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Wie aus drei Gemeinden eine wurde

Was bringen Fusionen? Beispiel Neckertal Wie aus drei Gemeinden eine wurde

Dr. Frank Bodmer, Leiter IHK-Research

Organisatorische und wirtschaftliche Herausforderungen gaben den Anstoss, die Toggenburger Gemeinden Mogelsberg, Brunnadern und St.Peterzell zur Gemeinde Neckertal zusammenzuschliessen. Neckertal hat sich seither positiv entwickelt: Der Nettoaufwand sank deutlich, die Steuerkraft stieg und die Qualität der Aufgabenerfüllung verbesserte sich. Die Strukturen im Schulbereich bleiben allerdings komplex, was denNutzen der Fusion einschränkt.

Gemeindefusionen sind umstritten. Die Gegner von Fusionen betonen die Vorteile von Kleinheit und Bürgernähe und vertrauen darauf, dass die Lücken in kleinen Gemeinden durch Freiwilligenarbeit gefüllt und die Kosten tief gehalten werden können. Die Befürworter von Fusionen verweisen dagegen auf die zunehmenden Schwierigkeiten bei der Aufgabenerfüllung und die hohen Kosten einer fehlenden Spezialisierung.

Der Blick auf eine konkrete Gemeindefusion, diejenige der drei Toggenburger Gemeinden Brunnadern, Mogelsberg und St.Peterzell zur neuen Gemeinde Neckertal, ergibt ­einen Eindruck von Herausforderungen und Schwierigkeiten.

Kanton leistet finanziellen Beitrag

Der Kanton St.Gallen unterstützt die Fusion von Gemeinden sowohl organisatorisch als auch finanziell. Gestützt auf einen Auftrag in der neuen Kantonsverfassung von 2001 trat 2007 das Gemeindevereinigungsgesetz in Kraft. Im Parlament gab es noch erheblichen Widerstand, vor allem vonseiten der SVP, welche die Vorteile der Kleinheit in den Vordergrund stellte. Das Vereinigungsgesetz regelt das Vorgehen und die Beiträge, welche der Kanton an die Fusion leisten kann. Neben einem Beitrag an die Kosten der Fusion werden Beiträge für Steuerfussreduktionen gesprochen.

Seit 2007 wurden 17 politische Gemeinden in 8 neue überführt, welche von kantonaler Hilfe profitiert haben. Daneben werden auch die Fusionen von Schulgemeinden unterstützt.

Neckertal: Tradition der Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit hat zwischen den Neckertaler Gemeinden Tradition und schliesst auch die beiden anderen Neckertaler Gemeinden Hemberg und Oberhelfenschwil mit ein. Bei den Schulen, der Spitex oder der Feuerwehr wurden und werden immer noch gemeinsame Lösungen gesucht, teilweise auch unter Einschluss von Schönengrund (AR).

Organisatorische und wirtschaftliche Herausforderungen gaben den Anstoss für den Zusammenschluss. Bis zu Beginn der 1990er-Jahre war die wirtschaftliche Entwicklung erfreulich, mit einem Wachstum der Bevölkerung. Ab Mitte der 1990er-Jahre setzte aber ein Rückgang ein. Für die einzelnen Gemeinden wurde es zunehmend schwieriger, die Aufgaben auf dem geforderten Niveau zu erfüllen. Von den drei fusionierten Gemeinden war Mogelsberg leicht grösser, womit von einem Zusammengehen unter Gleichen gesprochen werden kann. Auch finanz­politisch waren die drei Gemeinden ähnlich positioniert, mit einem Steuerfuss beim kantonalen Maximum und einer Steuerkraft am unteren Ende.

