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Offene Grenzen für Fachkräfte gefordert

IHK-Unternehmensumfrage und überkantonaler Austausch Offene Grenzen für Fachkräfte gefordert

EcoOst Zoom - Offene Grenzen für Fachkräfte gefordert
Die dritte IHK-Unternehmensumfrage während der Corona-Pandemie zeigt, dass die Ostschweizer Unternehmen auf eine klare Kommunikation für die Ausstiegsstrategie und die Wiederaufnahme der Personenfreizügigkeit angewiesen sind. Die gestrigen Entscheide des Bundes zugunsten der Binnenwirtschaft sind deshalb zu begrüssen. Der Fokus muss nun auf die Exportwirtschaft gerichtet werden. Ein Austausch mit dem St.Galler und den Appenzeller Volkswirtschaftsdirektoren auf Einladung der IHK bestätigte zudem, dass die Unterstützungsmassnahmen für Unternehmen breit und sofort wirkten.

Der Bundesrat hat mit seinen gestern kommunizierten Entscheiden in vielen Fragen für dringend benötigte Klarheit gesorgt. Die IHK St.Gallen-Appenzell begrüsst die beschlossenen Lockerungen der behördlichen Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Der Bundesrat trägt damit dem Umstand Rechnung, dass sich Bevölkerung und Unternehmen ihrer Verantwortung bewusst sind und diese auch wahrnehmen. Die zaghaften Lockerungen der Einreisebeschränkungen verzögern hingegen das Wiederanlaufen im Wirtschaftsraum Ostschweiz als Ganzes.

Dritte IHK-Umfrage: Grenzschliessungen als Problem für Unternehmen

Die Massnahmen des Bundesrats zur Eindämmung des Coronavirus sind für die Ostschweizer Wirtschaft einschneidend. Neun von zehn Unternehmen haben weiterhin deutliche Erschwernisse in ihrer Geschäftsentwicklung. Das zeigt die dritte Umfrage der IHK St.Gallen-Appenzell und der IHK Thurgau. Sechs von zehn Unternehmen geben an, dass sich die Erschwernisse deutlich verschlimmert hätten. Mehr als drei Viertel aller befragten Unternehmen macht vor allem der deutliche Rückgang bei der Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen zu schaffen. Dieser hohe Anteil erhöhte sich im Vergleich zu den bisherigen Umfragen nochmals. Die Mehrheit der befragten Unternehmen rechnet damit, dass ihre Erschwernisse aufgrund der Corona-Pandemie noch mindestens sechs weitere Monate anhalten werden. Somit nahm auch die erwartete Dauer der Krise deutlich zu. Vor allem bei der Nachfrage zeichnet sich in den nächsten vier Wochen nochmals eine klare Verschlechterung ab. Die andauernden Grenzschliessungen belasten die aktuelle und vor allem die künftig erwartete Geschäftstätigkeit insbesondere für die exportabhängige Industrie. Über ein Viertel der befragten Unternehmen ist davon betroffen. Der Maschinenbau ist besonders stark auf Fachkräfte aus dem Ausland und internationale Reisetätigkeit für Produktdemonstrationen, -montagen und -abnahmen angewiesen: Im April verzeichneten gar 58 % dieser Unternehmen Erschwernisse verbunden mit Grenzschliessungen.

Deutlich tiefere Nachfrage und zu hoher Personalbestand in nächsten 4 Wochen erwartet

Die Erschwernisse der Ostschweizer Wirtschaft widerspiegeln sich auch in den Geschäftszahlen. Im Vergleich zu den bisherigen Umfragen mussten unverändert viele Unternehmen bereits deutliche Umsatzeinbussen hinnehmen. Beim Umsatzausblick zeichnet sich ein ähnlich düsteres Bild ab. Der Tenor in der Ostschweizer Wirtschaft ist klar: Man will wieder arbeiten und strebt einen Ausstieg aus dem Lockdown an. Die befragten Unternehmen haben eine klare Meinung, welche Massnahmen einen erfolgreichen Ausstieg unterstützen: Hygienevorschriften, Abstandsregeln und der Schutz von besonders gefährdeten Menschen stehen im Zentrum. Nebst dem Zuspruch für diese zentralen Verhaltensregeln zeigen die Ostschweizer Unternehmen ein klares Bekenntnis zur Eigenverantwortung. Die Unternehmen seien in der Lage, Schutzkonzepte zu erarbeiten und sicherzustellen sowie die Mitarbeitenden zu schützen. Sie wünschen sich entsprechend eine klare Kommunikation zur Ausstiegsstrategie und erwarten offene Grenzen für Fachkräfte.

Austausch mit Volkswirtschaftsdirektoren

IHK_Austausch_mit_VolkswirtschaftsdirektorenDie IHK St.Gallen-Appenzell präsentierte ihre Umfrageergebnisse gestern Mittwoch den Volkswirtschaftsdirektoren der Kantone Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden und St.Gallen. Am digitalen Treffen nahmen auch die Amtsleiterin und die Amtsleiter der kantonalen Wirtschafts- und Arbeitsämter sowie Präsidium und Sekretariat der Handels- und Industriekammer Appenzell Innerrhoden (HIKA) teil. Ziel war, einen kantonsübergreifenden Austausch zur aktuellen Situation in der Ostschweizer Wirtschaft zu ermöglichen. Ebenfalls diskutiert wurde das Zusammenspiel von nationalen und kantonalen Unterstützungsmassnahmen für Unternehmen. Es zeigte sich, dass die Massnahmen des Bundes sofort und in der Breite wirken. Kantonale Unterstützungsleistungen werden als positives Signal geschätzt, jedoch bis anhin noch wenig nachgefragt.

