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Informatik trifft auf Unternehmertum

Neuer Studien- und Forschungsschwerpunkt Computer Science an der HSG Informatik trifft auf Unternehmertum

Michael Götte, Leiter kantonale Politik IHK

Die Universität St. Gallen (HSG) ist bekannt für ihre Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften. In den nächsten Jahren wird nun ein neuer Studien- und Forschungsschwerpunkt, Computer Science, aufgebaut. Wir haben mit Prof. Dr. Simon Mayer, Professor für Inter­aktions- und kommunikationsbasierte Systeme, und mit Dr. Jochen Müller, ­Geschäftsführer der School of Computer Science und Projektleiter für den Aufbau der Informatikstudiengänge an der HSG, gesprochen.

Die Universität St. Gallen stösst in ein neues, technisches Fachgebiet vor und implementiert den Bachelor- und Masterstudiengang Informatik. So werden zukünftige IT-Fachkräfte in der Ostschweiz ausgebildet, die auch auf eine mögliche Karriere als Unternehmerin oder Unternehmer oder Kadermitarbeitende vorbereitet sind. Die Universität leistet so einen noch grösseren Beitrag für die Region und wirkt dem Fachkräftemangel in diesem Gebiet entgegen. Finanziert wird das Projekt unter anderem durch die IT-Bildungsoffensive, die 2019 vom St. Galler Stimmvolk gutgeheissen wurde. Daraus resultierte für die Universität St. Gallen der Auftrag, ein Informatikstudium auf Stufe Bachelor und Master aufzubauen. Im kommenden Herbst startet bereits das Masterprogramm, sodass die ersten Absolventen des neuen Studiengangs im Sommer 2023 erwartet werden. Die IT-Bildungsoffensive (ITBO) sowie auch der neue Studienschwerpunkt der Universität stärken die digitalen Kompetenzen der Region und bilden IT-Fachkräfte in der Region für die Region aus. Die Förderung der digitalen Kompetenzen ist ein zentraler Zielkorridor der IHK-Zukunftsagenda «Soft­urbane Ostschweiz».

Was spürt die regionale Wirtschaft von den neuen Themen der Universität St. Gallen?

Mayer: Bereits heute die direkte Zusammenarbeit mit uns Informatikern und unseren Forschungsgruppen. Und schon bald werden unsere ersten Absolventen auf den Arbeitsmarkt kommen.

Müller: Schon heute haben wir sehr inte­ressante Projekte mit Unternehmen aus der Region. Mit den zukünftigen Informatik­studierenden haben wir die Gelegenheit, direkt vor Ort zu den Digitalisierungsprozessen bei­zutragen. Für die Firmen sind das spannende ­Projekte. Und so können auch die Industrie bzw. die Unternehmen in der Ostschweiz die Chance nutzen, sich als attraktiver Arbeitgeber zu zeigen und unsere Absolventen als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter zu gewinnen.

Warum braucht es dieses neue Studium gerade an der Universität St. Gallen?

Müller: Wir ergänzen das Fächerspektrum der HSG um ein neues Thema, das wir heute und in Zukunft für sehr wichtig halten und das auch sehr gut anschlussfähig an die Kerngebiete der HSG ist. So können wir die Stärken der HSG nutzen, um ein innovatives und bedürfnisgerechtes Informatikstudium aufzubauen.

Mayer: Die Universität wird im Angebot breiter, was sie allgemein attraktiver macht sowie auch wettbewerbsfähiger. Und nicht nur in der Lehre, sondern auch im Forschungs­bereich profitiert die Universität stark von der neuen School of Computer Science.

Was hat Sie persönlich dazu bewogen, in das Projekt einzusteigen?

Mayer: Auf der einen Seite kannte ich die Universität St. Gallen bereits und hörte viel Gutes von der HSG. Ausserdem hatte ich bereits während meines Doktorats an der ETH lose mit der HSG zusammengearbeitet. Ich wusste daher, dass es hier interessant ist. Auf der anderen Seite fand ich das Projekt von Anfang an spannend. Die Idee, einen technischen Studiengang in dieses unternehmerische Umfeld und Denken zu integrieren, hat mich vollkommen überzeugt. Die Möglichkeit, dies dann auf der grünen Wiese aufzubauen, bekommt man ausserdem nicht häufig, und das stellt eine tolle Chance dar. Somit haben mich der Standort sowie die Reputation der HSG zusammen mit der Idee hinter dem Projekt überzeugt.

Die ETH ist die wohl bekannteste Hochschule der Schweiz im Fachbereich Informatik. Worin unterscheiden sich die HSG und die ETH in diesem neuen Bereich?

Mayer: Die ETH bietet auf der einen Seite ein sehr technisches Studium an, welches andere Disziplinen, wie das Unternehmertum, nicht von vornherein integriert. Auf der anderen Seite wollen viele Studierende an der HSG Unternehmen gründen, das unternehmerische Denken ist vorhanden, jedoch fehlt ­ihnen der technische Inhalt dazu. An der ETH ist es umgekehrt, die Inhalte sind vorhanden, jedoch gibt es oft den Anspruch, dass etwas zuerst perfekt funktionieren muss, bevor das Unternehmen gegründet wird. Diese Haltung kann dazu führen, dass jemand anders schneller ist und das Projekt zuerst umsetzt. Unser Ziel ist es, in der bekannten Umgebung der HSG als Wirtschaftsuniversität Informatik und Unternehmertum zusammenzubringen, um das technisch-unternehmerische Potenzial unserer Studierenden freizusetzen.

