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«Familienpflichten erfordern Flexibilität»

IHK-Positionen im Dialog – auf nationaler Ebene «Familienpflichten erfordern Flexibilität»

Pascal Tschamper, Kommunikation

Geht es um die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, heisst bei Andrea Caroni die Devise: Flexibilität – sei es beim Arbeitsgesetz oder der Elternzeit. Zudem setzt er sich für die Individual­besteuerung ein. Welche Chancen gibt der Ausserrhoder Ständerat den IHK-Forderungen?

 

Andrea Caroni, inwiedern kann die Liberalisierung des Arbeitsgesetzes die Erwerbstätigkeit von Eltern erhöhen? 

Familienpflichten erfordern Flexibilität. Deshalb soll die Arbeit freier mit anderen Tätigkeiten vereinbart werden können – namentlich mit Kinderbetreuung. Wenn ich das Büro früher verlasse, um mit den Kindern zu essen und sie ins Bett zu bringen, will ich dafür später am Abend noch E-Mails beantworten können. Heute aber dürfte ich dann morgens erst spät wieder mit «legaler» Arbeit weiterfahren. Das ist familienfeindlich.
 

Die Wirtschaftskommission des Stände­rats sprach sich für eine Lockerung der Arbeitszeitregeln für gewisse Kader- und Fachkräfte aus. Was heisst das für die Unternehmen?

Das geht in die richtige Richtung, der Weg ist aber noch weit. Die heutige Gesetzgebung sinniert vergangenen Fabrikzeiten hinterher. Wir aber sind im digitalen Zeitalter; es verändert Arbeit und Leben. Es geht nicht darum, mehr zu arbeiten, sondern freier. Deshalb braucht es Flexibilisierungen.
 

Die IHK sieht die 16-wöchige flexible ­Elternzeit als vertretbar – anstelle des Vaterschaftsurlaubs. Einverstanden?

Vaterschaftsurlaub ist wertvoll – ich habe ihn zweimal erlebt. Allerdings sollten diesen nicht Dritte bezahlen müssen. Meine Vorstösse wollten einerseits der Mutter freiere Hand bei der Aufteilung der bestehenden 14 Wochen geben und andererseits dem Vater das Recht, seine bestehenden vier bis fünf Wochen Ferien um die Geburt herum nehmen zu dürfen. Das Parlament bevorzugte aber eine teure und starre Ausbaulösung.
 

Ist damit die flexible Elternzeit erledigt? Inzwischen gibt’s ja noch weiter gehende Forderungen von bis zu 38 Wochen.

Das sind maximale Umverteilungsforderungen. Dafür gibt es weder im Parlament noch im Volk eine Mehrheit. Selbst die Initianten des Vaterschaftsurlaubs wagten es nicht, mit vier Wochen an die Urne zu gehen. Das Parlament hat ihnen mit zwei Wochen bereits den Wind aus den Segeln genommen. Eine Flexibilierung an sich – ohne Ausbau – würde ich aber sehr begrüssen.
 

Die IHK fordert die Individualbesteuerung auf Bundesebene. Weshalb ist sie dem Vorschlag des Bundesrats vorzuziehen, der ebenfalls die «Heiratsstrafe» abschaffen will?

Die Individualbesteuerung ist perfekt zivilstandneutral. Nur mit ihr resultiert weder eine Heirats- noch eine Konkubinatsstrafe. Der Bundesrat wollte mit seinem Vorschlag nicht nur die Heiratsstrafe abschaffen – sondern auch alle Heiratsboni behalten und sogar ausbauen, dies mit einem Abzug für Einverdienerhaushalte. Im Übrigen setzt die Individualbesteuerung auch stärkere Erwerbsanreize für den Zweitverdiener – oft die Frau.
 

Welche Chancen geben Sie der Individualbesteuerung?

Der Ständerat wies den Vorschlag des Bundesrats zurück, damit er andere Modelle prüfe. Das Armdrücken um die Individualbesteuerung dauert schon lange. Die nächste Kraftprobe ist die Wiederholung der CVP-­Initiative. Wenn sie nicht zurückgezogen wird, muss sie abgelehnt werden, denn sonst ist die Individualbesteuerung erledigt.
 

Sie müssten dann Ihrer Partnerin einen Heiratsantrag machen.

Mein Zivilstand ist nicht fiskalisch begründet. Ich habe nie ausgerechnet, womit wir besser führen. Übrigens: Gibt es per Saldo – alle Staatsebenen und Sozialversicherungen berücksichtigt – überhaupt eine Heiratsstrafe? Das konnte mir bislang nicht einmal der Bundesrat beantworten.

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