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«Bei Bau und Raumgestaltung gibt es fragliche Vorschriften»

IHK-Positionen im Dialog – auf Gemeinde- und Kantonsebene «Bei Bau und Raumgestaltung gibt es fragliche Vorschriften»

Pascal Tschamper, Kommunikation

Degersheim belegt mit einem Versorgungsgrad von knapp 13 Prozent der wohnhaften Kinder einen Spitzenplatz beim familien- und schulergänzenden Betreuungsangebot – bei moderaten Kosten. Gemeinde­präsidentin Monika Scherrer sieht dies als Standortvorteil, ortet aber gerade auf dem Land Nachholbedarf und spricht sich für Deregulierung im Baubereich aus.

 

Monika Scherrer, wo ist der grösste Hebel in den Gemeinden, um die Berufstätigkeit von Müttern zu fördern? 

Stehen in den Gemeinden finanzierbare familienergänzende Betreuungsangebote wie Kindertagesstätten (Kitas) und Tagesstrukturen zur Verfügung, wird Müttern und Vätern die Berufs­tätigkeit erleichtert – es geht um beide Elternteile. Der grösste Hebel sind Kitas und deren ergänzende Betreuungsangebote.

Degersheim liegt bei den Betreuungsangeboten unter den «Top Five» im Kanton. Wie gelang das, was tun Sie?

Seit über fünfzehn Jahren betreiben wir eine gemeindeeigene Kita. Das ist unüblich für eine Gemeinde mit 4000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Zudem arbeitet die Gemeinde Degersheim mit dem Verein Tagesfamilien zusammen, der die Kita ergänzt. Wir gingen früh voraus. Es war ein Standortvorteil. Schon damals gab es Anschubfinanzierung. Unsere Kita hat einen guten Ruf und wird geradezu überrannt.

Trotzdem sind die Kosten tiefer als anderswo. Wie schaffen Sie das?

Bei hoher Auslastung schlagen sich die einkommensabhängigen Tarife positiv auf das Gesamtergebnis nieder. Da die Kita von der Gemeinde betrieben wird, nutzen wir Verwaltungsressourcen, was zu Einsparungen in der Administration führt. Im Kanton St. Gallen werden aktuell zusätzliche Abzüge bei den Tarifen für die Eltern diskutiert. Der Vorschlag setzt auf vorhandene Strukturen in den Gemeinden, um die neuen Mittel möglichst nahtlos ins bestehende System einzufügen und eine zweckmässige Verteilung zu ermöglichen.

Im nationalen Vergleich hat die Ostschweiz noch Luft nach oben. Wo herrscht der grösste Handlungsbedarf?

Im ländlichen Raum. Städte haben fast ausnahmslos genügend Betreuungsplätze. An der Flexibilität der Angebote können aber auch sie noch arbeiten.

Deregulierung ist ein Ansatz zum Ausbau des Angebots. Welche Möglichkeiten sehen Sie bei der Kinderbetreuung?

Fürs Wohl der betreuten Kinder sind Regeln wichtig. Dennoch ist im baulichen Bereich oder bei der Ausgestaltung der Räume eine Lockerung angebracht. Hier gibt es fragliche Vorschriften. Deren Deregulierung könnte positive Auswirkungen auf den Ausbau des Angebots haben.

Die IHK schlägt «Taktstundenpläne» vor, also die stufen-, gemeinde- und kantonsübergreifende Abstimmung von Blockzeiten. Welche Effekte erwarteten Sie davon für Mehrkinderfamilien?

Blockzeiten am Vormittag sind seit Jahren umgesetzt. Sie stellen sicher, dass Kinder vormittags auch beschult werden, wenn Lehrperson ausfallen. Gemeinde- oder kantonsübergreifende «Taktstundenpläne» wären nicht per se falsch, aber eine organisatorische Herausforderung – etwa bei Schülertransporten mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Sie widmeten eine Zeit ganz Ihrer Familie mit drei Kindern – bis zum beruflichen Teilzeit-Wiedereinstieg. Wünschten Sie sich mehr Betreuungsangebote?

Die Möglichkeit, dass Väter Teilzeit arbeiten, existierte damals kaum. Betreuungsstrukturen wären hilfreich gewesen. Ob sie Einfluss auf meine Laufbahn gehabt hätten, ist schwer zu sagen. Ich hatte mich in der Familienzeit ehrenamtlich engagiert. Das fehlt heute oft. Alles hat Vor- und Nachteile.

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