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Spitalschliessungen auf Raten

Spitalplanung der St.Galler Regierung Spitalschliessungen auf Raten

Am 7. Oktober präsentierte die St.Galler Regierung ihre konkreten Vorschläge zur Erneuerung von fünf der neun Spitäler des Kantons St.Gallen. Das Versprechen eines Gesamtbildes über die künftige Spitallandschaft kann die regierungsrätliche Vorlage nicht einlösen. Die Zukunft der Standorte Wil, Flawil, Rorschach und Walenstadt bleibt offen. Die Schliessung der jetzt auf die lange Bank geschobenen Regionalspitäler ist die wahrscheinliche Folge. Auch bei der Weiterentwicklung des Kantonsspitals St.Gallen bleiben viele Fragen unbeantwortet. Die Argumentation der Exekutive vermag insgesamt wenig zu überzeugen.

Mittwoch, 23. Oktober 2013 | Knapp zwei Monate nach der Veröffentlichung der von der IHK St.Gallen-Appenzell in Auftrag gegebenen PDF icon Spitalstudie publizierte die St.Galler Regierung ihre Botschaft zu den geplanten Spitalbauten. Unbestritten ist der Sanierungsbedarf der heutigen Spitalinfrastruktur. Auch die IHK St.Gallen-Appenzell anerkennt dies und will für die Bevölkerung eine optimale Gesundheitsversorgung. Niemand hat ein Interesse, dass unsere Patientinnen und Patienten in die umliegenden Kantone abwandern. Im Gegensatz zur IHK-Studie, die eine Gesamtschau für die kantonalen Spitäler aufzeigt, präsentiert die regierungsrätliche Botschaft erst die halbe Wahrheit. Die Vorlage stellt Investitionen an sechs Spitalstandorten zur Diskussion, die bis 2027 realisiert sein sollen und ziemlich genau der Hälfte der früher angekündigten gesamten Investitionssumme von rund 1,8 Milliarden entsprechen. Auf die lange Bank geschoben werden die Erneuerung der Spitäler Wil, Flawil, Rorschach und Walenstadt. In der Botschaft heisst es dazu vielsagend: „Die etappierte Erneuerung der Versorgungsstrukturen bietet zudem strategischen Spielraum bei der Ausgestaltung der zukünftigen Spitalstruktur.“ Mit anderen Worten, ist davon auszugehen, dass die Vorlage der Regierung für diese Standorte Spitalschliessungen auf Raten bedeutet.
Die regierungsrätliche Vorlage lässt aber auch weitere Fragen offen: Was geschieht zum Beispiel mit dem markanten Bettenhochhaus 04 des Kantonsspitals St.Gallen, an dem die Regierung auf lange Frist nichts verändern möchte? Aus Gründen eines optimalen betrieblichen Ablaufes werden neue Spitäler heute nicht mehr als Türme in die Höhe gebaut. Durch die erste Bauetappe am Kantonsspital schränkt man aber den verfügbaren Boden vor Ort und damit den Handlungsspielraum stark ein. Das Kantonsspital bleibt damit ein komplexes Flickwerk mit vielen Einzelgebäuden, welches das monierte Problem der beschwerlichen und ineffizienten Transporte nicht beseitigen kann.

