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Spielball direkte Demokratie

Politmarketing statt Problemlösung Spielball direkte Demokratie

Dr. Kurt Weigelt, Direktor IHK

Die linken und rechten Polparteien betreiben politisches Marketing auf Kosten unserer direkten Demokratie. Unser Inititiativrecht wird immer häufiger missbraucht, um mit unrealistischen Forderungen Stimmung zu machen. Damit werden ausgerechnet diejenigen zu den Totengräbern der direkten Demokratie, die sich bei jeder anderen Gelegenheit als Gralshüter der Volksrechte feiern lassen.

Als ich anlässlich einer Abstimmungsveranstaltung im Toggenburg den SVP-Vertreter auf die Umsetzungsprobleme der Masseneinwanderungsinitiative ansprach, konterte er mit einer bemerkenswerten Antwort. Er hielt fest, dass dies nicht das Problem der SVP, sondern einzig des Bundesrates sei. Ein Statement von verblüffender Ehrlichkeit. Offensichtlich stellte man sich seitens der Initianten zu keinem Zeitpunkt die Frage nach dem Vollzug. Vielmehr ging es darum, die eigene politische Haltung in einer möglichst griffigen Initiative zu verdichten und die eigenen Wähler zu mobilisieren. Dazu gehört, dass die SVP im Verfassungstext marktschreierisch vom Vorrang für Schweizerinnen und Schweizer spricht und daraus später klammheimlich einen Inländervorrang machte. Hauptsache, man dominiert die öffentliche Diskussion und kann die Bundesräte und die Parlamentarier, die sich mit der Umsetzung der nicht vollziehbaren Initiative befassen, als Handlanger der EU diskreditieren.

Politisches Marketing

Nicht besser sieht es auf der linken Seite aus. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Sozialisten und Gewerkschafter aus ideologischen Gründen den privat organisierten Pensionskassen an den Kragen wollen und von einer Volkspension träumen. Alle Macht dem Staat. Und es ist sogar vorstellbar, dass die Linke Rentner mit einer kleinen AHV unterstützen will. Nur, die AHVplus-Initiative schlug etwas ganz anderes vor. Von der pauschalen Erhöhung der AHV-Rente um 10 % hätten vor allem Gutverdienende profitiert. Ständerat Paul Rechsteiner beispielsweise, der kurz vor der Pensionierung steht, hätte die Initiative bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung zusätzlich rund 50 000 Franken an Rente eingebracht. Viele EL-Bezüger dagegen wären leer ausgegangen. Nicht anders als die SVP bei der Masseneinwanderungsinitiative orientierten sich die Gewerkschaften bei der Formulierung ihrer Initiative nicht an der Lösung eines angeblichen Problems, sondern an den Gesetzmässigkeiten des politischen Marketings. Heute machen die Wahlberechtigten über 50 Jahre die Mehrheit des Stimmvolkes aus. Konsequenterweise entschieden sich die Gewerkschafter für einen Initiativtext, der dieser Mehrheit finanzielle Vorteile in Aussicht stellte. Erfreulicherweise hat das Stimmvolk diesen billigen Trick durchschaut und die AHVplus-Initiative an der Urne versenkt.

Zweck heiligt Mittel

Die linken und rechten Polparteien haben etwas gemeinsam. Sie verstehen es, das Initiativrecht als Spielball ihrer politischen Strategien zu instrumentalisieren. Dass sich damit ausgerechnet diejenigen Kräfte zu den Totengräbern der direkten Demokratie machen, die sich bei jeder anderen Gelegenheit als die Gralshüter der Volksrechte und der Mitbestimmung feiern, wird in Kauf genommen. Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel. Bedauerlich und nicht entschuldbar.