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Ostschweizer Wirtschaft blickt zuversichtlich in die Zukunft

Konjunkturelle Entwicklung in der Kernregion Ostschweiz Ostschweizer Wirtschaft blickt zuversichtlich in die Zukunft

10. Februar 2021 | Die Ostschweizer Konjunktur hat im ersten Quartal 2021 zugelegt und dürfte sich in den nächsten Monaten weiter verbessern. Weiterhin besteht allerdings ein grosser Unterschied zwischen der Binnen- und der Exportwirtschaft. Die exportorientierten Industriebetriebe profitieren vom starken Wachstum in Asien und der Konjunkturerholung in den USA. Die vergleichsweise hohe Abhängigkeit der Ostschweizer Unternehmen von den Grenzregionen trübt die Dynamik. Die Entwicklung der Binnenwirtschaft hängt direkt vom Impffortschritt und damit verbundenen Öffnungsschritten ab. Die Situation am Arbeitsmarkt hat sich weiter entspannt.

Der Geschäftslageindikator zeigt im dritten Quartal in Folge eine klare Erholung in der Ostschweiz. Der Unterschied zwischen den einzelnen Branchen bleibt aber frappant. Beat Schiffhauer, Finanz- und Konjunkturexperte der St.Galler Kantonalbank, sagt dazu: «Die Erholung der Weltwirtschaft und die Öffnungsschritte in der Binnenwirtschaft sorgen für Nachholeffekte und damit für wirtschaftlichen Schub. Die bis vor kurzem geschlossenen Grenzen unterstützten den Detailhandel, insbesondere in den Grenzgebieten». Jan Riss, wissenschaftlicher Mitarbeiter der IHK, ergänzt: «Die gesamtwirtschaftliche Erholung wird sich weiter fortsetzen, hängt aber stark von Impffortschritt und -wirksamkeit sowie vom Funktionieren der teilweise belasteten internationalen Lieferketten ab».

Abb.: Die Ostschweizer Wirtschaft schwenkt auf breiteren Erholungspfad ein

Geschäftslageindikator und Stimmungsbarometer haben sich deutlich verbessert (Ausführungen zu Methodik und Interpretation am Ende) 

Binnenmarkt und Tourismus profitiert nicht im gleichen Ausmass

Die Erschwernisse aufgrund der Massnahmen gegen die Covid-19-Pandemie wirken sich im zweiten Quartal in erster Linie auf den Binnenmarkt aus. Allerdings gilt es zu unterscheiden, denn nicht alle Branchen sind gleichermassen von den gesundheitspolizeilichen Massnahmen betroffen. Die Ertragslage im Baugewerbe hat sich besser entwickelt als erwartet. Dies bedeutet, dass die Nachfrage trotz Pandemie gut blieb. Die Bauunternehmen konnten die gute Wettbewerbsposition halten. Das Gastgewerbe und die Tourismusbranche hingegen bleiben durch die gesundheitspolitischen Einschränkungen in einer schwierigen Lage. Für diese bleiben der Impffortschritt und rasche, nachhaltige Öffnungsschritte auf europäischer Ebene entscheidend.

Exportwirtschaft mit Schwung, Preisentwicklung angespannt

Die exportorientierte Industrie nimmt weiter Fahrt auf und profitiert von einer gut laufenden Wirtschaft in Asien sowie der konjunkturellen Erholung in den USA. Im Vergleich zur Gesamtschweiz zeigt sich hier in der Ostschweiz allerdings, dass die höhere Abhängigkeit von den Grenzregionen auf die wirtschaftliche Entwicklung durchschlägt. Viele Ostschweizer Unternehmen sind eng verzahnt mit der süddeutschen und der vorarlbergischen Wirtschaft, wo sich der Aufschwung ebenfalls erst allmählich entfaltet. Während schweizweit die Unternehmen ihre Wettbewerbsposition im Ausland deutlich gestärkt haben, ist dies bei den Ostschweizer Unternehmen nicht im gleichen Ausmass zu beobachten.

