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Der (stockende) Boom des Welthandels

Die neue US-Handelspolitik und was sie für die Ostschweiz bedeuten könnte Der (stockende) Boom des Welthandels

Dr. Frank Bodmer, Leiter IHK-Research

Die Schweiz profitierte von der starken Entwicklung des Welthandels in den vergangenen Jahrzehnten. Seit der Wirtschaftskrise 2008 ist der Boom jedoch etwas ins Stocken geraten, was gerade die MEM-Exporteure zu spüren bekamen. Die Gründe für den erlahmenden Welthandel sind vielfältig – einer ist der zunehmende Protektionismus. Die neue Politik der amerikanischen Regierung stellt eine weitere Herausforderung für die Ostschweizer Exporteure dar. Die USA wollen künftig anstelle der Gewinne den Cash-flow besteuern, allerdings nur bei Importen – ein neuer Grenzzuschlag.

Der Welthandel erlebte seit 1980 einen eindrücklichen Boom, mit einer Verfünffachung des Handelsvolumens. International zunehmend vernetzte Wertschöpfungsketten und die Einbindung neuer Länder in den Weltmarkt, zu nennen sind vor allem China, Indien oder die ehemals kommunistisch beherrschten Länder Osteuropas, befeuerten den Boom. Eine wichtige Voraussetzung waren aber auch internationale Regeln, welche zwar nicht Freihandel darstellen, im historischen Vergleich aber als liberal zu bezeichnen sind. Seit dem Beginn der Wirtschaftskrise im Jahre 2008 stockt der Boom des Welthandels. Die Gründe dafür sind nicht abschliessend klar. Das tiefere Wirtschaftswachstum in wichtigen Märkten, die Hinwendung Chinas zu Konsumgütern, ein verstärkter Protektionismus und die Abwendung der Produzenten von international weit verzweigten Wertschöpfungsketten haben alle eine Rolle gespielt.

Pharma als Schweizer Exportmotor

Die Schweiz konnte vom Boom des Welthandels stark profitieren. Bei pharmazeutischen und chemischen Produkten betrug das Wachstum der Exporte seit 1990 rund 410 %, bei Präzisionsinstrumenten und optischen Produkten rund 220 % und bei Uhren 190 % (siehe Grafik). Weniger gut entwickelt haben sich dagegen die Exporte der MEM-Industrien, mit einem Zuwachs von nur rund 60 % bei Metallen und 20 % bei Maschinen, Elektronik und Apparaten. Seit 2008 mussten die MEM-Exporte zudem einen Rückgang von rund 25 % verzeichnen. Darunter litten auch die schwergewichtig aus den MEM-Branchen stammenden Ostschweizer Exporte.

Protektionismus im Aufwind

Im Zuge der Finanzkrise wurde ein Wiederaufflammen des Protektionismus befürchtet, analog zur Situation in der Weltwirtschaftskrise in den 1930ern, als steigende Zölle ein zentraler Grund für die Tiefe der Krise waren. Effektiv liess sich in den letzten Jahren eine gewisse Tendenz zu einem verstärkten Protektionismus beobachten. Eine neue Bedrohung stammt von der handelspolitischen Ausrichtung der neuen amerikanischen Regierung. Wohl auf amerikanischen Druck hat die G20 kürzlich das Ziel des Freihandels fallen lassen. In den USA wird zudem eine Reihe von Vorschlägen diskutiert, welche den internationalen Handel erheblich behindern könnten.

Der Umbau der US-Gewinnsteuer

Der republikanische Vorschlag für den Umbau der Gewinnsteuer würde eine dreifache Änderung bringen. Erstens würde anstelle der Gewinne der Cashflow besteuert, ohne Abzug der Zinskosten, dies zweitens zu einem von 35 auf 20 % reduzierten Satz. Für den Welthandel von spezieller Bedeutung ist allerdings das dritte Element, die Anpassung an der Grenze. Danach würden die Importe voll besteuert, die Exporte dagegen von der Steuer ausgenommen. Dies würde die Importe mit einem neuen Grenzzuschlag belegen, die Exporte dagegen in extremen Fällen sogar subventionieren. Die Republikaner rechnen trotz einem stark reduzierten Satz mit deutlichen Mehreinnahmen, dies wegen des hohen amerikanischen Handelsbilanzdefizits und dank der erhofften Repatriierung von Gewinnen.

