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IHK-Zukunftsagenda als Orientierungsrahmen

Megatrends als Chance nutzen IHK-Zukunftsagenda als Orientierungsrahmen

Markus Bänziger, Direktor IHK

Mehrere Megatrends fordern uns heraus. Diese grossen gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen müssen als Chance genutzt werden, um die Kernregion Ostschweiz als Lebensraum und Wirtschaftsstandort zu stärken. Mit der Zukunftsagenda Ostschweiz schlägt die IHK St. Gallen-Appenzell einen Masterplan für die weitere Entwicklung der Ostschweiz vor mit Schlüsselprojekten in sechs Bereichen.

Die Welt verändert sich stetig, vor allem aber immer schneller: Technologisierung, Digitalisierung und Globalisierung sind nur einige der global wirkenden Treiber. Diese von uns allen in verschiedenen Ausprägungen wahrgenommenen, tiefgreifenden und nachhaltigen Veränderungen – die sogenannten Megatrends – können wir nicht ignorieren. Noch viel weniger dürfen wir diese als Risiken bekämpfen. Im Gegenteil, diese grossen gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen müssen als Chancen genutzt werden. Die Attraktivität der Kernregion Ostschweiz mit den beiden Appenzell, St. Gallen und Thurgau muss gestärkt werden, sowohl als Lebensraum wie auch als Wirtschaftsstandort. Dazu braucht die Ostschweiz einen Masterplan als Orientierungsrahmen und Zielbild: die Zukunftsagenda Ostschweiz. Ausgangspunkt der Überlegungen ist ein gestärktes Selbstverständnis der Ostschweiz, auf dessen Basis gemeinsame Visionen umgesetzt werden können und sollen.

Die Ostschweiz als softurbaner Raum

Was sind die zentralen Eigenschaften der Ostschweiz? Ein erstes definierendes Element ist die starke industrielle Basis, nach wie vor ein Kernelement der ostschweizerischen Identität. Zweitens lässt sich der Lebensraum Ostschweiz weder als urban noch als ländlich bezeichnen (siehe Artikel «Urbanisierung heisst nicht grössere Städte»).
Die softurbane Ostschweiz verbindet eine durch Weltoffenheit, Zukunftsglauben und Veränderungsbereitschaft charakterisierte urbane Haltung mit einem Lebensraum, der eine grössere Vielfalt zulässt als die Dichte städtischer Zentren. Aus Verbindung von Haltung und Lebensraum entsteht eine gemeinsame Zukunftsvorstellung für die Ostschweiz – die Vision – mit drei Stossrichtungen: Erstens ist die Kernregion Ostschweiz als softurbaner Raum der bevorzugte Wohnraum für Menschen und insbesondere für Familien, die eine individuellere Lebensgestaltung mit urbanen Qualitäten in einem vielfältigen Lebensraum ohne die Dichte einer Grossstadt suchen. Zweitens ist die Ostschweiz der bevorzugte Arbeitsort für Menschen, die an einer Zukunft mit intelligenten und digital vernetzten Produkten und Dienstleistungen arbeiten. Drittens ist die Ostschweiz der bevorzugte Wirkungsort für Unternehmen, die auf ein ausgezeichnetes Mitarbeiterpotenzial und auf funktionierende und wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen setzen. Die regionale Vielfalt gilt es zu pflegen, aber gleichzeitig mit unserer traditionellen Internationalität und Weltoffenheit zu verbinden und so unsere Attraktivität für Unternehmen, Unternehmer und Mitarbeitende zu stärken.

Fünf Leitsätze

Fünf Leitsätze begleiten den Weg der Kernregion Ostschweiz von heute hin zur Vision:

 

Leitsatz 1: Vielfalt

Die Ostschweiz zeichnet sich durch ihre Vielfalt aus. Dank Wachstum, Mobilität und Vernetzung rückt die Kernregion Ostschweiz näher zusammen. Dennoch ist sie geografisch, kulturell und wirtschaftlich vielfältig. Gemeindegrenzen oder Kantonsgrenzen haben für die wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Aktivitäten eine geringe Bedeutung. Die gelebte Wirklichkeit, insbesondere aber auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Interaktion spielen sich in folgenden fünf Teilregionen ab: Linth, Gonzen, Rhein, Säntis und Thur (siehe Abbildung). Die Grenzen zwischen den Teilregionen können sich dabei je nach Handlungsfeld unterscheiden.

 

Leitsatz 2: Zusammenarbeit

Die einzelnen Teilregionen haben unterschiedliche Stärken. Mit Blick auf Effizienz und Effektivität der staatlichen Leistungserbringung führt kein Weg an einer echten regionalen, kantonalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vorbei. Im Vordergrund darf nicht das Trennende, sondern muss das Verbindende stehen. Die aus den Megatrends erwachsenden Chancen können nur gemeinsam genutzt werden: Gemeinsam sind wir stärker.

