Venedig – neuer Seminarraum zum Jubiläum Mit venezianischem Spitzenmuster zurück in die Zukunft
Wir stehen im neuen Seminarraum der IHK – welche Bedeutung hat er für Sie, Markus Bänziger?
Dieser neue Raum soll als Treffpunkt von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft dienen – aber auch für Schulungen und Seminare. Zudem wollen wir den Raum so wie unseren Festsaal unseren Mitgliedern zu bevorzugten Konditionen bereitstellen. Ganz so wie es die Gründungsmitglieder der Gesellschaft zum Notenstein auch pflegten: Versammlungen und geselliges Beisammensein.
Sie sprechen von den Gründungsmitgliedern: Hat der Seminarraum demnach auch einen geschichtlichen Hintergrund?
Bänziger: Ja genau. Das kaufmännische Directorium hat unseren heutigen Geschäftssitz an der Gallusstrasse 16, das 1830 als Stadtvilla erbaute Haus zum Engelskopf, 1864 bezogen. Dies, nachdem es fast 100 Jahre im Nachbargebäude «Stadthaus» die Verwaltungsgeschäfte und den Postdienst für St.Gallen betrieben hatte. In den 1960er-Jahren entstanden im vormaligen Innenhof zur Schmiedgasse ein Garagentrakt und darüberliegende Büroräumlichkeiten. Aus Platznot, denn die vom Kaufm. Directorium gegründete und getragene Ausgleichskasse für Handel und Industrie sowie die eigene Bank expandierten. Nach der Aufgabe der Bankgeschäfte in den späten 60er-Jahren und dem fusionsbedingten Auszug der Ausgleichskasse mit der gleichnamigen Thurgauer Kasse in den 90er-Jahren waren die Räume unternutzt.
Und wie sieht es mit der Zukunft aus?
Der Seminarraum soll ein Ort sein, in dem die Geschichte mit der Zukunft verbunden wird. Wir wollen diesen für unsere Mitglieder öffnen – pünktlich zur Feier des 555-Jahr-Jubiläums. Martin Leuthold hat hier hervorragende Arbeit geleistet.
Martin Leuthold, ich sehe Spitze auf goldenem Grund ähnlich der Hausbemalung aus 2016 – eine Kopie der Hausbemalung des 550-Jahr-Jubiläums?
Leuthold: Nein, keine Kopie, sondern eine Fortsetzung der Geschichte. Mit der Gestaltung eines neuen Seminarraums zum 555-Jahr-Jubiläum hat sich ein neues Fenster geöffnet, um die Geschichte von St.Gallen, der Region, und damit der IHK, mit der Zukunft zu verbinden – modern, ansprechend und doch diskret.
Was zeigt die Wand?
Leuthold: Die Wand zeigt an Leinengewebe applizierte Spitze auf goldenem Grund. Das Spitzenmuster ist zwischen 1600 und 1620 in Venedig entstanden, fand den Weg in die Sammlung Iklé und damit in das Textilmuseum von St.Gallen – ein Fundus für die St.Galler Stickereiunternehmen und auch ein Treiber für deren grosse Erfolge zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die Applizierung an Leinentücher symbolisiert zweierlei: Der Export von Leinentüchern in überragender Qualität hat den ersten Exportboom der Ostschweiz ab dem 16. Jahrhundert ausgelöst, der Stadt und der Region wirtschaftlichen Auftrieb beschert. Man nannte die Leinen wegen der hohen Preise auch das «weisse Gold». Daher auch der goldene Grund. Zweitens: Spitzen waren so wertvoll und aufwendig in der Herstellung, dass dies ausschliesslich für die Ausgestaltung der Ränder von Kleidungsstücken am Hals, an den Ärmeln und den Beinen genutzt wurde – sie wurden appliziert.
In der Mitte prangt ein Adler – das Habsburger Wappen?
Leuthold: Der Adler wurde nicht nur in der Heraldik, sondern auch in Kleidungsstücken eingearbeitet. Er symbolisiert Weitblick, Mut und Kraft. Ein spannendes Detail in der Wandgestaltung – die drei Attribute hatten damals wie heute – eine starke Strahlkraft.
Zum Schluss: Was verbinden Sie mit diesem Raum bzw. der Wand?
Bänziger: Der neue Seminarraum Venedig symbolisiert den stetigen Wandel – Technologie, Möglichkeiten, Ansprüche, Verhalten – im Wissen um die faszinierende Geschichte der Ostschweiz.
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