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Reformen haben es auch im Appenzellerland schwer

Kommunale Strukturen Reformen haben es auch im Appenzellerland schwer

Robert Stadler, Stv. Direktor / Leiter Kommunikation IHK

Rolf Inauen in Innerrhoden und die «IG starkes Ausserrhoden» in Ausserrhoden setzen sich für Strukturreformen in ihrem Kanton ein. Mit wenig respektive schleppendem Erfolg: Die Landsgemeinde Innerrhoden hat gerade dieses Jahr wieder eine Initiative für eine Strukturreform abgelehnt. In Ausserrhoden dauert eine jahrelange Diskussion weiter an. Dabei sind die Herausforderungen überall die gleichen: Die Gemeinden kommen immer häufiger an ihre Grenzen.

Am 7. Mai 2006 geschah Denkwürdiges: Damals beschloss die Glarner Landsgemeinde in bewundernswerter Reformfreudigkeit, aus den bislang 25 Ortsgemeinden neu noch drei Gemeinden zu machen. Dabei wollten Regierung und Parlament weniger weit gehen und schlugen zehn Einheitsgemeinden vor. Auf 2011 wurde die Strukturreform umgesetzt. Auch in anderen Kantonen sind ähnliche Bestrebungen im Gange – wenn auch kaum je in dieser Konsequenz. Schliesslich sind die Herausforderungen für die Gemeinden überall ähnlich: So können beispielsweise Ämter häufig kaum mehr besetzt werden.

Amtszwang in Innerrhoden

Dies war auch der Auslöser für den neusten Vorstoss in Appenzell Innerrhoden, um dem Kanton zeitgemässere Strukturen zu geben. Im einwohnerärmsten Kanton der Schweiz sind die Bezirke die unterste Verwaltungseinheit. Die sechs Bezirke (Appenzell, Gonten, Oberegg, Rüte, Schlatt-Haslen und Schwende) entsprechen weitgehend den Gemeinden in den anderen Kantonen und zählen zwischen gut 1000 und rund 6000 Einwohner.

Rolf Inauen, Unternehmer, früherer Grossrat und heutiger Kantonsrichter, reichte 2015 eine Initiative ein, mit der er forderte, die fünf Bezirke «im innern Landesteil» von Innerrhoden aufzulösen. Bei der Enklave Oberegg hätte sich nichts geändert. Die Aufgaben der Bezirke könnte so der Kanton übernehmen – also eine Art Kantonalisierung der Gemeindeaufgaben. Inauens Begründung ist einfach: Aus seiner Sicht stösst das Milizsystem schon längst an seine Grenzen. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass die Posten der 36 Bezirksräte zum Teil nur noch durch das Mittel des Amtszwangs besetzt werden können. Seit den Anfängen der Kantonsverfassung von 1872 besteht die Möglichkeit, Bürger zu verpflichten, ein öffentliches Amt zu übernehmen – ob sie wollen oder nicht.

Doch erst 2012 wurde eine ähnliche Initiative – wenn auch denkbar knapp – abgelehnt. Den erneuten Vorstoss verstand man deshalb vielerorts als Zwängerei. Und so erging es Rolf Inauens Neuauflage nicht besser: Nachdem Regierung und Parlament seine Initiative abgelehnt hatten, wurde sie 2017 auch vom Souverän an der Landsgemeinde bachab geschickt. Alles bleibt beim Alten.

AR: Verfassung verzögert Reform

Bereits seit einigen Jahren werden im Ausserrhoder Parlament die Gemeindestrukturen mittels Vorstössen thematisiert. Eine wichtige Etappe in den letzten Jahren war ein im Kantonsrat eingereichtes Postulat. Dieses beauftragte den Regierungsrat, die Gemeindestrukturen zu analysieren und mögliche Ziele und Entwicklungen sowie Lösungsansätze aufzuzeigen. Die Regierung legte einen Bericht vor und man setzte eine Kommission ein, die einen Vorschlag für das weitere Vorgehen unterbreiten sollte. Doch angesichts seiner Zurückhaltung scheint auch die Ausserrhoder Regierung eine Strukturreform nicht so richtig forcieren zu wollen. Fakt ist: Ohne Änderung der Kantonsverfassung wird sich nichts ändern können. Denn in Artikel 2 werden alle Gemeinden namentlich aufgezählt. Eine Verfassungsrevision ist notwendige Bedingung für eine Strukturanpassung.

Offen ist nur, ob eine Total- oder eine Teil­revision der bessere Weg darstellt. Eine Frage, die offensichtlich nicht einfach zu beantworten ist. Denn nachdem der Kantonsrat im September 2016 den Grundsatzentscheid für eine Totalrevision gefällt hatte, kamen doch wieder Zweifel auf. So wird befürchtet, dass eine Totalrevision aufgrund von Widerständen an verschiedenen Fronten fast zum Scheitern verurteilt ist. Der Regierungsrat ging nochmals über die Bücher, kam aber wieder zum selben Schluss: Er empfiehlt eine Totalrevision der Verfassung. Aus Sicht der Regierung wäre eine Teilrevision nicht zielführend, da die Reformanliegen nicht nur die Gemeinde- und Kantonsstrukturen, sondern auch die politischen Rechte beinhalten.

Eine andere Position nimmt die «Interessengruppe starkes Ausserrhoden» ein. Die 2014 gegründete IG unter der Leitung des ehemaligen Kantonsrates Roger Sträuli ist treibende Kraft für eine Strukturreform. «Die IG plädiert nicht zuletzt aufgrund der Zeitverhältnisse sowie der Einbusse an Handlungsfähigkeit für Teilrevisionen und wird sich dazu anlässlich der zweiten Lesung im Kantonsrat nochmals einbringen», erklärt Sträuli. Bald wird sich weisen, wie es weitergeht: Im Frühling 2018 soll das Ausserrhoder Stimmvolk einen Grundsatzentscheid für oder gegen eine Totalrevision fällen können. Gleichzeitig bereitet die IG eine Initiative vor, um endlich Bewegung in die Strukturdebatte zu bringen.

Einfache Grenzziehung?

Die Diskussionen zeigen: Auch im Appenzellerland gelten die gleichen Herausforderungen für die kommunale Ebene. Das Erfüllen vieler Kernaufgaben bedingt eine Mindestgrösse der Verwaltung. Würde man das auf den vorangegangenen Seiten für den Kanton St.Gallen vorgestellte Modell «Evolution» auf die beiden Appenzell anwenden, so könnte die Aufteilung denkbar einfach sein. Geht man von der im Modell postulierten Idealgrösse von ungefähr 15 000 Einwohnern pro Gemeinde aus, dann bestünde Appenzell Innerrhoden mit seinen 16 000 Einwohnern noch aus einer (kantonalisierten) Gemeinde, und der Kanton Appenzell Ausserrhoden mit 55 000 Einwohnern liesse sich in drei Gemeinden aufteilen, deren Struktur bereits traditionell in den Köpfen verankert ist: Vorderland, Mittelland und Hinterland.

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