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«Eine positive Story für die Kernregion Ostschweiz»

Roland Ledergerber im Interview «Eine positive Story für die Kernregion Ostschweiz»

Robert Stadler, stv. Direktor IHK

Im Rahmen des Konjunkturforums Zukunft Ostschweiz präsentierte die IHK eine Zukunftsagenda. Diese zeigt auf, wie unsere Region Megatrends wie Digitalisierung oder Globalisierung begegnen soll. Der dabei eingeführte Begriff «softurban» verbindet eine durch Offenheit und Veränderungsbereitschaft geprägte Haltung mit einem attraktiven und vielfältigen Lebensraum. Roland Ledergerber erklärt, was die IHK mit der Zukunftsagenda im Sinn hat.

Zum Einstieg etwas Persönliches: Vergangenen Juni wurden Sie zum IHK-Präsidenten gewählt, die bekannten ersten «100 Tage» sind somit schon länger vorüber. Wie fühlt es sich an?

Roland Ledergerber: Es fühlt sich sehr gut an, danke. Es ist eine relativ intensive Phase, aber ich spüre, dass wir auf einem guten Weg sind. Intensiv deshalb, weil die IHK einerseits im Umbruch ist: Markus Bänziger löst Kurt Weigelt als Direktor ab, das Ausscheiden von Diana Rausch und ein Vorstand in neuer Zusammensetzung. Andererseits erarbeiten wir mit der Zukunftsagenda zugleich den strategischen Orientierungsrahmen für die nächsten fünf Jahre. Ich habe Freude an dieser Aufgabe.

Beim Konjunkturforum Zukunft Ostschweiz hat die IHK eine Zukunfts­agenda für die Ostschweiz vorgestellt. Wie entstand die Idee?

Die IHK setzt sich für eine starke Ostschweiz ein. Stark ist die Ostschweiz dann, wenn sie sowohl als Wirtschaftsstandort für Unternehmen als auch als Lebensraum für Menschen attraktiv ist. Wir sind überzeugt, dass wir langfristig nur dann erfolgreich sein können, wenn wir die langfristig wirkenden Mega­trends – Stichworte sind Digitalisierung, Globalisierung, Urbanisierung und gesellschaftlicher Wandel – auch mit einer langfristigen, nachhaltigen Optik angehen. Wir wollen die Herausforderungen meistern und die Chancen packen. Dazu brauchen wir eine Strategie, klar definierte Schwerpunkte und erfolgversprechende Schlüsselprojekte.
Genau das ist unsere Zukunftsagenda: Ein Plan, ein Orientierungsrahmen für die nächsten Jahre. Wir wollen letztlich Wirkung im Ziel.

Welche Vision propagiert denn die Zukunfts­agenda?

Wir denken, dass die Kernregion Ostschweiz sehr gute Voraussetzungen hat. Auf der einen Seite haben wir eine wirtschaftliche Basis in der Industrie und im Handel, welche sich durch Offenheit, Zukunftsglauben und Veränderungsbereitschaft auszeichnet. Die Unternehmer und Unternehmen haben ihre Leistungsfähigkeit in der Vergangenheit immer wieder bewiesen. Andererseits bietet die Ostschweiz einen idealen und vielfältigen Lebensraum für Menschen und Familien.
In unserer Vision gelingt es uns, diese beiden Vorzüge – also Haltung und Lebensraum – zu verbinden. Damit werden wir zum bevorzugten Wohnort, zum bevorzugten Arbeitsort und zum bevorzugten Unternehmensstandort. Das ist unsere Vision.

Gleichzeitig gibt es Bestrebungen, die gesamte Bodensee-Region als Metropolitanraum zu definieren. Steht die IHK-Vision im Widerspruch zu einer solchen Metropolitanregion?

Ganz im Gegenteil, sie ergänzen sich! Die Metropolitanräume sind Teil des Raumkonzeptes Schweiz und werden vom Bund definiert. Mit dem Raumkonzept gibt der Bund die zukünftige Entwicklung der Schweiz vor. Dabei nehmen die Metropolitanräume die Rolle der Zugpferde ein; bei der Priorisierung von Projekten – beispielsweise im Bereich Verkehrsinfrastruktur oder im Fernverkehr – stehen sie zuvorderst in der Reihe und profitieren so in künftigen Verteilkämpfen um öffentliche Gelder. So gesehen sind die Metropolitanräume die relevante «Währung» für die nationale Politik. Es ist also wichtig – und aufgrund der Bedeutung der Ostschweiz auch richtig –, dass die Ostschweiz vom Bund als Metropolitanraum anerkannt wird.
Umgekehrt geht es bei der Zukunftsagenda der IHK darum, dass wir das «Produkt» Ostschweiz langfristig und nachhaltig verbessern, wettbewerbsfähiger und wachstumsstärker machen. Die Bühne der Zukunftsagenda ist – bildlich gesprochen – die Ostschweiz, während die Metropolitanregion auf der Bühne in Bundesbern spielt. Die volle Wirkung erzielen wir dann, wenn beide zusammenspielen.

