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«Gegenvorschlag zur Initiative schafft Verbindlichkeit»

Bundesrätin Karin Keller-Sutter zu Besuch im Rheintal «Gegenvorschlag zur Initiative schafft Verbindlichkeit»

KVI - Karin Keller-Sutter zu Besuch im Rheintal
23. November 2020 | Wie sind Ostschweizer Unternehmen ganz konkret von der Konzernverantwortungsinitiative betroffen? Am Montag nahmen Bundesrätin Karin Keller-Sutter und weitere namhafte Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik bei SFS in Heerbrugg Stellung. Zum Mediengespräch eingeladen hatten die SFS Group AG, die IHK St.Gallen-Appenzell und der AGV Arbeitgeberverband Rheintal.

Bundesrätin Karin-Keller Sutter warnte im Rahmen eines Mediengesprächs bei SFS gemeinsam mit CVP-Ständerat Benedikt Würth vor den gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen der Konzernverantwortungsinitiative. Doch für einmal standen nicht juristische Argumente, sondern die Sicht der Unternehmen im Vordergrund. So konkret wie die ebenfalls anwesenden Jens Breu (CEO SFS) oder Unternehmerin und SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr werde sie die Argumente gegen die Initiative denn auch nicht erklären können, eröffnete die Bundesrätin ihre Rede. Für diese beiden Personen sei die Initiative nämlich nicht bloss Theorie – als Unternehmerpersönlichkeiten seien sie unmittelbar von den Auswirkungen betroffen.

«Ein Lieferkettengesetz auf dem Rücken der KMU»

Die Ernst Fischer AG ist ein über hundertjähriger Familienbetrieb im Stahl- und Metallbaubereich mit rund 80 Mitarbeitenden. Für SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr, Mitinhaberin und Verwaltungsratsmitglied des Unternehmens, ist klar: «Bei genauerer Betrachtung des Initiativtexts ist die Aussage falsch, dass nur einige wenige Konzerne getroffen würden.» Gewerbliche Zulieferer wie die Ernst Fischer AG wären nicht zuletzt durch verschärfte Lieferantenverträge von den Auflagen der Initiative betroffen. «Und dass wir die Lieferketten bis zum letzten Einzelteil rückverfolgen oder uns bestätigen lassen müssten, ist illusorisch und administrativ für einen KMU-Betrieb schlicht nicht machbar.»

Zusammenarbeit im Ausland erheblich erschwert

Ähnliche Schwierigkeiten sieht man bei SFS, dem Heerbrugger Spezialisten für mechanische Befestigungssysteme und Präzisionskomponenten. Das Traditionsunternehmen ist mit seinen rund 10'000 Mitarbeitenden auf der ganzen Welt tätig. CEO Jens Breu betont: «Die Einhaltung der Menschenrechte ist als zentrales Anliegen in unserem Leitbild verankert und bei der Auswahl von Geschäftspartnern ein ausschlaggebendes Kriterium.» Dennoch befürchtet auch er erhebliche Nachteile bei einer Annahme der Initiative: «Sie müssen sich vorstellen, dass SFS rund um die Welt lokal eng mit Lieferpartnern zusammenarbeitet, die typischerweise kleinere Unternehmen sind.» Diese seien zum Beispiel als Produzenten von Kaltumformdraht, in der Oberflächenbehandlung oder in der Gebäudereinigung tätig. «Viele dieser Lieferanten sind wirtschaftlich von uns abhängig, obwohl sie dies in der Regel bewusst nicht offenlegen.» Gemäss der Konzernverantwortungsinitiative würde SFS für die Handlungen dieser eigenständigen, aber wirtschaftlich abhängigen Zulieferer haften. In der Praxis verortet Jens Breu dabei erhebliche Probleme für die Zusammenarbeit mit den lokalen Partnern: «Gerade für kleine und mittlere Firmen im In- und Ausland wirkt die Initiative kontraproduktiv, da sie sich keinen Kontrollapparat leisten können und somit zum Risiko als Lieferpartner für Schweizer Firmen werden.»

Keine Lex Glencore

Benedikt Würth, Ständerat und ehemaliger Volkswirtschaftsdirektor des Kantons St.Gallen, ordnete die Folgen der Initiative derweil in den Gesamtkontext für die Ostschweiz ein. Er hob hervor, dass für die in der Ostschweiz stark verankerte Industrie und ihre gewerblichen Zulieferer am 29. November viel auf dem Spiel stehe. Die Initiative werde als Lex Glencore verkauft – man müsse etwas gegen die «schwarzen Schafe der Konzerne» tun. «Neue Regulierungen betreffen aber alle Schafe. Und davon gibt es gerade in der Ostschweiz sehr viele.» Denn die grossen Unternehmen wären gezwungen, die Haftungsrisiken vertraglich weitgehend auf die Kleinen abzuwälzen. Es sei daher naiv zu glauben, dass die Initiative keine Auswirkungen auf die KMU habe, zeigte sich Benedikt Würth überzeugt. Er appellierte deshalb, auf einen «Swiss Finish» zu verzichten – erst recht in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Ein Nein zur Initiative ist ein Ja zum Gegenvorschlag

Das Schlusswort an der Veranstaltung hatte Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Für sie ist klar, dass die Initiative sehr weit geht: Im internationalen Vergleich einzigartig sei insbesondere die neue Haftungsnorm, welche die Initiative vorsehe. Sie hielt fest, dass ein Schweizer Unternehmen schon heute im Ausland hafte, wenn es einen Schaden anrichtet – jedoch nur für jene Schäden, welche das Unternehmen selbst verursacht. Deshalb plädiere der Bundesrat wie auch das Parlament für den Gegenvorschlag, der bei einem Nein zur Initiative in Kraft tritt: «Mit dem Gegenvorschlag nehmen wir Unternehmen erstmals verbindlich in die Pflicht, über Risiken für Mensch und Umwelt transparent zu berichten und darzulegen, wie sie diese Risiken verhindern.» Bereits der Gegenvorschlag wäre für viele Unternehmen eine Herausforderung, würde jedoch auf die schädlichsten Elemente der Initiative verzichten, so das Fazit der Bundesrätin.


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