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Schlüsselprojekte für die Ostschweiz

Wichtige Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur Schlüsselprojekte für die Ostschweiz

Michael Götte, Leiter kantonale Politik IHK

Die Verkehrsanbindung der Ostschweiz an die übrige Schweiz muss verbessert werden. Langsame Bahnverbindungen und die Überlastung der Autobahninfrastruktur im Raum St. Gallen sind aktuell die zentralen Probleme, welche es zu lösen gilt. Die IHK St. Gallen-Appenzell befürwortet deshalb den Brüttener Tunnel und den Ausbau der Stadt­autobahn in St. Gallen. Beide Projekte sind für die gesamte Ostschweiz von zentraler Bedeutung.

Die Ostschweiz hat heute im Vergleich zu anderen Regionen grosse Defizite bei der Erreichbarkeit auf der Schiene. Viele Schweizer Regionen haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten von teils sehr kostspieligen Beschleunigungsmassnahmen profitiert. Die Fahrzeiten zwischen Zürich und St. Gallen verharren dagegen weiterhin auf dem Stand des Jahres 1970. Zwischen den beiden Städten liegen zwar nur 60 Kilometer Luftlinie, für die Fahrt mit dem öffentlichen Verkehr braucht es aber nach wie vor mehr als eine Stunde. Darunter leiden nicht nur die Stadt-St. Galler, sondern auch Nutzer aus den Regionen Wil, Toggenburg und den beiden Appenzell. Eine verbesserte Anbindung an den Metropolitanraum Zürich ist überfällig.

Bahnverbindung nach Zürich wird wichtiger

Aus Sicht des Kantons St. Gallen stehen die beiden Fernverkehrslinien Zürich–St. Gallen–St. Margrethen und Zürich–Sargans–Chur im Zentrum. Aktuell nutzen den Abschnitt zwischen Wil und St. Gallen täglich bis zu 26 000 Personen, bis 2030 wird ein Anstieg auf 35 000 Fahrgäste erwartet. Im Abschnitt zwischen Pfäffikon SZ und Sargans sind es heute bis zu 19 500 Fahrgäste pro Tag, 2030 sollen es 27 000 sein. Im Kanton Thurgau wird der Anstieg auf der zentralen Achse Winterthur–Weinfelden–Konstanz voraussichtlich ähnlich hoch ausfallen.

Brüttener Tunnel verbessert Anbindung

Für den Bahnausbauschritt 2030/2035 wird der Bund 11,5 Milliarden Franken investieren, in wichtige Projekte auch in der Ostschweiz. Zentral ist der circa zehn Kilometer lange Brüttener Tunnel zwischen Zürich und Winterthur. Die geplante Investition von 2,5 Milliarden Franken ist nötig, um die Anbindung der Ostschweiz an den Wirtschaftsraum Zürich und den Flughafen zu verbessern. Der Tunnel wird einerseits die Kapazitäten erhöhen und andererseits die Fahrzeiten um rund sechs Minuten verkürzen. Ein weiterer Vorteil gegenüber einem Ausbau der bisherigen Strecke auf vier Spuren ist das Fehlen von Beeinträchtigungen während der Bauzeit.

Vollknoten St. Gallen und Vier-Zug-Konzept

Damit der geplante Tunnel den nötigen Mehrwert bringen kann, sind weitere Massnahmen nötig. Aus Sicht von St. Gallen und den beiden Appenzell steht ein «Vollknoten St. Gallen» im Zentrum. Voraussetzung für attraktive Zugsverbindungen sind kurze Reisezeiten und optimierte Anschlüsse.
Möglich werden diese über ein funktionsfähiges Knotensystem, bei dem die Fahrzeit zwischen den Vollknoten bei knapp unter einer Stunde liegt, mit weiteren regionalen Knoten in halbstündiger Entfernung. Die Züge treffen sich so zur vollen und halben Stunde in den Knotenbahnhöfen, und es können optimale Umsteigebedingungen in alle Richtungen geboten werden. Der Ausbau von St. Gallen zu einem Vollknoten sowie die Stärkung des Knotens Wil werden ein Vier-Zug-Konzept zwischen Zürich und St. Gallen ermöglichen. Für den Regionalverkehr ergeben sich so optimale Anschlussbedingungen in Wil und St. Gallen, ebenso wie für die Weiterfahrt in Richtung Chur. Der Vollknoten St. Gallen wird nicht nur von der IHK gefordert, sondern wurde auch vom St. Galler Kantonsrat einstimmig unterstützt.

München und Berlin nicht im Fokus

Die IHK St. Gallen-Appenzell setzt im Gegensatz zu verschiedenen anderen politischen Akteuren keine Priorität bei der internationalen Anbindung. Die Mittel sind dort zu investieren, wo für die Ostschweiz am meisten Mehrwert zu erwarten ist. Diesen sehen wir bei den dringend notwendigen Investitionen für die bessere Anbindung an den Grossraum Zürich und nicht in teuren Investitionen in internationale Verbindungen nach München oder gar nach Berlin. Es gilt zwischen «nice to have» und «need to have» zu unterscheiden.

