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Corona hinterlässt deutliche Spuren

Aussenhandel 2020 Corona hinterlässt deutliche Spuren

Alessandro Sgro, Chefökonom IHK

Die Corona-Pandemie verursacht im schweizerischen Aussenhandel 2020 einen historischen Rückgang. So schrumpften die Exporte im vergangenen Jahr um 7,1 % auf 225,1 Milliarden Franken und die Importe um 11,2 % auf 182,1 Milliarden Franken. Der Aussenhandel verringerte sich insgesamt um 40 Milliarden Franken und wirft den Export auf das Niveau von vor drei Jahren zurück.

Nach vielen Jahren im Plus hat der Schweizer Aussenhandel im vergangenen Jahr einen massiven Rückgang verzeichnet. Die Importe und Exporte brachen so stark ein wie seit der Finanzkrise nicht mehr – vor allem im zweiten Quartal. Aufgrund der viel stärker gesunkenen Importe resultiert in der Handelsbilanz 2020 ein neuer Rekordüberschuss von 43 Milliarden Franken. Das zeigt die neueste Jahresstatistik der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV). Fast alle Branchen der Exportwirtschaft sind von diesem immensen Rückgang betroffen. Trotzdem gibt es sektorielle und regionale Unterschiede. 50 % des Exportrückgangs machen Luxusgüter wie Bijouterie und Uhren aus. Ferner verringerten sich die Exporte von Maschinen und Elektronik sowie Metallen um 11 %. Auf der anderen Seite legten chemisch-pharmazeutische Produkte um 1,6 % zu. Dabei erwiesen sich immunologische Produkte und pharmazeutische Wirkstoffe als Wachstumspfeiler. Während die Schweizer Exportindustrie in allen bedeutenden globalen Wirtschafts­räumen weniger Güter absetzte, wuchsen innerhalb Asiens jene nach China um 1,3 Milliarden auf einen neuen Höchststand von 14,7 Milliarden Franken. Die Abnahme bei den Importen traf die gesamte Güterpalette – mit Ausnahme von Textilien (insbesondere Schutzbekleidung und -masken) sowie Nahrungs- und Genussmittel. Weniger Güter bezog die Schweiz dabei aus allen drei grossen Wirtschaftsräumen (Asien, Europa und Nordamerika).

Anpassung bei der kantonalen Aussenhandelsstatistik

Bis 2019 wurden die Daten für die kantonalen Statistiken nach der Postleitzahl erstellt, die das Unternehmen in der Zollanmeldung angegeben hatte. Anschliessend wurden die Exporte und Importe gestützt auf die PLZ des Versenders und des Empfängers nach Kantonen aufgeschlüsselt. Diese Methode machte zahlreiche nachträgliche Korrekturen der PLZ nötig und manche Kantone wiesen grosse Ergebnisschwankungen auf. Um die Datenqualität zu erhöhen, wurde eine neue Methode entwickelt, bei der die Daten aus den Zollanmeldungen mithilfe der Unternehmensidentifikationsnummer (UID) mit den Daten im Betriebs- und Unternehmensregister (BUR) abgeglichen werden. Die Folge davon ist, dass die kantonalen Statistiken nur noch einmal jährlich – jeweils im Mai – publiziert werden. Die Daten zur Schweizer Aussenhandelsstatistik werden monatlich publiziert.

Unterbrochene Lieferketten, Lücken in Warenproduktion

Wegen des Lockdowns in zahlreichen Ländern waren die globalen Lieferketten im vergangenen Frühjahr zeitweise unterbrochen. Diese coronabedingte Erschwernis zeigte sich schon früh in den ersten Unternehmensumfragen der IHK St. Gallen-Appenzell und der IHK Thurgau im vergangenen März und April. Der Unterbruch und die Verzögerungen in den Lieferketten hinterliessen Lücken in der Warenproduktion. Entsprechend wurden weniger Waren produziert und gehandelt. Die aktuellsten Ergebnisse der sechsten Corona-Spezialumfrage vom Januar 2021 zeigen, dass die coronabedingten Erschwernisse in den Lieferketten zwar klar zurückgegangen, aber noch nicht ganz verschwunden sind. Interessanterweise überprüfen mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen ihre internationalen Lieferketten oder haben diese bereits angepasst. Dabei gewinnen zusätzliche oder europäische Lieferketten vermehrt an Bedeutung. Die Lagerbestände werden hingegen mehrheitlich auf Vorkrisenniveau gehalten.

