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«Protektionismus ist der völlig falsche Weg»

Andreas Müller, CEO der DGS Druckguss Systeme AG, im Interview «Protektionismus ist der völlig falsche Weg»

Robert Stadler, Stv. Direktor / Leiter Kommunikation IHK

Seit gut fünf Jahren leitet Andreas Müller die DGS Druckguss Systeme AG in St. Gallen-Winkeln. Im Gespräch erklärt der 47-jährige CEO, wie eine internationalisierte Wertschöpfungskette heute in der Automobilindustrie funktioniert oder welche Bedeutung China für DGS hat. Von den protektionistischen Tendenzen in der Politik hält er wenig, denn «nur wenn man als Land global wettbewerbsfähig bleibt, wird auch eine Produktion nachhaltig überleben können».

Die DGS Druckguss Systeme AG produziert Leichtmetall-Komponenten für die Automobilbranche oder den Apparatebau. Ganz allgemein: Wie zufrieden sind Sie mit dem Geschäftsgang?

Andreas Müller: Wir verzeichnen als Gruppe in den letzten Jahren ein solides Wachstum aufgrund der sich fortsetzenden Trends «Globalisierung», «Leichtbau» und «CO2-Einsparung» in der Automobilindustrie. Der Apparatebau ist jedoch rückgängig, unter anderem weil sich unsere Industriekunden zunehmend aus der Schweiz als Produktions­standort zurückziehen. Mit Innovationen bei Materialien und der Prozessentwicklung konnten wir trotz der einsetzenden Deindustrialisierung der Schweiz auch in unserem Stammwerk in St. Gallen in den letzten Jahren mit unseren Automobilkunden ordentlich wachsen.

Der Verband der Automobilindustrie hat verlauten lassen, dass sich das bisher rasante Wachstum auf dem weltweiten Automarkt abschwächt, insbesondere wegen China. Was bedeutet das für DGS? Sie haben ja auch weitere Werke in Tschechien und in China.

Unser Standort in China ist in den letzten Jahren sogar noch stärker gewachsen als der Markt. Mit einem erwarteten Wachstum von 6 bis 7 % in den nächsten Jahren auf Basis von 23 Millionen produzierten Autos in 2016 ist China auch bei diesem «schwächeren» Wachstum global betrachtet noch der interessanteste Automobil-Markt. Wir waren die ersten in China, die das für Premiumfahrzeuge wichtige Segment «Strukturgussanwendungen» bedienen konnten. Mit diesem Vorsprung wollen wir weiter wachsen, auch wenn der Wettbewerbsdruck bereits stark zunimmt. Auch in China wird hohe Innovationskraft gepaart mit sehr guter Produktionsperformance und einer hohen Geschwindigkeit bei Entscheidungen und Projektumsetzungen ein Schlüssel zum Erfolg bleiben.
In Tschechien haben wir uns die letzten Jahre ebenso vom Low-Cost-Standort hin zum Hightech-Standort mit innovativen Anwendungen und hoher Wertschöpfungstiefe entwickelt. Unsere starken Prozessentwicklungs- und Projektierungsfähigkeiten in St. Gallen ermöglichten es uns, in kürzester Zeit eine erfolgreiche Strukturgussfertigung aufzubauen. Allerdings erhöhen wir damit gleichzeitig den Wettbewerbsdruck für uns in St. Gallen. Aber unsere Devise ist: Besser wir machen das selbst, als dass wir das Feld den Wettbewerbern überlassen, die ebenso ihre Kapazitäten in Osteuropa massiv aufbauen.

Die Zeiten, in denen ein Produkt von Anfang bis zum Schluss an einem Standort gefertigt wurde, sind längst vorbei. Die Wertschöpfungsketten werden immer stärker zerlegt und internationalisiert. Was bedeutet diese Entwicklung für die DGS?

Wir sehen hier eher den Trend der Lokalisierung und der Vertiefung der Wertschöpfung, insbesondere weil die Automobilhersteller zunehmend Wertschöpfung, wie das Zusammenbauen von Baugruppen oder gar ganzen Rohkarosserien, an Lieferanten abgeben. Für uns bedeutet es, dass wir möglichst global die gleiche Technologie und Performance bieten müssen und wir eine noch höhere Wertschöpfungstiefe, wie Komponentenmontage, anbieten müssen. Die schwache Margenqualität in unserem Business zwingt uns so, einerseits möglichst nah an den Verbauwerken unserer Automobilkunden zu sein und dabei andererseits eine möglichst integrierte hohe Wertschöpfungstiefe anzubieten, um die Logistikkosten zu minimieren.

Können Sie für uns eine internationalisierte Wertschöpfungskette anhand eines konkreten Beispiels durchspielen?