Steigende Rohstoffkosten und Engpässe in den Lieferketten schlagen immer stärker auf die Betriebskosten durch. «Die Ertrags- wie auch die Auftragslage erholen sich in der Industrie. Eine Mehrheit der Unternehmen gibt aber an, dass die Einkaufspreise zuletzt deutlich gestiegen sind, und erwartet weitere Kostensteigerungen. Dies könnte in den kommenden Quartalen die Gewinnmargen belasten», meint Beat Schiffhauer. Ähnlich sieht dies auch Jan Riss: «Höhere Preise und Lieferengpässe könnten kurzfristig zur Belastungsprobe werden. Dies ist sowohl in der Ostschweiz wie auch schweizweit zu beobachten.»

Abb.: Die Ertragslage verbessert sich, Entwicklung der Einkaufspreise angespannt 

Die Industrie erwartet eine deutliche Steigerung der Einkaufspreise

Arbeitsmarkt: weitere Entspannung 

Die Situation am Arbeitsmarkt hat sich durch die Öffnungsschritte und die gute Auslandnachfrage etwas entspannt. Karin Jung, Leiterin des Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons St.Gallens, führt aus: «Wenn keine überraschenden Entwicklungen eintreten, ist davon auszugehen, dass sich die Zahl der Stellensuchenden in den kommenden Monaten weiter dem Vorkrisenniveau annähert.»

Zwar schätzt immer noch die Mehrheit der Industriebetriebe ihren Personalbestand als zu hoch ein. Es zeigt sich aber, dass es sich für die Betriebe gelohnt hat, von grösseren Entlassungswellen vorerst abzusehen. Wesentlich dazu beigetragen hat die Vereinfachung und Ausweitung der Kurzarbeitsentschädigung (KAE). Diese gab den Unternehmen die notwendige Flexibilität und Sicherheit. Jene Unternehmen, die bereits seit Beginn der Pandemie KAE geltend machen, werden nun nochmals entlastet: Der Bundesrat beschloss unlängst eine weitere Ausweitung der KAE-Maximalbezugsdauer auf 24 Monate

 

Abb.: Unternehmen sehen weniger Entlassungsbedarf - Arbeitsmarkt stabilisiert sich 

Deutlich weniger Unternehmen schätzen ihren Personalbestand aktuell als zu hoch ein. 

Die Unternehmen des Detailhandels, des Baugewerbes und verarbeitenden Gewerbes werden monatlich befragt, wie sie die Zahl der Beschäftigten beurteilen. Die befragten Unternehmen können die Frage mit «zu hoch», «ausreichend» oder «zu niedrig» beantworten. Der Saldowert des gegenwärtigen Urteils zur Beschäftigung ist die Differenz der Prozentanteile der Antworten «zu hoch» und «zu niedrig». Ein Wert über Null deutet darauf hin, dass die Zahl der Beschäftigten gegenwärtig zu hoch ist, während ein Wert unter Null eine zu tiefe Belegschaft signalisiert.

Ausblick: Aufschwung nimmt klarere Umrisse an

Der wirtschaftliche Aufschwung hat eingesetzt und dürfte sich in den nächsten Monaten weiter beschleunigen. Der Detailhandel, insbesondere im stationären Bereich, spürt den Nachholeffekt durch die Öffnung und profitiert gleichzeitig vom eingeschränkten Grenzverkehr. Die Industrie wird einerseits von einer weiter robusten Nachfrage aus den USA und Asien profitieren. Andererseits erwarten wir spätestens im zweiten Halbjahr einen Nachholeffekt, ausgehend von zunehmenden Öffnungstendenzen in Europa. Dies wird die Situation bezüglich Lieferengpässe und höherer Einkaufspreise akzentuieren. Kurzfristig werden viele Unternehmen zudem Lager aufbauen, was die Situation zusätzlich anheizt. Die Rückmeldungen bezüglich der Einkaufspreise von den Unternehmen dürfte sich mittelfristig auch auf die Preisentwicklung einzelner Konsumgüter wie beispielweise Benzin, dem Fernseher oder der Tasse Kaffee niederschlagen. Beat Schiffhauer relativiert: «Preissteigerungen erachten wir als einen temporären Effekt. Eine ausufernde Inflationsentwicklung mit einem entsprechenden Vertrauensverlust ins System erwarten wir nicht».

Konjunkturboard Ostschweiz

Das Konjunkturboard Ostschweiz beurteilt quartalsweise die konjunkturelle Entwicklung der Ostschweizer Wirtschaft in den Hauptbranchen Industrie, Detailhandel, Dienstleistungen und Bau. Das Konjunkturboard setzt sich von Seiten der IHK St.Gallen-Appenzell aus Alessandro Sgro, Chefökonom IHK, Jan Riss, wissenschaftlicher Mitarbeiter IHK, von Seiten der St.Galler Kantonalbank Caroline Hilb Paraskevopoulos, Leiterin Anlagestrategie und Analyse SGKB sowie Beat Schiffhauer, Senior Konjunktur- und Finanzexperte SGKB zusammen. Die Ökonomin und die drei Ökonomen kommentieren quartalsweise die Konjunkturlage in der Ostschweiz und bringen diese in den nationalen und globalen Kontext. Ergänzt wird das Gremium um Jérôme Müggler, Direktor IHK Thurgau sowie Karin Jung, Leiterin Amt für Wirtschaft des Kanton St.Gallen. Diese breite Kombination bündelt verschiedene Kompetenzen und ermöglicht eine ganzheitliche sowie konsistente Einschätzung zur konjunkturellen Entwicklung in der Region.

Die Resultate und Analysen der aktuellen Umfrage können auf der neuen Plattform www.konjunkturboard.ch abgerufen werden. Hier finden sich zudem Kontaktinformationen der jeweiligen Konjunkturboard-Mitglieder.

Konjunkturindizes für die Kernregion Ostschweiz

Um auf schnelle, aber präzise Art und Weise ein systematisches Bild über die Verfassung der Ostschweizer Wirtschaft zu erhalten, sind gesamtwirtschaftliche Konjunkturindizes zentral. Für die Kernregion Ostschweiz stehen neu zwei Indizes zur Verfügung: Geschäftslageindikator und Stimmungsbarometer.

Der Geschäftslageindikator basiert auf monatlich oder quartalsweisen Unternehmensbefra­gungen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich zur aktuellen Einschätzung der Geschäftslage. Dabei geben die befragten Unternehmen ihre Einschätzung mit «gut», «befriedigend» oder «schlecht» an. Der Saldowert zwischen «gut» und «schlecht» – also die Differenz der Prozentanteile – widerspiegelt die aktuelle Geschäftslage. Je höher dieser ist, desto besser schätzen die Unternehmen die aktuelle Geschäftslage ein. Die Aggregation der branchenspezifischen Beurteilung der Geschäftslage ergibt den Geschäftslageindikator.

Der Stimmungsbarometer ist ein breit angelegter Indikator, der die Stimmung in Unternehmen und privaten Haushalten misst und dient dazu, das BIP-Wachstum zu verfolgen. Ein Wert über 100 deutet auf eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Einschätzung hin, während Werte unter 100 eine unterdurchschnittliche Einschätzung signalisieren. Der Stimmungsbarometer ist so standardisiert, dass er meistens zwischen 90 und 110 Punkten liegt.

Die beiden Indikatoren werden gemeinsam von der IHK St.Gallen-Appenzell und der St.Galler Kantonalbank erhoben. Diese werden mit der gleichen Methodik berechnet wie die gesamtschweizerischen Indikatoren der KOF.

Die jeweiligen Konjunkturindizes können auf www.konjunkturboard.ch abgerufen werden. Sie werden monatlich aktualisiert.