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«Die Stärke der Schweizer Politik liegt in der Einheit der Vielfalt»

Ivo Bischofberger im Interview «Die Stärke der Schweizer Politik liegt in der Einheit der Vielfalt»

Robert Stadler, Stv. Direktor / Leiter Kommunikation IHK

Die NZZ nannte ihn bei seiner Wahl zum Ständeratspräsidenten vor einem Jahr einen Konsenspolitiker der alten Schule. Zu Beginn dieser Wintersession hat der Innerrhoder Ivo Bischofberger nun das Präsidium der kleinen Kammer abgegeben. Im Interview spricht der ehemalige Rektor des Gymnasiums Appenzell und Kantonsgerichtspräsident über sein Treffen mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping, den Erfolg seiner zurückhaltenden Art und das Wesen der kleinen Kammer.

Was bleibt Ihnen von Ihrem Präsidium besonders in Erinnerung?

Ivo Bischofberger: Es war ein äusserst intensives, aber ebenso hoch spannendes Jahr mit zahlreichen unvergesslichen Begegnungen. Speziell in Erinnerung bleiben werden mir der herzlich-warme Empfang und die würdige Präsidialfeier in Appenzell. Dankbar erinnern werde ich mich auch an die äusserst konstruktiven, speditiven und von echter Kollegialität geprägten Ratsdebatten. Schliesslich haben sich die Privataudienz bei Papst Franziskus und das persönliche Gespräch mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping bei mir tief eingeprägt.

Welche Geschäfte im Ständerat waren besonders herausfordernd?

Übers ganze Jahr hinweg gesehen forderten einige Geschäfte dem Rat sowohl vom jeweiligen Umfang wie auch von deren Komplexität einiges ab. Zu nennen sind insbesondere die Altersvorsorge 2020; die Botschaft für Bildung, Forschung und Innovation 2017-2020; das Ausländergesetz; das Finanzleistungs­gesetz und das Finanzinstitutsgesetz sowie die Staatsrechnung und der Voranschlag im Kontext der Sparmassnahmen.

Die bürgerliche Mitte aus CVP und FDP hat früher den Ständerat dominiert und für Stabilität und Verlässlichkeit gesorgt. Zuletzt haben sich die beiden Parteien eher wieder entfremdet, so bei der Altersvorsorge 2020 oder zum Teil beim Energiegesetz. Was bedeutet das für die Schweizer Politik?

Ich bin der festen Überzeugung, dass der vorab in den Medien hochstilisierte «Graben zwischen CVP und FDP» weniger tief ist, als oft kolportiert wird. Die beidseits konsensorienierten, moderaten Kräfte stehen vor der Herausforderung, sich bei den Kerngeschäften möglichst frühzeitig auf einen Grundkonsens zu einigen und damit die Basis für gemeinsame sachorientierte, mehrheitsfähige Lösungen zu legen.

Sie gelten als integrer, dossierfester Schaffer, der sich nicht ins Rampenlicht drängt. Sind Sie womöglich gar nicht unglücklich, dass das Jahr als Ständeratspräsident vorbei ist und Sie wieder «zurück ins Glied» können?

Herzlichen Dank für die äusserst positive Charakterisierung meiner Person. Mein Leitmotiv «Mach seriös und gut, was du kannst, dort, wo du bist, mit dem, was du hast.» leistete mir bisher stets gute Dienste. Wenn ich nun all die öffentlichen Auftritte während meinem Präsidialjahr Revue passieren lasse, so stützen diese Friedrich Schillers Wort: «Ist es an der Zeit, wird es auch zur Rede kommen.» Insofern war ich als Ständeratspräsident ebenso glücklich, wie ich es nun auch als ordentliches Mitglied der kleinen Kammer wieder sein werde.

Was wünschen Sie sich für den Ständerat und die Schweizer Politik?

Unserem Rat wünsche ich aus tiefer innerer Überzeugung, dass er sich auch in Zukunft seiner Verantwortung im Zweikammersystem bewusst ist, eigenständig und überzeugt alles daran setzt, die bewährte «Chambre de réflexion» zu bleiben und nicht zu einem «kleinen Nationalrat» zu mutieren.
Damit garantieren wir auch das Wohlergehen unseres Landes: Denn die Stärke der Schweizer Politik manifestiert sich in der Einheit der Vielfalt, über die willentliche Pflege gemeinsamer Werte und in einer bewusst gelebten Solidarität.

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