Die aktuelle Mercedes C-Klasse wird in Bremen (D), Südafrika, USA und China gebaut. Insgesamt kommen so ca. 650 000 Fahrzeuge weltweit zusammen. Aus St. Gallen beliefern wir die Standorte Bremen und Südafrika mit einbaufertigen Gussteilen, die bearbeitet und vormontiert sind. Unser Standort in China beliefert das Montagewerk in Peking mit exakt gleichen Bauteilen aus den exakt gleichen Prozessen. Damit für die USA ebenso eine stabile und standardisierte Fertigung für die gleichen Bauteile sichergestellt werden konnte, sind wir in Abstimmung mit Daimler eine Kooperation mit einer deutschstämmigen mexikanischen Giessereigruppe eingegangen und haben geholfen, dort die Fertigung auf dem gleichen Qualitätslevel anzufahren. Im Rahmen dieser Kooperation floss dann reichlich Know-how zwischen den Partnern.

Wenn die Zulieferteile fast von überall her auf der Welt stammen können, besteht sicher auch ein grosser Kostendruck. Wie kann ein Schweizer Unternehmen diesem Druck standhalten?

Das geht nur mit Innovationen verbunden mit höchster Produktivität und Qualität. Anhand des Beispiels der C-Klasse sehen Sie aber auch, dass man in unserem Business mit globalen Automobilherstellern Alleinstellungsmerkmale eigentlich nicht «für sich» behalten kann, da in der Regel immer eine globale Fertigung gefordert wird. Entweder man ist ein so grosses Unternehmen, dass man problemlos in allen Regionen fertigen kann, oder man erfindet sich quasi täglich neu, um immer wieder aufs Neue einen Schritt voraus zu sein. Der Wettbewerbsdruck in der Branche ist gewaltig und es fällt aufgrund der Standortkosten zunehmend schwer, mit einer Produktion aus der Schweiz dagegenzuhalten. Der Frankenkurs trägt natürlich auch nochmals einen Teil dazu bei. Wir haben die Strategie, neue Technologien in St. Gallen zu entwickeln und schnell und hocheffizient zuerst in St. Gallen und dann mit kurzem Zeitversatz in Tschechien und China einzuführen. Das bedeutet, dass unser Wachstum künftig letztendlich vor allem im Ausland stattfinden wird.

Überall auf der Welt sind protektionistische Tendenzen spürbar. So möchte Donald Trump Importe verteuern, damit Unternehmen vermehrt in den USA produzieren. Dies könnte negative Folgen für die Schweizer Autozulieferer haben. Deutsche Autohersteller könnten mehr in den USA produzieren und auch die Zulieferer müssten verstärkt dort präsent sein. Könnte dieses Szenario für DGS aktuell werden?

Das ist letztlich schon lange vor Trump so gewesen, allerdings aufgrund des globalen Automobilmarktes, bei dem die Hersteller zunehmend auch in den Regionen produzieren, in denen sie verkaufen wollen. Dabei werden die jeweiligen Schlüssellieferanten in den Heimatländern motiviert, ebenso zu globalisieren. Dies vor allem wenn man spezifisches Know-how hat wie wir beispielsweise im Strukturguss, das in den jeweiligen Ländern (noch) nicht anderweitig von lokalen oder internationalen Lieferanten verfügbar ist. Wir haben die Form einer Kooperation gewählt, um im Verbund mit dem Partner die gleiche Technologie in Europa, Asien und USA zu fertigen, da wir nicht in der Lage waren, parallel zu China noch eine Fabrik in den USA zu bauen. Nur Afrika wird noch über Exporte aus der Schweiz bedient, aber auch aus dieser Region wächst der Druck auf «Lokalisierung».

Protektionismus ist meines Erachtens der völlig falsche Weg. Für die USA gilt das genauso wie für die Schweiz. Nur wenn man als Land global wettbewerbsfähig bleibt, wird dort auch eine Produktion nachhaltig überleben können. Von der Politik wünsche ich mir hier eine entsprechende Unterstützung, sodass die Rahmenbedingungen und die Standortfaktorkosten möglichst optimal ausgestaltet werden, um für den globalen Wettbewerb gerüstet zu bleiben.

Auch in der Schweizer Politik sind seit einigen Jahren protektionistische Tendenzen feststellbar. Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung?

Ich halte von Protektionismus gar nichts. Die Politik sollte die Rahmenbedingungen schaffen, dass man als global agierendes Unternehmen weiterhin gerne seinen Hauptfirmensitz mit einer schlagkräftigen Forschung und Entwicklung und einer hocheffizienten Produktion in der Schweiz erhalten kann.
Dazu benötigen wir ein gutes, schlankes sowie stabiles regulatorisches und steuerliches Umfeld. Die Wettbewerbsnachteile eines Exportunternehmens beim Lohngefüge müssten zumindest teilweise über diese Rahmenbedingungen sowie eine stabile und wettbewerbsfähige Energieversorgung und einen möglichst liberalen und einfachen Warenverkehr mit dem Ausland kompensiert werden. Der Schlüssel zum Erfolg wird weiterhin die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten, flexiblen Mitarbeitern sein. Neben der Personenfreizügigkeit für ausländische Talente setze ich hier natürlich vor allem auf unsere hervorragende Hochschulbildung sowie – mindestens genauso wichtig – auf ein ausgezeichnetes und in der Gesellschaft anerkanntes duales Berufsbildungssystem. Nur so können wir weiterhin an den Innovationen arbeiten, die wir benötigen, um die Schweiz als Entwicklungs- und Produktionsstandort der DGS zu erhalten.

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