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Spitalstrukturen als Knackpunkt

Fehlende Kostentransparenz Spitalstrukturen als Knackpunkt

Dr. Frank Bodmer, Leiter IHK-Research

Die Spitalstrukturen geben zu reden – auch in der Ostschweiz. Aktuell betreiben die drei Kantone St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden zusammen zwölf kantonale Spitäler, dies für eine Bevölkerung von weniger als 600 000 Personen. Dagegen kommt der Thurgau bei einer Bevölkerung von knapp 300 000 Einwohnern mit gerade einmal zwei kantonalen Spitälern aus. Konsequenzen der dichten Spitalversorgung lassen sich einerseits bei den Kosten, andererseits bei der Qualität der Versorgung erwarten.

Die Finanzierung der Spitäler

Seit Einführung der neuen Spitalfinanzierung im Jahr 2012 müssen die Kantone 55% der Kosten der stationären Behandlungen in Spitälern auf der kantonalen Spitalliste beitragen. Auch die ausserkantonalen Behandlungen müssen sie mitfinanzieren. In der Ostschweiz sind die Kantone zudem nach wie vor Eigentümer der Spitäler, womit sie letztlich auch für die allfälligen Defizite aufkommen müssen.
Die Entschädigung der Spitäler im stationären Bereich setzt sich damit, grob gesagt, aus vier Quellen zusammen. Erstens erhalten sie pro Behandlung eine Grund­entschädigung, die sogenannte «Baserate» (Basispreis oder «Tarif»). Zweitens erfasst das Kostengewicht, wie aufwendig eine Behandlung war. Drittens erhalten die Spitäler Beiträge für gemeinwirtschaftliche Leistungen wie die Weiterbildung von Ärzten und die Forschung. Viertens tragen die Kantone als Eigentümer die Defizite. Auch die Kosten der Erhaltung einer dezentralen Versorgung mit vielen kleinen Spitälern sollten über gemeinwirtschaftliche Leistungen abgegolten werden.
In der Praxis bestehen bei der Festsetzung dieser Leistungen aber grosse Unterschiede zwischen den Kantonen. Zu tiefe Beiträge für gemeinwirtschaftliche Leistungen können zu finanziellen Problemen bei den Spitälern führen. Umgekehrt können Kantone versucht sein, zu hohe Betriebskosten über gemeinwirtschaftliche Leistungen auszugleichen.

Ausgabenentwicklung

Die neue Spitalfinanzierung hat zu einem starken Anstieg bei den kantonalen Gesundheitsausgaben beigetragen (siehe Abbildung). Mit der Einführung im Jahr 2012 stiegen die Ausgaben bei allen vier Kantonen stark an, und auch das starke Wachstum zwischen 2012 und 2017 hat mit der neuen Spitalfinanzierung zu tun. Einerseits mussten die kantonalen Anteile auf 55% erhöht werden, andererseits besteht seit der Einführung der neuen Spital­finanzierung ein Automatismus bei den Gesundheits­ausgaben, dem sich kein Kanton entziehen kann. Der Thurgau musste zwar das höchste Wachstum verkraften, weist aktuell aber immer noch den tiefsten Aufwand pro Kopf aus. Am höchsten ist der Aufwand in Appenzell Ausserrhoden, zumindest dann, wenn auch das Defizit des Spitalverbundes ebenfalls berücksichtigt wird.

Spitaltarife als (scheinbares) Hindernis

Die beiden Appenzell wehren sich gegen eine stärkere Zusammenarbeit mit St. Gallen mit dem Argument, dass ihre Gesundheitsausgaben dann steigen würden. Als Grund für einen solchen Anstieg wird der höhere Tarif des Kantonsspitals St. Gallen ins Feld geführt. Aktuell erhält der Spitalverbund 1 (mit dem Kantonsspital St. Gallen) einen Basistarif von 9 900 Franken, während es beim Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden nur 9 660 und beim Spital Appenzell 9 480 Franken sind. Diese Unterschiede sind in den letzten Jahren allerdings sehr viel kleiner geworden. Trotzdem dienen sie nach wie vor als Argument für einen Alleingang. Diese rein kantonale Sicht übersieht allerdings, dass eine stärkere Zusammenarbeit Kosteneinsparungen für alle drei Kantone zusammen erlauben würde. Bei einer gemeinsamen Organisation müssten damit auch die resultierenden Kosteneinsparungen auf eine gerechte Art und Weise auf die drei Kantone verteilt werden. Mit seiner Konzentration auf zwei Spitäler zeigt der Thurgau, was möglich ist. Auf eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung mit eigenen Spitälern wird verzichtet. In Randregionen können die Thurgauerinnen und Thurgauer dafür auf Spitäler der Kantone St. Gallen, Schaffhausen und Zürich ausweichen.

Kleine Spitäler mit Nachteilen bei Kosten, …

Kleine Spitäler haben mit zwei grundlegenden Nachteilen zu kämpfen. Erstens sind die Kosten für eine vergleichbare Behandlung höher. Laut vergleichenden internationalen Studien dürfte die optimale Grösse bei einem Allgemeinspital im Bereich zwischen 200 und 300 Betten liegen und kann bis 600 Betten gehen. Gründe für die Kostenvorteile von grossen Spitälern liegen in der besseren Auslastung von Apparaten, Räumlichkeiten und Personal sowie in effizienteren Abläufen. Spezialkliniken können auch kleiner sein – wie nicht zuletzt die vielen kleinen Privatkliniken zeigen –, Universitätsspitäler dagegen grösser.

… Qualität und Personal

Dazu kommen noch Qualitätsvorteile von höheren Fallzahlen. Routine ist insbesondere bei chirurgischen Eingriffen sehr wichtig, weshalb es bei höheren Fallzahlen im Durchschnitt zu weniger Komplikationen kommt. Der Bund geht deshalb dazu über, Mindestfallzahlen für einzelne Behandlungen vorzuschreiben. Umgekehrt haben kleine Spitäler zunehmend Mühe, qualifiziertes Personal zu finden. Sind die Fallzahlen zu klein und die Anlagen veraltet, so verliert ein Spital an Attraktivität als Arbeit­geber. Angesichts des bereits jetzt akuten Mangels an Fachpersonal könnte es bei kleinen Spitälern deshalb bereits in naher Zukunft zu einem durch den Arbeitsmarkt und die neuen Bundesregeln erzwungenen Abbau der Leistungen kommen. Ein weiterer Trend im Gesundheitswesen ist die Verschiebung vom stationären in den ambulanten Bereich. Das Spitalsystem der Zukunft wird damit mit verhältnismässig weniger Betten auskommen, eine weitere Herausforderung für die kleinen Spitäler.

Zusammenarbeit und Spezialisierung

Basis für die Organisation der Spitalversorgung sollten zwei grundlegende Ziele sein: eine qualitativ hochstehende Versorgung bei möglichst günstigen Kosten. Bisher stellen die Kantonsgrenzen für diese beiden Ziele Hindernisse dar, welche zu einer kleinräumigen Überversorgung geführt haben. In Zukunft sollten die Ostschweizer Kantone ihre Spitalplanung deshalb überkantonal durchführen, um mögliche Synergien auszunutzen. Aktuell bestehen im Raum St. Gallen in einem Radius von 25 Kilometern sechs Grundversorgungsspitäler. Im Raum Wil und im Raum Sargans sieht die Situation ähnlich aus. Mit einer Konzentration des Angebots könnten die Fallzahlen für einzelne Behandlungen erhöht werden. Eine höhere Qualität und tiefere Kosten sollten das Resultat sein.


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