Gesamtkonzept ist Gebot der Fairness

Aus Sicht der IHK St.Gallen-Appenzell ist es ein Gebot der Fairness, dass Regierung und Parlament ein Gesamtkonzept für alle Spitäler verabschieden. Die Regierung hat zwar eine Vorgabe des Kantonsrates, pro Jahr nicht mehr als 180 Millionen Franken neu zu investieren. Dies zwingt sie zu einer Etappierung der Bauvorlagen. Trotzdem hinterlässt es einen schalen Nachgeschmack, dass die später noch nötigen Investitionen zur Erneuerung der Spitalinfrastruktur von der Regierung verschwiegen werden. Solche abstimmungstaktische Manöver werden der Bedeutung der Vorlagen nicht gerecht. Die IHK-Studie hingegen bietet eine Gesamtstrategie für den Kanton und empfiehlt ein gemischtes System von Zentrumsspital, Regionalspitälern und ambulanten Gesundheitszentren. In den zu Tageskliniken umgebauten Regionalspitälern könnten sich auch Haus- und Spezialärzte niederlassen. Damit würde die von der Regierung angestrebte, sinnvolle Stärkung der Hausarztmedizin sogar forciert. Mit dem IHK-Vorschlag bleibt die medizinische Grundversorgung in allen Regionen gewährleistet und alle Einwohnerinnen und Einwohner wüssten, mit welcher Spitalstruktur sie mittelfristig rechnen können.

Finanziell tragbar?

Auch was die finanziellen Perspektiven betrifft, gelang es der Regierung nicht wirklich, vertrauensbildend aufzutreten. Über die Finanzierbarkeit der Bauvorlagen schreibt sie in ihrer Botschaft unsicher: „Die Regierung geht davon aus, dass die Spitalbauvorhaben für den Kanton St.Gallen finanziell tragbar sind.“ Gleichzeitig verwirft die Regierung den IHK-Vorschlag nach Neubauten auf der grünen Wiese nicht zuletzt aufgrund der Kosten. Diese Betrachtungsweise übersieht, dass das Sparpotenzial einer vollständig neuen Infrastruktur in erster Linie im Betrieb des Spitals liegt. Moderne, in jeder Beziehung optimierte Abläufe machen die entscheidenden Vorteile aus. Zudem sind weitere Kosteneinsparungen durch Skaleneffekte realisierbar: Wenn kleine Spitäler zu einem grösseren Grundversorgerspital zusammengefasst werden, wie dies die IHK-Studie für die Region Rheintal-Werdenberg-Sarganserland empfiehlt, so können die Mittel effizienter eingesetzt werden. Dabei sind auch die Vorschläge der Regierung des Fürstentums Liechtenstein relevant, gemeinsam ein neues Spital zu errichten. Die St.Galler Regierung hat bisher kein Interesse an solchen Lösungen gezeigt. Solche Ansätze und Möglichkeiten müssen jedoch zwingend weiterverfolgt werden. Der Kantonsrat steht nun in der Pflicht, der Regierung entsprechende Aufträge zu erteilen, bevor blindlings Milliarden in eine nicht optimale Spitallandschaft investiert werden und kommende Generationen die Rechnung für unsere fehlende Weitsicht bezahlen müssen.

Neue Chancen nutzen

Langfristiges Denken erfordert aber auch der Zeitplan. Nach den Plänen der Regierung dauern nur schon die Bauarbeiten der ersten Investitionstranche im Kantonsspital St.Gallen bis ins Jahr 2027. Umfassende Sanierungen der heute bestehenden Bauten wären in einem zweiten Schritt weiterhin nötig und es würden bestimmt weitere zehn Jahre ins Land ziehen. Ein Neubauprojekt gemäss IHK-Studie würde den Baubeginn, aber nicht die Fertigstellung verzögern. Insgesamt ist die IHK St.Gallen-Appenzell nicht überzeugt von den Bauvorlagen der Kantonsregierung zur Erneuerung der Spitalinfrastruktur. Angesichts der Zweifel ist es dringend notwendig, dass der Kantonsrat seine Verantwortung wahrnimmt und eine echte Diskussion über die künftige Gesundheitspolitik des Kantons St.Gallen führt. Die IHK-Studie und die zahlreichen positiven Reaktionen – gerade auch von Fachleuten aus dem Gesundheits- und Spitalwesen – zeigen auf, in welche Richtungen Verbesserungen möglich sind.

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PDF icon IHK-Standpunkt: Wieviele Spitäler braucht der Kanton St.Gallen?
August 2013 | Robert Stadler, Dr. Kurt Weigelt

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