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Gleich doppelt gefordert

Herausfordernder Legislaturstart Gleich doppelt gefordert

Staatskanzlei St. Gallen

Markus Bänziger IHK-Direktor

Die neu zusammengesetzten Kantonsregierungen und -parlamente starten die Legislatur überschattet von der Coronavirus-Pandemie. Das führt zu einer doppelten Herausforderung: Einerseits müssen die Folgen der Krise möglichst rasch und gut bewältigt werden, andererseits muss der Blick wieder nach vorne gerichtet werden.

Die erste Session des neu gewählten Kantonsrats in St. Gallen findet nicht wie gewohnt in der Pfalz, sondern auf dem Olma-Areal statt. Diese Tatsache illustriert wohl ziemlich gut, dass die neue Legislatur in der Kantonalpolitik unter besonderen Umständen startet. Die Folgen der Coronavirus-Pandemie werden wohl auch im weiteren Verlauf der Legislatur 2020–2024 die bestätigten und neu gewählten Kantonalpolitiker herausfordern. Bislang hat die Politik in der Schweiz insgesamt bewiesen, dass sie mit einer solchen Zäsur gut umgehen kann. In der kantonalen Politik muss es nun in dieser Legislatur primär darum gehen, im Rahmen der Auswirkungen und ergriffenen Massnahmen in Bezug auf die Pandemie einen freien, auf Eigenverantwortung basierenden Umgang zu finden. Umso wichtiger wird in diesem Kontext auch eine erfolgreiche und konstruktive Zusammenarbeit unter den Ostschweizer Kantonen werden.

Erfolgsfaktor Kooperation

Die Zusammenarbeit unter den Ostschweizer Kantonen trägt Früchte: In der vergangenen Legislatur bewies dies der erfolgreiche Zusammenschluss der drei Ostschweizer Fachhochschulen zur neuen FH Ost. Die konstruktive und gemeinsame Vorbereitung der Trägerkonferenz war eine Grundvoraussetzung dafür, dass dieses Projekt hin zu einem stärkeren Hochschulstandort auf gutem Weg ist. Andererseits wurde im Gesundheitsbereich zwischen St. Gallen, beiden Appenzell sowie Glarus und Graubünden eine Absichtserklärung zu einer besseren interkantonalen Zusammenarbeit verfasst. Hier müssen die teilweise neuen Dossierführer noch beweisen, dass sie auf Worte Taten folgen lassen. Besonders wichtig ist in diesem Kontext, dass gerade der Kanton St. Gallen, aber auch beide Appenzell vorab die innerkantonalen Strukturprobleme zu lösen haben.

Es gibt aber auch weitere Bereiche, wo sich eine engere Zusammenarbeit zwischen den Ostschweizer Kantonen auszahlen würde: Bei der Mobilität etwa ist ein gemeinsamer Auftritt auf Bundesebene eine Grundvoraus­setzung dafür, dass wichtige Infrastruktur­projekte in der Ostschweiz markant mehr ­Beachtung finden. Dafür braucht es eine ganzheitliche Mobilitätsstrategie innerhalb der Ostschweiz.

Folgen der Krise rasch bewältigen

Gewisse Probleme lassen sich jedoch nur schwer gemeinsam lösen: Der Kanton St. Gallen etwa sollte schnell auf die Implikationen der Pandemie reagieren. Die finanziellen Folgen, zum Beispiel, sind nicht zu unterschätzen: Der Kantonshaushalt – schon vorher war ein Defizit über die nächste Legislatur budgetiert – wird zusätzlich belastet werden: einerseits durch die kantonalen Mehrausgaben, andererseits durch Mindereinnahmen bei den Steuern. Andere finanzielle Effekte sind weniger offensichtlich: Die St. Galler Spitalverbunde, bereits vor der Krise finanziell angeschlagen, mussten durch den Lockdown sowie das Bereitstellen von zusätzlichen und glücklicherweise nur teilweise genutzten Vorhalteleistungen substanzielle Ertragseinbrüche in Kauf nehmen. Erste Schätzungen bringen Beträge von über 60 Millionen Franken ins Spiel. Der Kanton, unter anderem als Leistungsbesteller, ist gefordert, hier eine rasche Antwort zu finden.

Solche und weitere Altlasten aus der Krise müssen nun – da sich die Ostschweiz auf dem Weg der wirtschaftlichen Besserung befindet – schnell aufgeräumt werden. Die Ostschweiz kann es sich nicht erlauben, dass diese Krise sich während Jahren auf die regionale Entwicklung auswirkt. Denn ungeachtet dessen stehen den Kantonen wesentliche Herausfor­derungen bevor: In den Bereichen Mobilität, Berufsbildung, Gesundheitsversorgung oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf etwa hat die IHK St. Gallen-Appenzell in den vergangenen Jahren wiederholt auf den Handlungs­bedarf hingewiesen. Die kantonale Politik ist deshalb doppelt gefordert: Erstens muss sie die finanzielle Disziplin beweisen, um die Folgen der Pandemie möglichst schnell einzudämmen. Zweitens muss sie entschieden in die Zukunft arbeiten.

Zentrale Entscheide im Gesundheitswesen

In St. Gallen steht eine wesentliche Weichenstellung unmittelbar bevor, welche diese doppelte Herausforderung unterstreicht: Mitte September findet nach einem langen Prozess die erste Lesung der Weiterentwicklung der Spitalstrategie im Kantonsrat statt. Der Standpunkt der IHK hierzu ist seit Jahren klar: Eine Leistungskonzentration ist für eine qualitativ hochstehende Versorgung unabdingbar. Dies zeigte bereits die 2013 von der IHK in Auftrag gegebene Studie «HFutura». Die Coronavirus-­Pandemie verschärft diesen Handlungsbedarf noch zusätzlich – das Defizit der Spitalverbunde fällt noch höher aus. Ebenfalls irren sich die Stimmen, welche denken, die Pandemie rechtfertige eine Überkapazität der Spitäler. Das Gegenteil ist der Fall: Während man die überalterten Spitalstrukturen zwar noch auf Vorrat behalten könnte, lässt sich dies beim für den Betrieb notwendigen Personal kaum bewerkstelligen. Zumal dieses ja ohnehin bereits vom Fachkräftemangel gezeichnet ist. Weiterhin können grössere Spitalstrukturen, wie sie die Weiterentwicklung der Spital­strategie vorsieht, effizienter und flexibler auf Krisenfälle reagieren. Dies ist insbesondere deshalb relevant, weil niemand voraussehen kann, welche Anforderungen eine nächste Pandemie an das Gesundheitswesen stellen wird. Allfällige Versäumnisse bei der Pandemieplanung müssen daher gesondert von der Spitaldiskussion angegangen werden; die Vorkommnisse der letzten Monate dürfen nicht zum Massstab für die Spitalplanung werden.

Als Region weiterkommen

Die IHK St. Gallen-Appenzell wird sich auch in der kommenden Legislatur dafür einsetzen, dass ihre Vision – die Ostschweiz als bevorzugter Arbeitsort und Lebensraum für die Menschen und Wirkungsort für Unternehmen – verwirklicht wird. Zentral ist dabei, dass die Folgen der Krise rasch bewältigt und der Blick nach vorne gerichtet werden kann. Die Kernregion Ostschweiz soll vorankommen – die Politik ist dabei in dieser Legislatur doppelt gefordert.

 

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