Der Unterschied zur Mehrwertsteuer

Die europäische Mehrwertsteuer kennt zwar ebenfalls Anpassungen bei Exporten und Importen. Diese Korrektur ist jedoch folgerichtig, da das Ziel der Mehrwertsteuer die Besteuerung des inländischen Konsums ist. Ein Exporteur erhält auf diese Weise die Vorsteuer zurückerstattet. Die vorgeschlagene Cashflow-Steuer entspricht in ihrer Logik dagegen immer noch einer Gewinnsteuer. Bei einer solchen ist die Korrektur für Importe und Exporte systemfremd. Sie kann in Extremfällen zu Abzügen führen, welche höher sind als der Cashflow. Das bedeutet letztlich eine Subventionierung der amerikanischen Exporte. Solche Verzerrungen könnten nur bei einer weltweiten Einführung vermieden werden. Und ob eine Aufwertung des Dollars diese Preisänderungen ausgleicht – eine Erwartung vieler Ökonomen –, ist höchst ungewiss.

Strafzölle zur Verteuerung der Importe

Im Wahlkampf favorisierte Donald Trump einen einfacheren Weg zur Förderung der amerikanischen Produktion, nämlich die Verteuerung der Importe über Zölle. Dabei bediente er sich einem in den USA oft benutzten Argument, wonach ein grosses bilaterales Handelsbilanzdefizit der USA letztlich die Folge von unfairen Praktiken des Handelspartners sein müsse. Während in den 1980er-Jahren vor allem Japan im Fokus der amerikanischen Kritik stand, sind es inzwischen China, Mexiko und Deutschland. Auch die Schweiz, trotz ihrer in absoluten Zahlen kleinen Bedeutung, ist hier exponiert, nicht zuletzt wegen der Eingriffe der SNB im Devisenmarkt.

Höhere NAFTA-Aussengrenzen

Im Wahlkampf versprach Donald Trump auch eine Kündigung des nordamerikanischen Freihandelsvertrags (NAFTA) und die Wiedereinführung von Zöllen vor allem gegenüber Mexiko. Inzwischen hat die US-Regierung aber anscheinend eingesehen, wie gross die Verwerfungen auch für amerikanische Produzenten wären. Die Supply-Chains sind innerhalb Nordamerikas stark integriert. Höhere NAFTA-Binnengrenzen würden deshalb zu einer erheblichen Verteuerung von amerikanischen Produkten führen. Einer von Donald Trumps Handelsexperten, Peter Navarro, hat deshalb kürzlich die Idee einer Verschärfung der Ursprungsregeln für den gesamten NAFTA-Block und damit eine Erhöhung der NAFTA-Aussengrenzen ins Spiel gebracht.

Herausforderungen für Ostschweiz

Die neue Politik der amerikanischen Regierung stellt eine weitere Herausforderung für die Ostschweizer Exporteure dar, in einem mit teurem Franken, harter internationaler Konkurrenz und neuen inländischen Regulierungen sowieso schon schwierigen Umfeld. Die Ostschweizer Firmen könnten neuen Handelsbarrieren zwar über die ­Eröffnung von Produktionsstätten aus dem Weg gehen. Niederlassungen in Nordamerika würden damit den neuen Standorten in Osteuropa oder China folgen. In der Praxis wäre das aber mit grossem Aufwand verbunden, der sich bei vielen Firmen aufgrund der kleinen Bedeutung des nordamerikanischen Marktes nicht löhnen dürfte. Für den Standort Ostschweiz wären die Herausforderungen aber auf jeden Fall gross.

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