Mit der «softurbanen Ostschweiz» wurde ein Begriff eingeführt, den es bisher nicht gab. Was kann man sich unter einem softurbanen Ostschweizer oder einer softurbanen Ostschweizerin vorstellen?

Wie gesagt, es ist die Verbindung einer Geisteshaltung – Offenheit, Zukunftsglauben, Veränderungsbereitschaft – mit einem vielfältigen, vorteilhaften Lebensraum. Diese Kombination ist unser USP. Der Begriff «softurban» bringt diesen USP kurz und schnörkellos auf den Punkt.

Aber sind denn alle Ostschweizer «soft­urban»? Auch der Bergbauer im Weisstannental? Für ihn gilt doch eine ganz andere Realität als für den Dienstleister in der Stadt St. Gallen oder den Exporteur im Rheintal!

Wir sind uns natürlich bewusst, dass die Kernregion Ostschweiz keine «einheitliche Masse», kein «Einheitsbrei» ist. Wir sehen durchaus gewisse regionale Unterschiede. Die verbindenden Merkmale sind die gleiche Haltung und der gemeinsame Lebensraum. Entscheidend ist also nicht das Trennende, sondern das Verbindende. Das Ganze ist eben mehr als die Summe der Einzelteile.
Ein Vergleich mit der Schweiz: Die Schweiz besteht aus enorm unterschiedlichen Regionen vom Bodensee bis zum Genfersee. Es werden vier Landessprachen gesprochen. Aber wir sind eine Nation, eine Willensgemeinsschaft, die den gleichen Grundwerten verpflichtet ist.

Die Zukunftsagenda geht von verschiedenen Megatrends wie die Digitalisierung oder die Globalisierung aus, die uns alle herausfordern. Weshalb sind Sie überzeugt, dass gerade die Ostschweiz diese Entwicklungen besonders gut angehen kann?

Als Grenzregion sind wir seit jeher im Export und im internationalen Handel tätig. Wir sind deshalb nach aussen orientiert und sind fähig, uns im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Unsere Unternehmer und Unternehmen sind sich gewohnt, globale Veränderungen zu antizipieren.
Im Bereich der Digitalisierung sehe ich dank der Digitalisierungsoffensive, die die IHK angestossen hat, zudem zusätzlich gute Chancen.

Wie am Anlass erklärt wurde, soll die Zukunftsagenda eine Richtschnur für die künftige Arbeit der IHK geben. Dann ist die Zukunftsagenda fast als Art Regierungserklärung für Ihre IHK-Präsidentschaft zu verstehen?

Ja, absolut. Die Zukunftsagenda bestimmt den Rahmen, definiert die Ziele unserer Arbeit in den kommenden Jahren und nennt die erfolgskritischen Schlüsselprojekte.
Natürlich sind wir uns – wie bei jedem Strategieplan – bewusst, dass im Laufe der Zeit neue Erkenntnisse auftauchen können, die allenfalls eine punktuelle Anpassung oder Ergänzung unserer Zukunftsagenda nötig machen. Dazu sind wir offen und bereit. Die Stossrichtung und die Prioritäten aber stehen.

Welches sind die wichtigsten Ziele, die Sie erreichen möchten?

Wir haben sechs Ziele identifiziert, die wir angehen möchten: Weiterentwicklung des Bildungsraums Ostschweiz, Förderung digitaler Kompetenzen, Stärkung eines innovationsfreundlichen Umfeldes, Unterstützung des gesellschaftlichen Wandels mit den Stichworten Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf sowie Gesundheitswesen, Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur sowohl innerhalb der Ostschweiz als auch in Bezug auf die nationale und internationale Anbindung und schliesslich die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Standortwettbewerb.
Für all diese Ziele haben wir Schlüsselprojekte definiert, die in den kommenden Jahren vorangetrieben werden sollen.

Und wie geht es mit der Zukunfts­agenda konkret weiter?

Einerseits werden wir die Zukunftsagenda gemeinsam mit Vertretern aus den verschiedenen Teilregionen konkretisieren und so regionenspezifisch weiterentwickeln. Andererseits werden wir für die Umsetzung der Schlüsselprojekte Denkanstösse geben und Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen. Wir wollen Gutes besser machen und so helfen, für die Kernregion Ostschweiz eine positive Story zu schreiben. Wenn wir gemeinsam – Wirtschaft und Politik – unsere Kräfte bündeln und alle gut zusammenarbeiten, dann können wir die anstehenden grossen Herausforderungen erfolgreich meistern. Für eine zukunftsstarke Ostschweiz.

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