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Fortschritte und Hürden bei Energieprojekten

Versorgungssicherheit Fortschritte und Hürden bei Energieprojekten

08. November 2023 | Im August 2022 stellte die IHK St.Gallen-Appenzell im Vademecum «Versorgungssicherheit in Zeiten der Energiewende» 15 Forderungen zur Energiepolitik. Seitdem hat sie die Entwicklungen in diesem Dossier eng verfolgt. Das Bewusstsein für Energiethemen ist in der Öffentlichkeit stark gestiegen. Dennoch sind die Fortschritte in einigen Bereichen nach wie vor ungenügend – diese Projekte müssen nun konsequent angegangen werden. Oberste Priorität hat dabei die Verhinderung einer Energiemangellage. Dies illustrieren nicht zuletzt die Akzente, welche die IHK seit dem Erscheinen des Vademecums in der Kommunikation gesetzt hat:

 

Das Ziel ist dabei klar: Auch die Ostschweiz muss ihren Beitrag leisten, um eine Mangellage zu verhindern. Nicht überall ist dies bislang gelungen. Im Folgenden werden ausgewählte Projekte und ihr aktueller Stand vorgestellt.

Demokratisierung des Verbandsbeschwerderechts findet Anklang

Im Vademecum zur Energieversorgungssicherheit fordert die IHK St.Gallen-Appenzell die Demokratisierung des Verbandsbeschwerderecht – mittels einer Mindestanforderung von drei Umweltverbänden und insgesamt 50‘000 Mitgliedern. Damit wird die Notwendigkeit dieses Instrumentes anerkannt, dessen Legitimität gestärkt und gleichzeitig die Blockade wichtiger Projekte durch einzelne Akteure aufgehoben. Für letzteres ist etwa die Erhöhung der Talsperre am Grimselsee ein Beispiel. Diese Formulierung der IHK wurde im parlamentarischen Prozess eingebracht, konnte allerdings nicht umgesetzt werden. Sie wird allerdings weiterhin auch in den Medien aufgenommen, etwa in einem NZZ-Interview mit der Ostschweizer Nationalrätin und Präsidentin des Wasserwirtschaftsverbands Susanne Vincenz-Stauffacher.

Gescheitertes Alpenrhein-Kraftwerk

Die Realisierung eines Alpenrhein-Kraftwerks bleibt vorerst blockiert – trotz des Einsatzes der IHK hat der Nationalrat eine entsprechende Anpassung des Mantelerlasses abgelehnt. Dabei wäre das Potenzial gross: Ein Kraftwerk am Standort Trübbach/Sargans könnte bis zu 100 GWh Strom pro Jahr produzieren. Da es sich allerdings in einer Trockenwiese befindet, ist der Bau unter aktuellem Recht nicht möglich. Mehrere bürgerliche Ostschweizer Parlamentarier/-innen setzten sich für eine Ausnahmeregelung ein, welche den Bau in geschützten Trockenwiesen bei gleichwertigem Ersatz erlaubt hätte. Sie unterlagen jedoch im Nationalrat mit 109 zu 79 Stimmen.

Schwieriges Stromabkommen mit EU

Das Stromabkommen mit der EU ist weiterhin zentral für die Energieversorgungssicherheit. Dieses würde die mittel- und langfristige Energieversorgungssicherheit der Schweiz stärken, insbesondere vor dem Hintergrund der 70%-Regel, wonach ab 2025 mindestens 70% der grenzüberschreitenden Netzkapazitäten in der EU für den Stromhandel innerhalb der EU freigehalten werden müssen. Auch würde das Stromabkommen Rechtssicherheit mit der EU herstellen. Das Stromabkommen ist aufgrund der mangelnden Fortschritte zu den institutionellen Fragen in den bilateralen Beziehungen mit der EU allerdings weiterhin blockiert. Eine rasche Klärung dieser Fragen ist für die Versorgungssicherheit zentral: Die Schweiz ist auch bei der Stromversorgung keine Insel.

10%-Sparziel 2022 verfehlt, doch die Industrie erreicht Ziel

Die Schweizer Industrie hat 2022 angesichts der Krise grosse Anstrengungen beim Energiesparen unternommen. Während das Sparziel schweizweit verfehlt wurde, haben Swissmem-Mitgliedfirmen im Durchschnitt zehn Prozent weniger Strom verbraucht und das Ziel somit erreicht. Mittelfristig ist mit einer weiteren Reduktion von 10 Prozent zu rechnen, da die Betriebe weiterhin ihre Geräte und Anlagen modernisieren. Auch die Effizienzprogramme der EnAW helfen der Wirtschaft branchenübergreifend, den Energieverbrauch zu senken.

Wappnen für den Worst-Case

Trotz der vielfältigen Anstrengungen muss auch das Worst-Case-Szenario mitgedacht werden. Die Behörden haben ihre Lehre gezogen und arbeiten an transparenten Prozessen für die Wirtschaft. Der Bund hat die Datengrundlage mit dem Energiedashboard erheblich verbessert und einheitlichere Regeln zur Kontingentierung mit einer neuen Verordnung eingeführt. Dabei wurden auch einige Punkte, welche die IHK St.Gallen-Appenzell in ihrer Vernehmlassungsantwort angemerkt hat, berücksichtigt.

Langfristig bleibt die Auflösung des Energie-Trilemmas – der Balancierung zwischen Energieversorgungssicherheit, ökologischer Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Tragbarkeit – herausfordernd. Allerdings ist die Ausgangsposition diesen Winter hinsichtlich der Prävention und Vorbereitung einer Mangellage bedeutend besser als noch im Herbst 2022. Mit dem Mantelerlass hat das Parlament einen wichtigen Schritt gemacht. Es bleibt aber noch einiges tun, bis die Schweiz mit einer sicheren Energieversorgung 2050 klimaneutral sein wird. Die IHK St.Gallen-Appenzell wird die Entwicklungen weiterhin verfolgen und ihre Forderungen in den politischen Prozess einbringen.

IHK-Vademecum zur Energieversorgungssicherheit
Im EcoOst Vademecum Versorgungssicherheit in Zeiten der Energiewende beleuchten die IHK St.Gallen-Appenzell und IHK Thurgau die Energieversorgung der Schweiz im europäischen Kontext. Mit Gastbeiträgen von Matthias Berthold von der FH OST, Dr. Jörg Spicker von Swissgrid und Daniela Decurtins vom Verband der Schweizerischen Gasindustrie bietet das Vademecum einen fundierten Überblick über die Herausforderungen der Energiepolitik. Vor diesem Hintergrund wird auch die gemeinsame Position der beiden IHK hergeleitet und vorgestellt.