Die Forderungen der IHK

Gestützt auf die Umfrageergebnisse und zahlreiche Gespräche mit Mitgliedern stellt die IHK Forderungen. Diese richten sich einerseits an den Bund und die Kantone, andererseits an die Eigenverantwortung von Unternehmen und Einzelpersonen.

Forderungen an Bundesbern

  1. Wiederaufnahme der Personenfreizügigkeit anstreben
    Bislang legte der Bund seinen Fokus auf die Binnenwirtschaft. Der Wirtschaftsraum Ostschweiz mit einer überdurchschnittlichen industriellen Ausprägung ist stark international verflochten. Die mit den Grenzschliessungen einhergehende faktische Aussetzung der Personenfreizügigkeit behindert die Ostschweizer Industrie in der aktuellen Geschäftstätigkeit und vor allem in der Sicherung des künftigen Auftragsvolumens. Die Wiederherstellung der beruflich bedingten Personenfreizügigkeit ist deshalb elementar – sowohl in Bezug auf die Ein- wie auch auf die Ausreise von Fachkräften. Die vom Bundesrat kommunizierte schrittweise Lockerung der Einreisebeschränkungen ist ein erster wichtiger Schritt auf diesem Weg, aber viel zu zögerlich. Zwar werden nun vor Mitte März eingereichte Gesuche der Zulassungsbeschränkungen wieder geprüft. Es müssen aber auch neue Verträge abgeschlossen und neue Gesuche eingereicht werden können.
  2. Szenarien und Begleitmassnahmen offenlegen
    Weitergehende und zügige Lockerungen in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen sind notwendig – abhängig von der epidemiologischen Entwicklung. Die IHK St. Gallen-Appenzell fordert unverändert die Offenlegung verschiedener Szenarien wie «Erholung», «Stagnation» oder «Rückfall», mit denen der Bund plant und seine Massnahmen beschliesst. So könnten die Unternehmen und Branchenverbände auch vorausschauend planen und ihre unternehmerische Verantwortung wahrnehmen.

Forderungen an die Ostschweizer Kantonsregierungen

  1. Vollzug unbürokratisch gestalten und Versorgung ermöglichen
    Der Vollzug durch die kantonalen Behörden muss unbürokratisch, rasch und mit Augenmass erfolgen. Sonst drohen zeitliche Verzögerungen der Lockerungen und unnötiger bürokratischer Aufwand.
  2. Bestehende Gefässe nutzen
    Die IHK begrüsst die kantonalen Liquiditätshilfen. Zusätzlich sollen Covid-19 Steuerrückstellungen von Unternehmen im Rechnungsschluss 2019 steuerlich anerkannt wer-den. Der Kanton Thurgau wendet dieses Instrument bereits an. Die IHK St.Gallen-Appenzell hat entsprechende Anträge bei allen Kantonsregierungen ihres Kammergebiets eingereicht. Wiewohl der Kanton St.Gallen eine erste Anfrage dazu abgelehnt hat, ist eine Wiederaufnahme des Anliegens durch die vorberatende Kommission des Kantonsrates lanciert.

Appell an die Eigenverantwortung

  1. Abstands- und Hygienemassnahmen einhalten
    Die Lockerung der Corona-Massnahmen muss in einem selbstverantwortlichen Prozess vonstattengehen. Nur so erfolgt sie rasch und nachhaltig erfolgreich. Einzelpersonen müssen sich deshalb nach wie vor strikt an die Abstands- und Hygienemassnahmen halten. Gerade Unternehmensverantwortliche und Kader sind angehalten, diese weiterhin konsequent einzufordern und betrieblich möglich zu machen.
  2. Schutz der Arbeitnehmenden und Kunden gewährleisten
    Branchenverbände und Unternehmen müssen Konzepte einbringen, wie der Schutz der Gesundheit der Mitarbeitenden und der Kunden sichergestellt und die wirtschaftliche Tätigkeit rasch wieder gesteigert werden können. So wird ein schweizweit einheitlicher Umgang mit der noch nicht gebannten Bedrohung durch Covid-19 möglich, der auf beste Gesundheitsvorsorge ausgerichtet ist und vor allem den spezifischen Anforderungen der Branchen Rechnung trägt. Um eine behördliche Bewilligungspflicht der Schutzkonzepte zu vermeiden, müssen diese von den Unternehmen in Eigenverantwortung konsequent umgesetzt werden.

 

Zur Umfrage

Die IHK St.Gallen-Appenzell und die IHK Thurgau haben die Umfrage zwischen dem 24. und dem 27. April unter ihren Mitgliedunternehmen durchgeführt. Insgesamt haben 434 Unternehmen daran teilgenommen. Die vollständigen Resultate können hier abgerufen werden.

Die Umfrage ist Bestandteil einer Umfrageserie zur Coronakrise unter Ostschweizer Unternehmen. Ziel dieser Umfrageserie ist es, ein systematisches Bild zur Verfassung, der aktuellen Risikoeinschätzung und der Zukunftsperspektiven der Ostschweizer Wirtschaft zu entwickeln und über den Krisenzeitraum nachverfolgen zu können. Die Umfrage wird vorerst im Zweiwochen-Rhythmus wiederholt. Die Resultate und Analysen der bisherigen Umfrage können hier abgerufen werden.

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