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Sanierungsfall öffentliche Pensionskassen

Unterschiede bei der Altersvorsorge bei Privatwirtschaft und Staat Sanierungsfall öffentliche Pensionskassen

Michael Götte

Die Kantone stehen vor der Herausforderung, ihre Pensionskassen ins Lot zu bringen. Nebst der Unternehmenssteuerreform III und den unsicheren Ausschüttungen der Nationalbank gehört dies zu den meistdiskutierten finanziellen Risiken der öffentlichen Hand. Der Deckungsgrad ihrer Pensionskassen liegt tiefer als in der Privatwirtschaft. Auch hier besteht der bekannte «Backup-Plan»: Wenns nicht mehr reicht, wird der Steuerzahler gerufen.

Die Vorsorgeeinrichtungen für Angestellte des öffentlichen Sektors zeichnen seit vielen Jahren ein düsteres Bild, das sich nicht so einfach korrigieren lässt. Viele der Pensionskassen haben einen Deckungsgrad von unter 100 Prozent, die Anlagevermögen sind bei ihnen also kleiner als die Vorsorgeverpflichtungen. Die Rahmenbedingungen in der beruflichen Vorsorge haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert: häufigere Stellenwechsel, eine höhere Lebenserwartung, unsichere Entwicklungen der Kapitalmärkte und schliesslich neue bundesrechtliche Vorgaben. Die gesetzlichen Anpassungen bei der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge aus dem Jahr 2010 haben erhebliche finanzielle und institutionelle Konsequenzen für die Vorsorgeeinrichtungen der öffentlich-rechtlichen Körperschaften.

Sünden der Vergangenheit

Trotz diverser Massnahmen fehlten laut Bundesamt für Statistik Ende 2014 noch über 30 Milliarden Franken in den staatlichen Kassen, zu denen auch diejenigen der Gemeinden und weiterer Institutionen zählen. Der Betrag kann aber auch deutlich höher ausfallen, je nachdem mit welchem technischen Zinssatz1 man die künftigen Verpflichtungen bemisst. Der Trend bei den technischen Zinsen hat bereits zu Sätzen von unter 2 % geführt, was angesichts der heutigen Zinssituation plausibel ist. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Vorsorgeeinrichtungen, welche noch Werte von über 3 % anwenden, weiter reduziert. Es sind bei den privatrechtlichen Kassen bloss noch 26 % und bei den öffentlich-rechtlichen 34 % (siehe Abbildung 1).

Teilweise tun sich riesige Löcher auf: Während die Pensionskasse von Appenzell Innerrhoden mit einem Deckungsgrad von 105,4 Prozent am besten dasteht, liegt am anderen Ende der Skala die Genfer Kasse bei gerade einmal 59,8 Prozent. Das sind Werte, die für private Einrichtungen nie und nimmer akzeptiert würden (siehe Abbildung 2).

Wie kam es überhaupt so weit? Lange Zeit hiess es, der Staat müsse seine Arbeitgeberbeiträge an die eigenen Vorsorgeeinrichtungen nicht vollumfänglich leisten. Dies, weil er im Gegensatz zu privatrechtlichen Arbeitgebern nicht Konkurs gehen kann und ein Nachzahlen somit auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist. Es wurde ganz nach dem Prinzip Hoffnung gehandelt.

Für manche Kantone wäre die bundesrechtliche Anpassung aus dem Jahr 2010 beinahe ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, weshalb sie erfolgreich für ein viel grosszügigeres Alternativmodell lobbyierten. Demnach dürfen sich die Kantone anstelle von 10 neu 40 Jahre Zeit lassen, um einen Deckungsgrad von lediglich 80 Prozent zu erreichen, wenn sie im Gegenzug ihre Vorsorgeeinrichtungen formell mit einer Staatsgarantie versehen.

Grund für Optimismus?

In der Tat hat sich die Lage der Pensionskassen jüngst verbessert. Mit einigen Ausnahmen sind die Deckungsgrade letztes Jahr gestiegen. Zu verdanken ist dies der generell guten Anlageperformance bei Pensionskassen, aber auch den Sanierungsmassnahmen, welche die meisten Kantone wohl oder übel an die Hand genommen haben. Das Stimmvolk spielte bisher mit. In einzelnen Kantonen wurden Geldspritzen bis zur Milliardenhöhe gesprochen. So beschreiten nun etliche Kantone den Weg, den vor Jahren der Bund mit seiner Pensionskasse ging. Die heutige Publica musste damals mit Dutzenden Milliarden Franken saniert werden. Bei einem Deckungsgrad von 100,1 Prozent steht die Nachfolgerin der berüchtigten «Chaoskasse» heute relativ gut da.

