Sie sind hier

Neue Stiftung für das St. Galler Textilmuseum

Antrag an die Generalversammlung Neue Stiftung für das St. Galler Textilmuseum

Das heutige Textilmuseum wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts von der Vorläuferin der IHK St. Gallen-Appenzell, dem Kaufmännischen Directorium, als Schule für Textilentwerfer gegründet. Mittlerweile wird das Textilmuseum nicht mehr als Ausbildungsstätte von Industrie und Gewerbe genutzt. Im Vordergrund steht heute ein kultureller Auftrag, der sich nur bedingt mit den statutarischen Aufgaben der IHK vereinbaren lässt. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der IHK, der IHK-Stiftung und dem Verein Textilmuseum suchte deshalb nach einer Lösung, um die heute nicht mehr sinnvolle Verflechtung zwischen verbandspolitischen und kulturellen Aufgaben aufzulösen. Der ausgearbeitete Vorschlag sieht die Gründung einer «Stiftung Textilmuseum St. Gallen» vor, in welche die Liegenschaft sowie weitere Vermögenswerte eingebracht werden.

Kompetenzzentrum für Textilgestaltung im «Palazzo Rosso»

Im Jahre 1867 gründete das Kaufmännische Directorium eine Schule für Musterzeichner. Neue und alte Textilien wurden als Vorlagen für die Entwerfer gesammelt. 1886 zog das Industrie- und Gewerbemuseum in den Neubau an der Vadianstrasse 2 – den «Palazzo Rosso», wie das Gebäude im Volksmund bald einmal genannt wurde. Zusammen mit der Zeichnungsschule und der Textilbibliothek bildete das Industrie- und Gewerbemuseum ein Kompetenzzentrum für Textilgestaltung. Die Textilsammlung wurde laufend erweitert und kam immer wieder in den Genuss privater Schenkungen. Die Sammlung des Textilmuseums umfasst derzeit rund 30 000 Objekte: Gewebe aus ägyptischen Grabfunden, historische Stickereien seit dem 14. Jahrhundert, handgearbeitete Spitzen bedeutender europäischer Zentren sowie Hand- und Maschinenstickereien der Ostschweizer Produzenten. Heute konzentriert sich das Textilmuseum auf die Ausstellungstätigkeit, den Erhalt und die Bearbeitung der Sammlungen sowie die Führung der Textilbibliothek. Nicht mehr angeboten werden die Ausbildungsmodule der ehemaligen Fachschule für textiles Gestalten. Die Schweizer Textilfachschule STF konzentriert ihre Ausbildungstätigkeit auf die Standorte Zürich, Wattwil und das Gebäude an der Fürstenlandstrasse 142 in St. Gallen.

Statutarische Verbandsaufträge und kulturelle Aufgaben

Bei der Fusion des Kaufmännischen Directoriums und des Handels- und Industrievereins des Kantons St. Gallen und der Gründung der IHK St.Gallen-Appenzell im Jahre 1991 verzichtete man auf eine Entflechtung der traditionellen textilen Institutionen mit der neuen Verbandsorganisation. In der Stiftungsurkunde der «Stiftung der Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell» (IHK-Stiftung) wurde festgelegt, dass der Präsident und die Mehrheit der Stiftungsräte Vertreter der Textilwirtschaft sein müssen. Gemäss Artikel 2 der Stiftungsurkunde bezweckt die IHK-Stiftung die Unterstützung der Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell bei der Erfüllung ihrer öffentlichen und gemeinnützigen Aufgaben. Dazu gehören die Führung des Textilmuseums und die Betreuung der Textilsammlung. Diese Aufgaben wurden im Jahre 2012 an den Verein Textilmuseum übertragen. Das Gebäude Vadianstrasse 2 ist im Eigentum der IHK St. Gallen-Appenzell. Diese stellt die Liegenschaft dem Verein Textilmuseum unentgeltlich zur Verfügung. Obwohl die IHK St. Gallen-Appenzell keinen Mietzins verlangt, steht sie als Hauseigentümerin haftungsrechtlich in der Verantwortung. Dies ist insbesondere mit Blick auf die vom Amt für Feuerschutz des Kantons St. Gallen beanstandete fehlende Personensicherheit problematisch: Die heutigen Einrichtungen erfüllen die gesetzlichen Anforderungen an den Brandschutz eines als öffentliches Museum genutzten Gebäudes nicht.
Diese Verflechtungen führten in der jüngeren Vergangenheit immer wieder zu Diskussionen. Im Gegensatz zur ursprünglichen Zweckbestimmung ist das Textilmuseum nicht mehr Teil der Ausbildungsangebote von Industrie und Gewerbe. Im Vordergrund steht heute ein kultureller Auftrag, der sich nur bedingt mit den statutarischen Aufgaben der IHK St. Gallen-Appenzell vereinbaren lässt. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der IHK St. Gallen-Appenzell, der IHK-Stiftung und des Vereins Textilmuseum suchte daher nach einer Lösung, die den historischen Verpflichtungen der IHK St. Gallen-Appenzell gerecht wird und gleichzeitig die notwendige Trennung von verbandspolitischen und kulturellen Aufgaben vorsieht.

Vorschlag zur Entflechtung

Der erarbeitete Vorschlag zeichnet sich durch folgende Eckpunkte aus:

  • Die IHK St. Gallen-Appenzell gründet die «Stiftung Textilmuseum St. Gallen» (Textilmuseum-Stiftung).
  • Die IHK St. Gallen-Appenzell überträgt ihre Liegenschaft Vadianstrasse 2 mit einem Marktwert von 11,25 Mio. Franken an die Textilmuseum-Stiftung.
  • Die IHK-Stiftung überträgt die Hälfte ihres Vermögens (8 Mio. Franken), ihre Textilsammlung und die Textilbibliothek an die Textilmuseum-Stiftung.
  • In der Stiftungsurkunde der IHK-Stiftung wird die Bestimmung gestrichen, dass der Präsident und die Mehrheit der Stiftungsräte Vertreter der Textilwirtschaft sein müssen.

Mit diesem Vorgehen werden diejenigen Vermögenswerte der IHK St. Gallen-Appenzell sowie der IHK-Stiftung, die bereits heute ausschliesslich für das Textilmuseum verwendet werden, in eine eigenständige Stiftung eingebracht. Diese bezweckt die Führung des Textilmuseums in der der Textilmuseum-Stiftung durch die IHK St. Gallen-Appenzell gewidmeten Liegenschaft und die Pflege des ihr in der Folge nach der Stiftungserrichtung durch die IHK-Stiftung weiter zugewendeten Sammlungsbestandes auf Dauer sicherzustellen.

Öffentliche und gemeinnnützige Aufgaben der IHK unterstützen

Mit dem nach der Entflechtung in der IHK-Stiftung verbleibenden Vermögen kann diese ihren Auftrag gemäss Artikel 2 Stiftungsurkunde, nämlich die Unterstützung der IHK St. Gallen-Appenzell bei der Erfüllung ihrer öffentlichen und gemeinnützigen Aufgaben ausserhalb des Textilmuseums, weiterhin erfüllen. Eine Verpflichtung für das Textilmuseum entfällt, da dessen Führung und Finanzierung der neu geschaffenen Textilmuseum-Stiftung obliegt.
Die vorgeschlagenen Transaktionen wurden aus steuerlicher und stiftungsrechtlicher Hinsicht geprüft. Sie entsprechen den Vorgaben des Stiftungsrechts und lösen keine Grundstückgewinnsteuer aus. 
Gemäss Art. 10 Ziff. 5 der Statuten der IHK St. Gallen-Appenzell fällt die «Beschlussfassung über wesentliche Veränderungen, Verkauf, Fusion oder Liquidation der Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell gehörenden Institutionen in die Zuständigkeit der Generalversammlung». Die Übertragung der Hälfte des Vermögens der IHK-Stiftung, der Textilsammlung und der Textilbibliothek hingegen liegen in der Verantwortung des Stiftungsrates der IHK-Stiftung.

Antrag an die Generalversammlung

Die Generalversammlung der Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell vom 20. Juni 2018 beschliesst, die Liegenschaft Vadianstrasse 2 (Textilmuseum) an eine neu zu gründende «Stiftung Textilmuseum St.Gallen» zu übertragen. Dies unter der Voraussetzung, dass in der Stiftungsurkunde der «Stiftung der Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell» die Bestimmung gestrichen wird, dass der Präsident und die Mehrheit der Stiftungsräte Vertreter der Textilwirtschaft sein müssen.

Diese Beiträge könnten
Sie ebenfalls interessieren: