Sie sind hier

«Die Politik ist zu stark auf die nächste Wiederwahl fokussiert»

IHK-Präsident Peter Spenger tritt zurück «Die Politik ist zu stark auf die nächste Wiederwahl fokussiert»

Robert Stadler, stv. Direktor / Leiter Kommunikation IHK

An der IHK-GV 2018 ist es so weit: Peter Spenger tritt aus dem IHK-Vorstand zurück und gibt das Präsidium ab. Seit 2009 wirkte der Vollblutunternehmer im Vorstand mit, seit 2011 ist er IHK-Präsident. Im Gespräch erinnert er sich an die Höhepunkte der vergangenen Jahre, hält Rückschau auf Erreichtes und nimmt Stellung zu den Herausforderungen eines Wirtschaftsverbandes.

Seit neun Jahren sind Sie im Vorstand der IHK aktiv, die letzten sieben als Präsident. An der kommenden Generalversammlung treten sie zurück. Wie leicht wird Ihnen der Abschied fallen und was werden Sie vermissen?

Peter Spenger: Ich durfte mit einem hochmotivierten Vorstand und einer sehr kompetenten Geschäftsleitung zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit hat mir sehr viel gegeben – in diesem Sinne fällt der Abschied sicher nicht leicht. Auf der anderen Seite ist es gut, denn ein Wechsel bringt immer wieder neue Chancen und Möglichkeiten, seine ­eigenen und neue Perspektiven einzubringen.
Vermissen werde ich die intensiv und zum Teil kontrovers geführten Diskussionen im Vorstand, die aber immer zu einer Konsenslösung führten.

Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses bedeutete 2015 einen schweren Dämpfer für die Exportindustrie. Mittlerweile brummt die Wirtschaft wieder. Ein idealer Zeitpunkt, um als Präsident eines Wirtschaftsverbandes zurückzutreten?

Die IHK als Wirtschaftsverband hat wenig Einfluss auf die Effizienz und die wirtschaftlichen Leistungen der einzelnen Betriebe. Hier sind und waren die Unternehmen direkt gefordert. Ich bin aber der Meinung, dass es der Ostschweizer Wirtschaft insgesamt sehr gut gelungen ist, sich auf die neue Situation einzustellen und jeweils die richtigen Massnahmen zu ergreifen.

In Ihrer IHK-Zeit haben Sie die Ostschweizer Wirtschaft und Politik noch besser kennengelernt. Wo sehen Sie die grossen Herausforderungen der Ostschweiz? Was muss die Ostschweiz dringend anpacken, um erfolgreich zu bleiben?

In der Ostschweiz muss vor allem die Politik den Mut aufbringen, in grösseren Zusammenhängen zu denken und entsprechend zu handeln. Aus meiner Sicht ist die Politik immer noch zu stark auf sich und die nächste Wiederwahl fokussiert. Der Wandel im wirtschaftlichen Umfeld hat rasant zugenommen und bedarf vermehrt eines raschen und vielleicht auch einmal eines untypischen Verhaltens seitens der Politiker.

In Ihre Präsidialzeit sind einige für die IHK prägende Ereignisse gefallen: Das 550-Jahr-Jubiläum im vorletzten Jahr oder auf politischer Ebene die Forderungen nach einer IT-Bildungsoffensive oder auch die alternative Spitalplanung im Kanton St. Gallen. Was war Ihr persönliches Highlight?

Das Jubiläumsjahr hat mir aufgezeigt, wie die weit zurückliegende Geschichte unseren Verband zu dem gemacht hat, was er heute noch ist und noch lange bleiben soll. Ein unabhängiges Organ, das versucht, die Interessen der Mitgliedfirmen aufzunehmen, diese zu bündeln und in entsprechenden Vorschlägen und/oder Anträgen der Politik vorzutragen. Es geht in erster Linie immer darum, das Wachstum und die Attraktivität des Werkplatzes Ostschweiz langfristig zu sichern. Präsident der IHK St. Gallen-Appenzell sein zu dürfen, war als Ganzes für mich ein Highlight.

Politische Projekte und Forderungen sind zwar gegen aussen sichtbar, machen aber nur einen Teil der Arbeit ­einer Handelskammer aus.

Die wirtschaftspolitischen Forderungen werden öffentlich wahrgenommen, sind aber gewissermassen tatsächlich nur die Spitze des Eisbergs. Gerade für unsere exportorientierte Ostschweizer Wirtschaft ist die Tätigkeit unserer Exportabteilung von grosser Bedeutung. Hier werden wichtige Dienstleistungen erbracht und Schulungen durchgeführt. Oder zu nennen sind natürlich auch die vielen Veranstaltungen, die wir zu den unterschiedlichsten Themen organisieren.

Und welche IHK-«internen» Projekte waren in Ihrer Präsidialzeit besonders wichtig?

Da gab es tatsächlich einiges. So wurde 2015 der Geschäftssitz der IHK an der Gallusstrasse saniert. Das Alter des bald 200-jährigen Hauses hatte sich bemerkbar gemacht. Ein Jahr später brachten wir eine weitere Liegenschaft auf Vordermann und sanierten das ebenfalls im Eigentum der IHK bestehende Nachbargebäude, das «Haus zur Stärke». In beiden Fällen wollten wir die guten Zeiten nutzen, um die Substanz der Liegenschaften durch umfassende Sanierungen nachhaltig zu sichern.
Ein weiteres wichtiges Projekt war die Reorganisation der «Église française de Saint-Gall». Es ist eine der historischen Besonderheiten unserer Handelskammer, dass wir seit 1685 eine eigene Kirche haben. Doch die gewachsene Struktur erwies sich zunehmend als schwierig und wir mussten der «Église française de Saint-Gall» eine zeitgemässe Rechts- und Organisationsform geben.
Das Textilmuseum ist eine weitere IHK-Institution, bei der wir uns jetzt auf der Zielgeraden befinden, um eine nachhaltige Lösung zu ermöglichen – sofern unsere Mitglieder unseren Anträgen an der kommenden Generalversammlung zustimmen.

Welche weiteren «Baustellen» hätten Sie auch noch gerne selbst angepackt, die Sie jetzt Ihrem Nachfolger übergeben müssen?

Die Hausaufgaben haben wir gemacht. Die Herausforderungen werden der IHK aber deswegen noch lange nicht ausgehen. Das Tagesgeschäft wird uns weiter auf Trab halten. Zudem müssen wir politischen Entwicklungen wie dem zunehmenden Protektionismus entgegentreten.

Bei der IHK steht eine Erneuerungsphase an: Die Hälfte des IHK-Vorstandes wird aufgrund statutarischer Amtszeitbeschränkung ausgewechselt, Roland Ledergerber soll das Präsidium übernehmen und mit Markus Bänziger wird auch ein neuer Direktor die IHK führen. Was geben Sie der neuen Crew mit auf den Weg?

Bleibt eurem eigenen Stil treu, seid kritisch, bleibt flexibel. Behaltet den Mut zu gestalten und nicht zu verwalten.

Kurz bevor Sie IHK-Präsident wurden, haben Sie Ihre Funktion als CEO der Telsonic niedergelegt und das Unternehmen verkauft. Dafür widmeten Sie sich neuen unternehmerischen Aufgaben. Welche Projekte und Ziele haben Sie sich noch gesetzt?

Ich möchte mich sukzessive aus der operativen Geschäftsleitung zurückziehen und die Führung in junge, dynamische Hände übergeben. Ich werde mich vermehrt der strategischen Ausrichtung widmen.

Diese Beiträge könnten
Sie ebenfalls interessieren: