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(Wie) erreichen wir bis 2050 netto-null?

Klimapolitik (Wie) erreichen wir bis 2050 netto-null?

Markus Bänziger, IHK-Direktor

Während das Ziel definiert wurde, stellt sich die Frage nach dem Weg dorthin. Fest steht: Die Wirtschaft ist im Fokus der Klimapolitik. Wir müssen aufzeigen können, dass wir Teil der Lösung, nicht des Problems sind.

Die Geschichte wirtschaftlicher Entwicklung ist, historisch betrachtet, auch die Geschichte des globalen Ressourcenverbrauchs. Der stark gestiegene Wohlstand geht historisch lange gleichförmig einher mit dem Energieverbrauch, was bislang auch stets höhere Treibhausgasemissionen bedeutete. Inzwischen herrscht weitgehend Konsens, dass diese Entwicklung nicht mehr so weitergehen kann. Dies wird durch das Netto-Null-Ziel bis 2050 verdeutlicht, das vorletzte Woche von der Schweizer Stimmbevölkerung an der Urne bestätigt wurde. Liechtenstein ist bereits einen Schritt weiter und diskutiert mit der Klimastrategie 2050 über die Umsetzung dieses Ziels.

Während über das Ziel weitgehend Klarheit besteht, stellt sich die Frage, wie der Weg dorthin erreicht werden kann – gerade auch in der Wirtschaft. Im Grundsatz stehen dabei drei wirtschaftspolitische Ansätze zur Verfügung:

  • Erstens können mit engmaschigen Regularien die Unternehmen verpflichtet werden, heutige Prozesse und Produktionstechnologien durch die vom Gesetzgeber als sinnvoll erachteten emissionsarmen Technologien zu ersetzen. Beispiele dafür sind kategorische Technologieverbote wie jenes der EU bei den Verbrennungsmotoren, oder etwa Solarpflichten für Neubauten, wie sie in Liechtenstein und der Schweiz kontrovers diskutiert werden.
  • Zweitens kann der Staat mit Subventionen jene Technologien fördern, welche aus heutiger Sicht am ehesten geeignet sind, dereinst eine dekarbonsierte Wirtschaft herzustellen. Dieser Ansatz wird etwa mit dem «Green New Deal» der EU oder dem «Inflation Reduction Act» in den USA verfolgt.
  • Drittens kann die Gesetzgebung der Wirtschaft das Ziel vorgeben, aber offenlassen, wie dieses Ziel umgesetzt wird. Dies wird im Wesentlichen verdeutlicht durch das Schweizer Klimaschutzgesetz, welches etwa der Industrie bei den Treibhausgasemissionen Zielvorgaben zur Reduzierung macht. Auch eine Lenkungsabgabe auf Emissionen lässt sich dieser Kategorie zuordnen: Ein Preisschild für CO2 lässt offen, wie und ob solche Emissionen emittiert werden, setzt aber Anreize zu deren Reduzierung.

Aus Sicht der Wirtschaft ist die dritte Option zweifelsohne jene, die zu befürworten ist: Die Unternehmen wissen am besten, wo sie am effizientesten Emissionen einsparen können. So überrascht es nicht, dass der Industriesektor als einziger das Reduktionsziel 2020 bei den Emissionen nicht nur erreichte, sondern übertraf. Technologische Verbote hemmen demgegenüber das Innovationspotenzial. Gleichzeitig ist ein Subventionswettlauf mit den grössten Wirtschaftsmächten für kleine, offene Volkswirtschaften wie Liechtenstein und die Schweiz weder realistisch noch zielführend. Der Erfolgsgarant unserer Industrie war stehts ihre Innovationsfähigkeit, sowie der freie Zugang zu den wichtigsten Absatz- und Beschaffungsmärkten, nicht die staatliche Alimentierung.

Der dritte Ansatz funktioniert, wenn die Unternehmen ihre Eigenverantwortung wahrnehmen und die Gesellschaft über die Politik ihr diese Verantwortung zugesteht. Wachstumskritische Deutungsangebote erfreuen sich aber zunehmender Beliebtheit. Diese Erzählungen suggerieren, dass wirtschaftlicher Fortschritt mehr negative Begleiterscheinungen als positive Aspekte hervorbringt. Sollten sie sich durchsetzen, sind einschneidende Eingriffe in die wirtschaftliche Freiheit die absehbare Konsequenz – gerade in der Klimapolitik.

Die Unternehmen verdienen Vertrauen, müssen sich dieses aber auch selbst verdienen. Nicht nur, weil die Innovationskraft der Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zum Netto-Null-Ziel leisten kann und wird. Sondern auch aus eigenem Interesse: Wenn wir als Unternehmensverantwortliche unsere Handlungsfreiräume erhalten wollen, müssen wir proaktiv aufzeigen, dass die Wirtschaft Teil der Lösung ist – nicht des Problems.


Dieser Beitrag erschien am 30. Juni 2023 als Gastkommentar im «Wirtschaft regional».

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