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Unfairer Wettbewerb

Doppelmoral beim Einkaufen in Bahnhöfen und Flughafen Unfairer Wettbewerb

Dr. Kurt Weigelt

Mit staatlichen Vorschriften will man den Konsumenten zum korrekten Verhalten erziehen: Man soll seine Einkäufe nicht mit dem Auto erledigen und schon gar nicht zu ­Unzeiten wie am Sonntag oder keinen Tabak und Alkohol konsumieren. Solche Einschränkungen gelten aber schnell nicht mehr, wenn es um sogenannte öffentliche Interessen geht. Paradebeispiel ist der Flughafen Kloten mit seinen 17 000 Parkplätzen, ­täglich ­geöffneten Shops und dem Duty-free-Bereich.

Die Bundesverfassung geht davon aus, dass Herr und Frau Schweizer mit vollendetem 18. Altersjahr mündig sind. Ihnen stehen alle politischen Rechte zu. Weniger Vertrauen bringt die öffentliche Hand dem Einzelnen als Konsument entgegen. Hier gilt es, ihn vor sich selbst zu schützen. Mit staatlich vorgeschriebenen Ladenöffnungszeiten wird sichergestellt, dass die Sonntagsruhe und der Familien­tisch nicht durch offene Läden gestört werden. Autofahrende Kunden will man mit einer restriktiven Parkplatzpolitik vom segensreichen öffentlichen Verkehr überzeugen. Und mit prohibitiven Steuern auf Alkohol und Tabak bestraft man politisch unerwünschten Konsum.

Wenn zwei das Gleiche tun

So weit, so schlecht. Das Bild des moralisch vorbildlichen Väterchen Staat, das uns unmündigen Bürgerinnen und Bürgern das richtige Verhalten beibringt, relativiert sich allerdings rasch einmal, wenn es um sogenannte öffentliche Interessen geht. Dies zeigt beispielhaft der Flughafen Kloten, der zu einem wichtigen Teil im Eigentum von Kanton und Stadt Zürich steht. Hier gelten eigene Regeln. Dieselben Behörden, die dem Gewerbe in der Stadt Zürich einen beispiellosen Parkplatzkrieg lieferten, bewilligten dem Flughafen Kloten nicht weniger als 17 000 (!) Parkplätze. In eigener Sache verflüchtigen sich rasch einmal auch die Bedenken gegenüber dem Konsum von Alkohol und Tabak. Im Duty-free-Bereich des Flughafens kann man beides mehrwertsteuer- und abgabefrei kaufen. Prävention über den Preis? Fehlanzeige. Grosszügig auch die Öffnungszeiten: Lebensmittel beschafft man sich im Airport Center täglich von 06.00 Uhr bis 23.00 Uhr. Vergleichbar, wenn auch etwas weniger grosszügig, sind die staats­eigenen Bundesbahnen. Während bei den Geschäften rund um den Hauptbahnhof St. Gallen spätestens um sieben Uhr Ladenschluss ist, gilt im Bahnhof «365 Tage im Jahr, von früh bis spät abends». Wenn zwei das Gleiche tun, so ist es noch lange nicht dasselbe.

Staatliche Doppelmoral

Die einschränkenden gesetzlichen Bestimmungen rund um den Einzelhandel werden in der politischen Diskussion mit hohen moralischen Ansprüchen gerechtfertigt. Man spricht vom Schutz der Familie, von der Sonntagsruhe, dem Klimawandel und der Suchtprävention. All diese hehren Ziele verlieren dann ihre Bedeutung, wenn es nicht um private Geschäfte, sondern um die öffentliche Hand und ihre kommerziellen Interessen geht. Wie das Beispiel der SBB zeigt, gilt das ganz besonders für Gewerkschafter und Sozialdemokraten. Spätestens wenn die Ansprüche des Service public zur Diskussion stehen, rollt die Linke ihre roten Fahnen und Spruchbänder ein. Im Kampf gegen das private Kapital bleibt kein Platz für Moral. Hier heiligt der Zweck die Mittel.