Situation in den Kantonen

St. Gallen

Die Regierung des Kantons St. Gallen wollte in diesem Jahr eine Abstimmung durchführen, um erneut 202 Millionen Franken in die neue Pensionskasse einzulegen. Im Juni 2013 fand der letzte Urnengang zu diesem Thema statt. Damals sollten die Pensionskassen des Staatspersonals und der Volksschullehrer verselbstständigt und in der Stiftung «St. Galler Pensionskasse» (SGPK) zusammengeführt werden. Der Kanton tat dies aufgrund der erwähnten Bundesvorschriften. Beide Kassen wiesen eine Unterdeckung auf, die mit 287 Millionen Franken durch den Steuerzahler und 71,8 Millionen Franken (als politischer Kompromiss) durch die Versicherten gestopft wurde. Die St. Gallerinnen und St. Galler stimmten dem Geschäft mit 70,4 Prozent zu – auch weil an der Verselbstständigung und Sanierung ohnehin kein Weg vorbeiführte. Die geplante erneute Einlage wäre ein freiwilliger Schritt der Regierung, der aber bereits bei der Verselbstständigung im Jahr 2013 vage in Aussicht gestellt wurde. Mit dieser Zahlung sollen die Rentenverpflichtungen gesichert werden, die damals vom Kanton an die SGPK übertragen wurden. Auf den 1. Januar 2016 wurde auf Beschluss des Stiftungsrates der technische Zins auf 3,0 Prozent gesenkt und die Generationentafel eingeführt. Die Ausfinanzierung auf das Jahr 2014 basierte auf einem technischen Zinssatz von 3,5 Prozent. Diese Annahme war zu optimistisch. An der aktuell geplanten Sanierung sollen sich die Arbeitnehmenden nicht erneut beteiligen müssen. Es wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft weitere Sanierungen nötig werden – mit Beteiligung der Versicherten.

Die Finanzkommission des Kantonsrates hat das Geschäft zurückgestellt. Die SGKP ist nun zusammen mit der Regierung gefordert, der Kommission einen mehrheitsfähigen Vorschlag zu unterbreiten. Dieser muss weitsichtig, fair und wirtschaftsverträglich sein. Eine politische Debatte ist erst Anfang 2017 vorgesehen.

Appenzell Ausserrhoden

Da die Pensionskasse von Appenzell Ausserrhoden (PKAR) die Anforderungen der Vollkapitalisierung bereits nach ursprünglichen Vorgaben erfüllt, beschränkt sich der Anpassungsbedarf aus der BVG-Revision vor allem auf den Bereich der Autonomie. In dieser Hinsicht ging es nicht um einschneidende Veränderungen, weil die PKAR bereits seit 1989 eine selbstständige Einrichtung des öffentlichen Rechts ist und überdies 2006 organisatorisch aus dem Finanzamt ausgegliedert wurde. Somit bestand der zwingende Anpassungsbedarf im Wesentlichen darin, dass der Kanton ab 2014 nicht mehr die Leistungen und die Finanzierung regeln kann.

Aufgrund der geringeren Anlagerenditen hat die PKAR per 31. Dezember 2015 den technischen Zinssatz von 2,75 auf 2 Prozent gesenkt, ohne dass dabei die Renten betroffen sind. Mit diesem Entscheid reagiert die PKAR auf die weiter gesunkenen Renditeerwartungen infolge der rekordtiefen Zinsen. Mit diesem Schritt erhöhen sich die Vorsorgeverpflichtungen. Gleichzeitig nahm der Deckungsgrad von rund 108 Prozent auf rund 100 Prozent ab. Die finanzielle Lage der PKAR bleibt durch die Senkung des technischen Zinssatzes unverändert, die Verpflichtungen und der Deckungsgrad werden jedoch realistischer dargestellt. Die Entwicklung wird auch weiterhin ein Thema sein und mögliche Sanierungsmassnahmen sind nicht ausgeschlossen.

Appenzell Innerrhoden

Trotz der erwähnten Veränderungen bleibt die Kantonale Versicherungskasse KVK solide und beständig. Im Vergleich zu anderen öffentlich-rechtlichen Pensionskassen befindet sie sich in einer hervorragenden finanziellen Verfassung. In der Zukunft notwendige Anpassungen können deshalb vorbereitet und mit Bedacht gewählt werden – damit die gute Ausgangslage weiterhin bestehen bleibt.