Der Fusionsprozess

Die Arbeiten zur Fusion begannen zu Beginn des Jahrtausends und erfolgten schrittweise und in engem Kontakt mit der Bevölkerung der Dörfer und Weiler des weitverzweigten Gebiets. Damit konnte Ängsten vor einem Verlust an Bedeutung und von Infrastruktur entgegengewirkt werden. Auch der Fusionsprozess erfolgte schrittweise. Das Gemeindehaus St.Peterzell wurde erst vor zwei Jahren aufgegeben und Mogelsberg als alleiniges Verwaltungszentrum festgelegt. Im alten Gemeindezentrum St.Peterzell ist nun eine Gemeinschaftspraxis eingezogen. Und Brunnadern wurde als Standort für das Alters- und Pflegezentrum gewählt.
Gemäss Gemeindepräsidentin Vreni Wild hat die Fusion vor allem im Bereich der öffentlichen Verwaltung erhebliche Verbesserungen ermöglicht. Die einzelnen Gemeinden seien dort vor der Fusion an ihre Grenzen gestossen, bei sehr kleinen Pensen und der Vorgabe des Kantons, die Qualifikationen der Mitarbeitenden auf dem neuesten Stand zu halten. Vreni Wild legt dabei den Schwerpunkt auf die Qualität der Aufgabenerfüllung, wobei aber auch finanzielle Einsparungen verzeichnet werden konnten. Allerdings ist das Neckertal keine Einheitsgemeinde. Mit der Bildung blieb der wichtigste Aufgabenbereich von der Fusion ausgeschlossen. Bei den Schulgemeinden kam es im unteren Neckertal im Jahr 2005 zwar zu einem Zusammenschluss. Die Struktur ist aber nach wie vor komplex, mit einer Schulgemeinde Neckertal (inklusive Oberhelfenschwil) und einem Zweckverband zwischen der Gemeinde Schönengrund und der Schule Oberes Neckertal (für die Oberstufe inklusive Hemberg).

Die Entwicklung

Seit der Fusion im Jahr 2009 konnte in verschiedenen Bereichen eine positive Entwicklung verzeichnet werden. Der Nettoaufwand sank deutlich, vor allem dank einem markant tieferen Aufwand für die Bildung (siehe Grafik). Auch bei der öffentlichen Verwaltung konnten Einsparungen erzielt werden. Der Aufwand liegt aber nach wie vor deutlich über dem kantonalen Mittel. Bei der Steuerkraft war die Entwicklung mit einem Wachstum von rund 8 % ebenfalls erfreulich. Der tiefere Aufwand und die höhere Steuerkraft halfen neben den Kantonsbeiträgen, den Steuerfuss relativ tief zu halten. Lag der Steuerfuss vor der Fusion noch bei 162, so wurde er 2009 auf 142 reduziert. Aktuell liegt er bei leicht höheren 145.
Dass die fusionierte Gemeinde nach wie vor grossen Herausforderungen gegenübersteht, zeigt nicht zuletzt die Entwicklung der Bevölkerung. Der seit Mitte der 1990er-Jahre anhaltende Bevölkerungsrückgang konnte auch nach der Fusion nicht gestoppt werden. Seit 2009 verlor Neckertal rund 150 Einwohner. Bei den Schülerzahlen war der Rückgang aufgrund der demografischen Entwicklung im Verhältnis noch dramatischer, mit einem Rückgang von etwa 100 Schülern. Für die bevölkerungsmässig kleine, räumlich aber grosse und weitverzweigte Gemeinde ist das Schulwesen eine spezielle Herausforderung.

Finanzausgleich als Hindernis

Das alte Finanzausgleichsgesetz stellte ein gewichtiges Hindernis für Fusionen dar. Da der maximale Gemeindesteuerfuss gedeckelt war, lohnten sich Ausgabensenkungen für Gemeinden mit Maximalsteuerfuss nicht. Nach wie vor geht der Steuerfussausgleich aber relativ weit, weshalb der finanzielle Anreiz für Fusionen begrenzt bleibt. Hemberg und Oberhelfenschwil weisen trotz Alleingang mit 148 und 153 keine dramatisch höheren Steuerfüsse als Neckertal auf. Fehlende Einheit zwischen politischer und Schulgemeinde lassen bei Fusionen den grössten Kostenblock, die Schulen, unangetastet. Laut Vreni Wild kann auch die Raumplanung ein Problem darstellen. Gemäss neuem Raumplanungsgesetz müssen übermässige Baulandreserven wieder ausgezont werden. Bestehen vor der Fusion in einzelnen Gemeinden solche raumplanerischen Altlasten, kann das Wachstum der neuen Gemeinde behindert werden. Laut Vreni Wild ist dies auch der Hauptgrund, weshalb Neckertal Einwohner verloren hat. Neuer Wohnraum, welcher Familien anziehen würde, fehlt aufgrund der falsch gelegenen Baulandreserven.

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