Dritte Röhre und Teilspange

Mindestens so bedeutend wie die Ausbauschritte im öffentlichen Verkehr sind Investitionen in das Strassennetz. Diese müssen vor allem bei den Nationalstrassen erfolgen. Im Fokus stehen zwei Projekte für die Stadtautobahn St. Gallen, welche inzwischen auch auf nationaler Ebene Gehör gefunden haben und Teil des Strategischen Entwicklungsprogramms des Bundes (STEP) sind. Die dritte Röhre des Rosenbergtunnels unterhalb der Stadt St. Gallen erlaubt eine dringend nötige Erhöhung der Kapazitäten, ohne welche es auf der A1 zum Verkehrskollaps käme. Bis 2030 soll auch die neue Teilspange beim Güterbahnhof realisiert werden. Die unterirdische Abzweigung würde den innerstädtischen Knotenpunkt Kreuzbleiche entlasten. Und durch die Verlängerung der Teilspange bis Lustmühle könnte der Verkehr Richtung Teufen bis an den Stadtrand unterirdisch geführt werden. Dies würde die Kapazitäten in Richtung Appenzellerland erhöhen und zudem den Durchgangsverkehr in der Stadt reduzieren.

Weitere Herausforderungen

Gross sind die Probleme auch im Raum Rapperswil. Ein Nadelöhr ist der Seedamm, welcher pro Tag von über 25 000 Autos passiert wird und sein Kapazitätslimit erreicht hat. Auch in der Stadt Rapperswil kommt es regelmässig zu Staus. Aktuell wird hier ein neuer Anlauf genommen, der dieses Mal hoffentlich auch die Zustimmung der Rapperswiler finden wird. Wil leidet ebenfalls seit Jahren unter massiven Staus. Der geplante Autobahn­anschluss Wil-West dürfte eine erhebliche Entlastung für das Zentrum von Wil bringen. Im Rheintal besteht die grösste Herausforderung in der Verbindung der beiden Autobahnen. 1964 wurde auf der N1 in St. Margrethen eine Anschlussrampe für eine Verbindung in Richtung Bregenz gebaut. 54 Jahre später besteht diese Verbindung immer noch nicht. Folgen sind Verkehrsbehinderungen und Staus. Das aktuelle Projekt mit einer direkten Verbindung zwischen St. Margrethen und Dornbirn liegt seit Jahren in Wien und wartet auf seine Verabschiedung.

Es geht um die Ostschweiz

Sowohl beim Vollknoten St. Gallen als auch beim Ausbau der Stadtautobahn geht es nicht in erster Linie um die Stadt St. Gallen. Vielmehr ist ein Ausbau des Vollknotens St. Gallen die entscheidende Voraussetzung für die bessere Anbindung des Appenzellerlandes, des Rheintals und des Oberthurgaus. Dazu braucht es den Brüttener Tunnel. Auch bei der Engpassbeseitigung im Rosenbergtunnel geht es nicht in erster Linie um die Stadt. Ist dieses Nadelöhr zu, wird die Ost-West-Verbindung unterbrochen und die Regionen Rorschach, Rheintal und Oberthurgau bleiben vom Rest der Schweiz abgeschnitten. Die IHK St. Gallen-Appenzell wird sich deshalb dafür einsetzen, dass sich die Ostschweizer Parlamentarierinnen und Parlamentarier in Bern gemeinsam für diese beiden zentralen Projekte engagieren. Nötig ist eine Konzentration auf diese Schlüsselprojekte, damit sie die verbleibenden politischen Hürden nehmen können. Eine Verzettelung der Kräfte durch die Lancierung anderer Varianten und regionale Begehrlichkeiten ist zu vermeiden. Es besteht sonst das Risiko, dass die Ostschweiz beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur einmal mehr leer ausgeht.

Bahnkonzept 2030/2035

Als Bahn 2030 werden Planungen des Schweizer Bundesamtes für Verkehr und der Schweizerischen Bundesbahnen für eine Weiterentwicklung des Bahnsystems in der Schweiz über das Jahr 2030 hinaus bezeichnet. Bahn 2030 ist als das Nachfolgeprojekt der Bahn 2000 der zukünftigen Entwicklung der Bahninfrastruktur (ZEB) projektiert. Die Bahn 2000 war in vielen Bereichen für die Ostschweiz von leeren Versprechen ausgegangen.
Nachdem das Parlament der FABI (Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur) zugestimmt hatte, stimmte das Schweizer Volk im Februar 2014 der FABI-Vorlage mit 62% Ja-Stimmen zu. Der Bundesrat wird voraussichtlich in der Wintersession 2018 einen Vorschlag zum Ausbauschritt 2030 dem nationalen Parlament vorlegen.

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