigen Perspektiven für die Ostschweizer Wirtschaft?

Die Ostschweizer Exportwirtschaft hat die Finanzkrise, die Eurokrise und zuletzt die Aufhebung des Euromindestkurses erstaunlich gut verkraftet. Das zeigt, wie gut die Ostschweizer Firmen auf dem Weltmarkt aufgestellt sind. Allerdings liegen die Ostschweizer Exporte noch deutlich unter dem Niveau vor Beginn der Turbulenzen. Glücklicherweise haben sich Finanz- und IT-Branche positiv entwickelt und konnten die Lücke etwas füllen. Ein Grossteil des Beschäftigungswachstums der letzten Jahre stammt aber vom Staat und aus staatsnahen Bereichen wie «Gesundheit und Soziales». Es ist klar, dass dies die Budgets von Kantonen, Gemeinden und Haushalten belastet hat.

Stellt die neue Ausrichtung der amerikanischen Politik unter Donald Trump eine Gefahr für die Ostschweiz dar?

Es ist noch zu früh für eine definitive Beurteilung. Viel wird von den Details abhängen. Sicher ist, dass ein neuer amerikanischer Protektionismus eine grosse Gefahr für die Ostschweizer Exportwirtschaft darstellen würde. Die Ostschweizer Exporte in die USA sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Neue US-Zölle würden die Exporte von Präzisionsinstrumenten, Nahrungsmitteln und Maschinen empfindlich treffen. Auch die Exporte in die EU wären indirekt betroffen. Wenn US-Zölle oder die aktuell diskutierte Importsteuer deutsche Autos verteuern, werden auch die Ostschweizer Zulieferer darunter leiden.

Diese Beiträge könnten
Sie ebenfalls interessieren: