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Elektromobilität aus dem Rheintal

Für Josef Brusa ist die E-Mobilität ein Schlüssel zur Lösung des Ressourcenproblems Elektromobilität aus dem Rheintal

Robert Stadler, stv. Direktor / Leiter Kommunikation IHK

Schon in 25 Jahren verschwinden die letzten Autos mit Verbrennungsmotoren von unseren Strassen. Davon ist Josef Brusa überzeugt. IHKfacts besuchte den Pionier der Elektromobilität in seinem Unternehmen in Sennwald und unterhielt sich mit ihm über die Mobilität der Zukunft. Für den Ingenieur ist die komplette Abkehr von mit fossilen Rohstoffen betriebenen Fahrzeugen nicht nur eine Frage des Umweltschutzes, sondern auch schlicht ein rationaler Schritt.

Rot-grau steht der Industriebau in Sennwald, mit einer beeindruckenden Alpsteinkulisse im Hintergrund. In dieser ländlichen Region mit intakter Natur wird seit über 30 Jahren an der Zukunft der Mobilität gearbeitet. Für Josef Brusa, den 60-jährigen Gründer und heute VR-Präsidenten des Unternehmens, besteht kein Zweifel daran, wie diese Zukunft aussehen wird: Sie wird den kompletten Umstieg von fossiler auf elektrische Mobilität bringen – und zwar schneller, als viele meinen.

Engineering, nicht Idealismus

Schon während seines Elektroingenieur-Studiums an der NTB Interstaatlichen Hochschule für Technik in Buchs war für ihn klar, dass ihm seine Arbeit nicht nur ein Auskommen, sondern auch Sinn geben muss. Er interessierte sich früh für die wachstumskritischen Berichte des Clubs of Rome, die nach der Erdölkrise veröffentlicht wurden. Sie brachten ihn dazu, sich mit erneuerbarer Energie und Elektromobilität zu beschäftigen. Schnell merkte er, dass hier ein gigantisches Potenzial vorhanden ist: «Die Mobilität verbraucht heute weltweit rund 40% der Energie, aber mit einem katastrophal schlechten Wirkungsgrad von 15%», weiss Brusa. Und zudem setze man für diese Mobiliät zu 99% auch noch nicht erneuerbare Ressourcen ein. Für ihn ist deshalb klar, dass sich unser Verhalten bezüglich Ressourcenverbrauch ändern muss. «Das hat wenig mit Idealismus, aber viel mit rationalem Engineering zu tun», findet Brusa. Aber gerade als Ingenieur habe er ein Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft. Soll die ganze Menschheit auch in Zukunft genügend Ressourcen haben, müsse man sparsamer damit umgehen, zumal die Weltbevölkerung weiter wächst. «Rund 15% der Menschheit verbrauchen heute rund 50% der Ressourcen», gibt Brusa zu bedenken.
Josef Brusa nennt zwei Hebel, bei denen angesetzt werden soll: Zum einen müsse man auf langfristig verfügbare Ressourcen wie erneuerbare Energie setzen und zum anderen sei die Effizienz massiv zu steigern. Dazu zählt er auch ein konsequentes Recycling. «Die Elektromobilität ist ein wichtiger Schlüssel, um diese Probleme wenigstens in der Mobilität zu lösen.»
Zur Verdeutlichung stellt er folgende Rechnung auf: Bei einem Auto gehe man von einer durchschnittlichen Lebensdauer von 15 Jahren aus. Ein Auto mit Verbrennungsmotor benötige jährlich ungefähr 1 000 Liter Erdöl, ein Elektroauto einmalig eine 500 Kilogramm schwere Batterie. «Nach 15 Jahren haben Sie im einen Fall 15 Tonnen Erdöl verbrannt, während beim Elektroauto die Batterie noch immer da ist.» Diese Batterie lasse sich dann weiter verwenden und schliesslich recyceln.
Letztlich drehe es sich immer um die gleiche Frage: Wie kann ich mit möglichst wenig Material und Energie möglichst viele Personen-kilometer zurücklegen? Und hier habe die Elektromobilität klare Vorteile. Auch weitere aktuelle Entwicklungen wie das Car-Sharing zielen darauf ab, dass der Mitteleinsatz für die Fortbewegung gesenkt und die Effizienz gesteigert wird.

«Es gibt kein Zurück mehr»

Seit Jahrzehnten setzt sich Josef Brusa für die Vision Elektromobilität ein. Doch mittlerweile ist sie keine Vision mehr, sondern steht kurz vor dem endgültigen Durchbruch. Eigentlich müssten damit Josef Brusas Träume in Erfüllung gehen. Doch der Werdenberger sieht dieser Entwicklung mit gemischten Gefühlen entgegen: Mit der wachsenden Bedeutung der E-Mobilität werde dieses Segment auch für grosse Unternehmen immer wichtiger. Und für ein KMU wie die Brusa Elektronik AG werde es schwieriger, sich in diesem «Haifischbecken» zu behaupten. «So gesehen hatten wir früher ein bequemeres Leben», sagt Brusa schmunzelnd.
Dennoch sei die aktuelle Entwicklung natürlich eine grosse Genugtuung für ihn: «Es braucht keine Beweise mehr, dass Elektromobilität funktioniert. Jetzt ist jedem klar, dass sie sich durchsetzen wird.» So nehme die Zahl an Elektrofahrzeugen in der Schweiz exponentiell zu. Seit rund zehn Jahren würden sich die Verkäufe jährlich verdoppeln. Brusa ist sich sicher: «Jetzt haben wir den ‹tipping point› erreicht – es gibt kein Zurück mehr.» Festmachen lasse sich diese Entwicklung an den grossen Automobilkonzernen, die weltweit Milliardensummen investieren. Vor allem China sei ein entscheidender Treiber. Denn das Reich der Mitte hat die Devise herausgegeben, dass die Mobilität in Zukunft elektrisch zu sein habe. Und dieser Entscheid hat Gewicht: «Heute werden weltweit pro Jahr rund 100 Millionen Autos hergestellt. Ein Drittel davon stammt aus China», sagt Brusa. Er ist überzeugt, dass die mit solchen Stückzahlen realisierbaren Skaleneffekte den Durchbruch für die Elektromobilität bedeuten werden: «Jetzt geht die Entwicklung sehr schnell voran.»

Herausforderung für Zulieferer

In den Abgasvorschriften sieht er einen weiteren Grund für die zunehmende Elektrifizierung der Mobilität: In Europa, in Amerika und erst recht in China werden die Vorschriften so verschärft, dass sie mit reinen Verbrennungsmotoren gar nicht mehr erfüllt werden können. Für Brusa sind die Tage dieser Technologie deshalb gezählt. Er rechnet damit, dass in etwa zehn Jahren die letzten Verbrennungsmotoren gebaut werden. Geht man von der bereits erwähnten Lebenserwartung von 15 Jahren aus, würden damit in rund 25 Jahren die letzten «herkömmlichen» Autos von den Strassen verschwinden. «Wenn man bedenkt, dass es sich bei der Autoindustrie mit all ihren Zulieferern um eine stark investierte Milliardenindustrie handelt, dann ist dies eine extrem kurze Zeitspanne.» Dieses Tempo wird spezialisierte Automobilzulieferer vor grosse Herausforderungen stellen: «Wer nur Kolbenringe oder Auspuffanlagen herstellt, wird Mühe haben, eine neue Nische zu finden. Denn sie sind zu weit weg von der Elektrifizierung.» Erschwerend komme hinzu, dass ein Elektromobil im Vergleich zum herkömmlichen Auto nur etwa 20% des Personalaufwandes benötigt, weil es so viel einfacher aufgebaut ist.

Hürden der Elektromobilität

Doch bei all den Vorteilen fragt man sich: Wieso hat sich diese Technologie nicht schon lange durchgesetzt? Ist beim Endkonsumenten noch immer die mangelnde Reichweite ein Problem? Josef Brusa winkt ab. «Es sind eher die Anschaffungskosten, die abschrecken. Ein gutes Elektroauto ist noch teuer.» Doch beim genaueren Hinschauen würden sich die höheren Anschaffungskosten relativieren. Wer genügend Kilometer abspule, spare mit einem solchen Fahrzeug am Ende trotzdem. Und auch die Reichweite sei kein Problem: «Wenn ich mehrere Hundert Kilometer am Stück fahre, muss ich ohnehin einmal eine Pinkelpause einlegen. Dann geht das Aufladen im Gleichen.»

Outsider als Geburtshelfer

Die Brusa Elektronik AG entwickelt nicht nur Komponenten für die grossen Automobilhersteller dieser Welt, sondern agiert vor allem auch als Ideenlieferantin: «Als Branchen-Outsider können wir uns eher von den konven-tionellen Denkmustern lösen und einen anderen Zugang wählen», erklärt Josef Brusa das Erfolgsrezept. Zu Beginn gehörte viel Überzeugungsarbeit dazu – zumindest bei den obersten Führungsebenen der Automobilkonzerne, die lange lieber am Althergebrachten festhalten wollten. «In den ersten 30 Jahren haben wir eine Art Geburtshelfer-Rolle für das Elektroauto übernommen. Diese Phase ist durch. Heute beschäftigen sich alle Produzenten und Zulieferer mit Elektromobilität. Jetzt folgt eine neue Phase: die Industrialisierung mit Serienproduktion.»

Brusa Elektronik AG

Mitte der 1980er-Jahre kamen Solarfahrzeuge auf – die Tour de Sol war die Werbeplattform dazu. Daraus ging auch die Brusa Elektronik AG hervor, die 1985 von Josef Brusa gegründet wurde, um Komponenten für Solar- und Elektrofahrzeuge zu entwickeln. Vor einem Jahr beschäftigte das Unternehmen rund 120 Mitarbeitende, heute sind es bereits etwa 180. Grosse Automobilkonzerne wie VW, Volvo, Porsche, Audi oder Honda zählen genauso zur Kundschaft wie kleinere Zulieferbetriebe und werden mit Elektroantrieben und Komponenten wie Ladegeräten oder Batteriemanagementsystemen beliefert. Die Brusa Elektronik AG versteht sich aber auch als Thinktank, der neue Ideen und Konzepte entwickelt und Patente anmeldet.

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