Die IHK hat anlässlich des 150-jährigen Bestehens im Jahr 2015 der HSG CHF 200 000 zur Verfügung gestellt. Was hat dies bewirkt?

Müller: Extrem viel, um das vorwegzunehmen. Dieser Anstoss zur Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie für einen Studienschwerpunkt Informatik hat dazu geführt, dass das Thema Digitalisierung an der Universität viel stärker zum Diskussionsthema geworden ist. Das damalige Rektorat hat das Potenzial erkannt und das Projekt stark gefördert. Die Machbarkeitsstudie hat so nicht nur gezeigt, dass ein Studiengang Informatik wünschenswert und umsetzbar ist. Zusätzlich hat die Universität die Chance genutzt, sich in den bestehenden Studiengängen digital zu verstärken. So wurden bereits vor der ITBO vier Informatiklehrstühle besetzt, und in das Curriculum der grossen Studiengänge der Universität ist seitdem viel Informatik eingeflossen. Nun sind wir dabei, im Rahmen der ITBO den Informatikstudiengang aufzubauen.

Welchen Einfluss hatte dabei die kantonale IT-Bildungsoffensive (ITBO)?

Mayer: Ohne die ITBO hätte möglicherweise niemand diesen grossen Sprung gewagt. Wenn es sich überhaupt in diese Richtung entwickelt hätte, dann sicherlich in viel kleineren Schritten. Durch diesen politischen Vorstoss haben wir es aber geschafft, technische Inhalte an eine sozialwissenschaftlich geprägte Business-Universität zu bringen.

Müller: Der Vorschlag eines Informatikstudien­gangs wurde ja in die ITBO aufgenommen. Das Projekt wurde somit durch die Politik und den Bildungsdirektor sehr gefördert. Durch die ITBO haben wir die Möglichkeit erhalten, das, was wir in der Machbarkeitsstudie konzipiert hatten, tatsächlich umzusetzen. Durch die Gründung der School of Computer ­Science und den Aufbau der beiden Studiengänge haben wir viele Diskussionen ausgelöst. Es gibt ja auch andere Neuerungen an der HSG, und wir merken, dass sie sich verändert.

IT-Bildungsoffensive

Genau vor zwei Jahren wurde die IT-Bildungsoffensive (ITBO) vom St. Galler Stimmvolk angenommen und ein Sonderkredit über 75 Millionen Franken genehmigt. Damit werden die Kompetenzen im Bereich Digitalisierung und MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) gefördert und dem Fachkräftemangel entgegengewirkt. Die ITBO will die Bildungsstrukturen für die Zukunft vorbereiten und sicherstellen, dass der Kanton St. Gallen weiter als hervorragender Bildungskanton gesehen wird und seine Kompetenz im Bereich der Digitalisierung weiter ausbauen kann. Die fünf Schwerpunkte der ITBO umfassen mit den Volks- und Mittelschulen, der Berufsbildung, der Fachhochschule, der Universität sowie der MINT-Förderung alle Bildungsstufen im Kanton.

Durch die ITBO wird der Wirtschaftsstandort Ostschweiz gefördert, sodass Bevölkerung und Wirtschaft von der Digitalisierung profitieren können. Das Ziel der ITBO ist es, den Kanton St. Gallen zum führenden Standort in der Digitalisierung von Geschäftsmodellen zu machen. Die Menschen aus der Region sollen den ­digitalen Wandel aktiv und nachhaltig mitgestalten.

Welchen langfristigen Wunsch hegen Sie mit Ihren Vorhaben?

Müller: Wir möchten den Studierenden die Möglichkeit bieten, ihre guten Ideen in der Informatik auch umzusetzen und damit Informatik und Unternehmertum zusammenzubringen. Dies ist auch für die Region sehr wertvoll, da so innovative Projekte vor Ort implementiert und realisiert werden können.

 

Was gibt es heute konkret?

School of Computer Science (SCS)

Professorinnen und Professoren

  • Damian Borth: Artificial Intelligence and Machine Learning
  • Siegfried Handschuh: Data Science
  • Anna-Lena Horlemann: Foundations of Computation
  • Simon Mayer: Interaction- and Communication-Based Systems
  • Katerina Mitrokotsa: Cybersecurity
  • Guido Salvaneschi: Programming
  • Barbara Weber: Software Systems Programming and Development
  • Ab Herbst 2021: Professur für Human Computer Interaction

Lehre

  • Masterstudiengang M.Sc. in Computer Science (Start Herbst 2021)
  • Bachelorstudiengang B.Sc. in Computer Science (Start Herbst 2022)
  • Informatikfächer in den anderen HSG-Studiengängen

    Videoportrait School of Computer Science

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