Zeichen der Entspannung dank China

Seit dem dritten Quartal gibt es im Aussenhandel Zeichen der Entspannung – insbesondere, weil China die Corona-Pandemie im Griff zu haben scheint und die Wirtschaft dort wieder wächst. Im Januar 2021 vermeldete das Statistikamt in Peking ein Wachstum von 2,3 % – das tiefste Wachstum seit rund vier Jahrzehnten. Damit ist China aber die einzige grosse Wirtschaftsnation, die im Jahr 2020 ein Wachstum verzeichnen konnte. Das Reich der Mitte profitiert insbesondere davon, dass es viele Güter herstellt, die in der Corona-Pandemie weltweit gefragt sind. So etwa Medizinausrüstung wie Masken oder Laptops und Bildschirme für das Home­office. Zudem hat sich die Binnennachfrage erholt, wozu die Regierung mit Konjunkturprogrammen beitrug.

Ostschweiz: Weitere Erholung bei den Exporten erwartet

Die global wieder verbesserte Geschäftslage zeigt sich auch in den Erwartungen der Ostschweizer Exportunternehmen. So wird in den nächsten drei Monaten mit einer leichten Zunahme der Exportaufträge gerechnet. Das zeigen die neuesten Resultate der KOF-­Konjunkturumfrage in der Kernregion Ostschweiz. Zudem fällt dabei auch die saisonbereinigte Beurteilung des Bestands an Auslandaufträgen wieder besser aus.

Trotz der Lichtblicke: Die Schweizer und damit auch die Ostschweizer Aussenwirtschaft dürfte noch länger unter den Folgen der Auswirkungen der Corona-Pandemie leiden. Voraussetzung für eine vollständige Erholung ist, dass der internationale Warenhandel wieder mehrheitlich friktionslos funktioniert. Das scheint aktuell wieder der Fall zu sein.

Die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes werden monatlich befragt, wie sich die Exportaufträge voraussichtlich entwickelt werden. Die befragten Unternehmen können die Frage mit «zunehmen», «gleich bleiben» oder «abnehmen» beantworten. Der Saldowert der voraussichtlichen Exportentiwcklung entpsricht der Differenz der prozentualen Anteile der Antworten «zunehmen" und «abnehmen». Ein Wert über null deutet darauf hin, dass die Exportaufträge in den nächsten drei Monaten voraussichtlich zunehmen werden, während ein Wert unter null voraussichtlich sinkende Exportaufträge. 

Fachkenntnisse in Aussenhandelsfragen so wichtig wie nie zuvor

Grenzschliessungen, unterbrochene Lieferketten oder Verzögerungen in den Lieferungen: Die Corona-Pandemie offenbarte im vergangenen Jahr in aller Deutlichkeit die Bedeutung fundierter Kenntnisse im internationalen Warenhandel. Doch dieses Wissen ist nicht nur in turbulenten Zeiten gefragt, denn die Rahmenbedingungen werden zunehmend komplexer. Welche Zollformalitäten gelten bei welchem Geschäft und für welches Land oder wo sind die Ursprungs­regelungen sowie die Produktvorschriften geregelt? Welche Incoterms® wenden Sie bereits an und wie unterstützen diese Klauseln eine erhöhte Rechtssicherheit? Wie sind beim Export von Waren die Vorschriften zum Eigentumsvorbehalt geregelt? Und was bedeutet es, wenn die Schweiz neue Freihandelsabkommen abschliesst? Fehlende Kenntnisse oder nicht vorschriftsgemäss ausgefüllte Beglaubigungsgesuche sowie fehlende Nachweise können zu Lieferverzögerungen, langen Wartezeiten sowie Ärger am Zoll führen. Dies verursacht hohe Kosten und wirkt sich negativ auf Geschäftsbeziehungen aus. Die Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell bietet den Ostschweizer Unternehmen eine breite Palette an Dienstleistungen in Aussenhandelsfragen an und ist die zen­trale Anlaufstelle für alle Fragen rund um Export und Import von Waren. Das Angebot reicht von persönlichen Beratungsgesprächen am Telefon oder Schalter über Beglaubigungen von im Export erforderlichen Dokumenten wie Ursprungszeugnissen und Rechnungen bis hin zu vielfältigen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten mit eidgenössisch anerkannten Diplomen. Ausgewiesene Referenten vermitteln spezifisches Wissen rund um verschiedene Themenbereiche des internationalen Warenhandels. Gerade das attraktive Seminarangebot bietet Unternehmen die Möglichkeit, einerseits ihr Know-how im Bereich des Aussenhandels zu stärken und andererseits den eigenen Mitarbeitenden persönliche Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Die Kurse sind praxisorientiert und richten sich sowohl an Einsteiger wie auch an Erfahrene. Neben Exportseminaren bietet die IHK auch firmeninterne Exportschulungen vor Ort an. Sie sind noch stärker auf die individuellen Herausforderungen des einzelnen Unternehmens ausgerichtet.

Weitere Informationen zum Angebot finden Sie unter www.ihk.ch/export

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