 

Leitsatz 3: Mobilität

Aufgrund der unterschiedlichen Stärken sind die Vernetzung der einzelnen Teilregionen untereinander und die Anbindung an unsere Nachbarregionen entscheidend. Die Verkehrsinfrastruktur – die öffentliche sowie diejenige für den Individualverkehr – der Zukunft muss leistungsfähig sein. Digitalisierung und Elektrifizierung ermöglichen individuelle Mobilitätskonzepte und stärken dezentrale Standorte.

 

Leitsatz 4: Offenheit als Haltung

Der Weg in eine gemeinsame verstandene und gelebte Region führt über unsere Haltung. Zentral zur Bewältigung der Megatrends ist die Bereitschaft zur Veränderung. Es muss uns gelingen, an die Weltoffenheit und Internationalität des Handels und der Industrie der Ostschweiz anzuknüpfen.

 

Leitsatz 5: Gemeinsame Schlüsselprojekte

Für die Kernregion Ostschweiz als Ganzes sind die Schlüsselprojekte der Zukunft zu definieren. Diese müssen von allen Beteiligten auf regionaler und kantonaler Ebene sowie in Bundesbern überzeugend und mit Überzeugung verfolgt werden. Sie haben zum Ziel, die Kernregion Ostschweiz als eigenständigen Wohn- und Arbeitsraum zu stärken. Auf die Schlüsselprojekte werden die Investitionen der Zukunft gelenkt. Grosse Herausforderungen in Infrastruktur, Bildung und Innovation muss die Kern­ostschweiz gemeinsam verfolgen, mit Überzeugung und vereint. Es darf nicht sein, dass wir uns bei der Sicherung der Zukunft von Partikularinteressen einzelner Branchen, Gebiete und Regionen auseinanderdividieren lassen.

Schlüsselprojekte in sechs Bereichen

Die Zukunftsagenda definiert Schlüsselprojekte aus den Teilregionen. Die Schlüsselprojekte konkretisieren den Weg in die Zukunft der gesamten Kernregion und werden von allen Teilregionen gemeinsam unterstützt.

  1. Weiterentwicklung der Bildungslandschaft: Mit der Entwicklung der Berufsschulen hin zu kompetenzorien­tierten Berufsfachschulen, der Reorganisation der Fachhochschule Ostschweiz und der Erweiterung der Universität St. Gallen werden die Kompetenzen und Fähigkeiten der Zukunft bereitgestellt.
  2. Förderung digitaler Kompetenzen: Die digitalen Kompetenzen sind auf der Sekundärstufe der Berufslehre sowie der Tertiärstufe von Fachhochschule und Universität zu intensivieren und zu stärken. Die Informatikausbildung an den Berufsfachschulen, der Digital Campus der Fachhochschule Ostschweiz sowie der neue Studienschwerpunkt für angewandte Informatik an der Universität St. Gallen sind erste Schritte, weitere Massnahmen müssen folgen.
  3. Stärkung des innovationsfreundlichen Umfeldes: Die Kernregion Ostschweiz verfügt über starke Innova­tionszentren und -zellen: Standort St. Gallen der EMPA, Startnetzwerk (Thurgau) sowie Startfeld. Diese sind weiterzuentwickeln und zu stärken. Weitere Zellen gehören in die Ostschweiz, Ideen sind dabei die Science City Wil West oder ein Netzwerkstandort von Switzerland Innovation.
  4. Unterstützung des gesellschaftlichen Wandels: Damit Familie und Beruf vereinbar sind, braucht es familienergänzende Angebote im Vorschulalter, Tagesschulen und flexible und individuelle Arbeitsmodelle. Das Gesundheitswesen soll hochwertig bleiben bei vertretbaren Kosten. Das bedingt eine Reduktion der Spitalstandorte und eine weitere Konzentration der Leistungsangebote.
  5. Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit im Standortwettbewerb: Die öffentliche Hand erbringt die ihr übertragenen Leistungen mit hohen Qualitätsansprüchen, wobei das Kosten-Nutzen-Verhältnis optimiert werden muss. Die Steuerlast für mittlere und höhere Einkommen sowie für Unternehmen muss gesenkt werden.
  6. Einbindung in die nationale und internationale Verkehrsinfrastruktur: Eine zeitgemässe, leistungsfähige Vernetzung von ­öffentlichem Verkehr und Individualverkehr der Teilregionen untereinander sowie die Anbindung an die Nachbarregionen sind Voraussetzung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Weiterentwicklung. Dazu gehören ein Ausbau der Eisenbahn-­Infrastruktur wie der Brüttener Tunnel und der Kapazitätsausbau des Bahnhofs Winterthur ebenso wie die Engpassbeseitigung auf der Strasse in St. Gallen und Rapperswil oder die Autobahnverbindung Rheintal-Vorarlberg.

Die IHK St. Gallen-Appenzell wird gemeinsam mit den 15 Arbeitgeberorganisationen der Ostschweiz die Schlüsselprojekte der einzelnen Teilregionen identifizieren und konkretisieren. Die Schlüsselprojekte ziehen die lokalen Interessen mit ein, behalten aber immer auch den Blick auf die Gesamtinteressen der Kernregion Ostschweiz: der Masterplan für unsere Kernregion Ostschweiz.

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