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Die Schweiz hat Optionen – der Status Quo ist keine

Alternativen in der Europapolitik (1/5) Die Schweiz hat Optionen – der Status Quo ist keine

Zwanzig Jahre nach Inkrafttreten der Bilateralen I steht die Schweiz erneut an einem Wendepunkt in der Europapolitik. Seit dem Verhandlungsabbruch beim institutionellen Abkommen ist unklar, wie es in den bilateralen Beziehungen zur EU weitergehen soll. Fest steht immerhin, dass der aktuelle Schwebezustand keine gangbare Option ist.

 

Dieser Artikel ist der erste Teil einer Serie über die europapolitischen Alternativen der Schweiz. Zur Übersicht 


Die EU ist für die Ostschweizer Wirtschaft von grosser Bedeutung. Einerseits sind die Beziehungen mit den europäischen Regionen eng: Alleine über 15'000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger pendeln täglich in die Ostschweiz, dazu kommen Fachkräfte aus ganz Europa, die hier arbeiten. Andererseits ist der Handel mit der EU sehr wichtig: 63,7% aller Ostschweizer Exporte gehen in die EU, davon über die Hälfte in die Nachbarländer Deutschland und Österreich.

Der bilaterale Weg erodiert

Heute, unter den Bilateralen I und II sowie ergänzenden Verträgen, nimmt die Schweiz sektoriell am europäischen Binnenmarkt teil. Über diese Teilnahme wird der Ostschweizer Wirtschaft in vielen Bereichen ein präferenzieller Zugang, teilweise auch eine nahezu gleichberechtigte Stellung im europäischen Binnenmarkt ermöglicht. Eine einzigartige Position: Die Schweiz entscheidet, in welchen Bereichen sie teilnehmen will und in welchen nicht.

Doch seit dem Verhandlungsabbruch beim institutionellen Abkommen verlieren die Bilateralen I schleichend ihre Bedeutung. Da die EU den Fortbestand dieser Verträge von einer Lösung bei den institutionellen Fragen abhängig macht, stimmt sie Anpassungen an das geltende Binnenmarktrecht nicht mehr zu. Solche Anpassungen sind aber die Grundvoraussetzung dafür, dass die Bilateralen I richtig funktionieren. Durch Abwarten wird somit die Binnenmarktteilnahme von zusehends mehr Branchen der Schweizer Wirtschaft der Vergangenheit angehören, auf absehbare Zeit. Gleichzeitig sind Verhandlungen zu neuen Abkommen im Interesse der Schweiz, zum Beispiel beim Strommarkt, blockiert.

Negative Konsequenzen nehmen zu

Was bedeutet das in der Summe für die Ostschweizer Wirtschaft? Zunächst herrscht aktuell eine hohe Rechtsunsicherheit für die Unternehmen, da die zukünftigen Beziehungen zur EU unklar sind. Dies wirkt sich unter anderem negativ auf Investitionen in den Standort aus. Dazu kommen nach und nach höhere Hürden für das grenzüberschreitende Wirtschaften. Damit sinkt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Exporteure, und gleichzeitig werden Importe teurer.

Der aktuelle Schwebezustand ist deshalb keine zukunftsfähige Lösung für die Wirtschaftsbeziehungen zur EU. Erste Branchen sehen sich bereits heute mit erhöhten Hindernissen im Handel zwischen der EU und der Schweiz konfrontiert (Medizinaltechnik), weitere werden in den nächsten Jahren folgen (z.B. Maschinenindustrie). Zudem wird auf absehbare Zeit auch der reibungslose Grenzverkehr im Bodenseeraum gefährdet. In Anbetracht der grossen Verflechtung der Ostschweizer Wirtschaft mit Europa wäre dies ein eklatanter Rückschritt, mit direkten Auswirkungen auf den Wohlstand der Region.

Immerhin: Dieser Weg ist nicht alternativlos. In den Beziehungen zu Europa hat die Schweiz verschiedene Optionen, von einem reinen Freihandelsabkommen bis zum EU-Beitritt. In den folgenden Beiträgen wird diesen verschiedenen Optionen nachgegangen.

 

 

IHK-Vademecum zu den bilateralen Beziehungen

Die EcoOst-Publikation "Wie weiter in der Europapolitik? Handlungsbedarf und Alternativen" gibt einen Überblick über die europapolitischen Optionen der Schweiz und leitet die gemeinsame Position der IHK St.Gallen-Appenzell und Thurgau her. Das Vademecum soll den Mitgliedern und einer interessierten Öffentlichkeit als Nachschlagewerk in diesem komplexen Dossier dienen und sie zu einer detaillierten Befassung mit der europapolitischen Zukunft der Schweiz einladen.