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Ostschweizer IHK erwarten rasche, klare Lösungen in der Energiepolitik

EcoOst Arena 2022 Ostschweizer IHK erwarten rasche, klare Lösungen in der Energiepolitik

26. August 2022 | Gross war das Interesse an der EcoOst Arena der beiden Industrie- und Handelskammern Thurgau und St.Gallen-Appenzell vom 24. August 2022. Vor ausgebuchten Rängen in der Romanshorner Autobau Erlebniswelt widmeten sich die Referenten und Podiumsgäste der Frage der Energiemangellage: Ist sie eine ernste Gefahr oder eine Drohgebärde? Die beiden Wirtschaftsverbände legten dazu in einem Vademecum ihre Position dar.

Der Thurgauer IHK-Direktor Jérôme Müggler zeigte in seiner Begrüssung auf, wie aktuell das Thema tatsächlich ist. Wenige Stunden zuvor hatte der Bundesrat seine Grundsätze im Falle einer möglichen Gasmangellage in diesem Winter veröffentlicht. Darin findet auch der Begriff «Kontingentierung» seinen Platz. Die Energiemangellage wird damit zur ersten Gefahr.

 

Die schnellste Massnahme bleibt die Einsparung

In seinem Inputreferat ging Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen von der Universität St.Gallen auf das Spannungsfeld zwischen der Energiesicherheit und dem Klimaschutz ein. Seine Einschätzung zum Synergiepotenzial zwischen diesen beiden Zielen brachte einen wichtigen Input für die Themendiskussion. Die aktuelle Situation mit dem Krieg in der Ukraine, Kernkraftausfällen in der französischen AKW-Flotte und der Trockenheit im Sommer hätte uns vor Augen geführt, wie stark unsere Energieversorgung von anderen Ländern – und beim Gas von einem einzigen Land – abhängt. Langfristig sollte daher eine schnellere Dekarbonisierung von Gebäuden, Verkehr und Strom angegangen werden. Kurzfristig helfen allerdings nur Massnahmen, welche auf dem Verhalten beruhen – also der Verzicht.

Ist die Mangellage eine Tatsache?

«Die Lage ist angespannt», hielt Stefano Garbin, CEO der St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke SAK, fest. Ein haushälterischer Umgang mit der Energie in der Schweiz werde wichtiger. Auch Energie Kreuzlingen befindet sich in einer herausfordernden Situation. Direktor Guido Gross erklärte, dass der Energieversorger das Gas von den Stadtwerken Konstanz bezieht. Gute nachbarschaftliche Beziehungen seien daher von grosser Wichtigkeit. FDP-Nationalrätin Susanne Vinzenz-Stauffacher betonte, dass das fehlende Stromabkommen mit der EU die aktuelle Krisensituation noch verschärft.

Neue Wege aus der Krise sind gefragt

Um aus der aktuell schwierigen Lage herauszufinden wäre gemäss SVP-Ständerat Dr. Jakob Stark ein nationaler Krisenstab angebracht. Gleichzeitig sollten neue Modelle, wie beispielsweise die gleitende Marktprämie geprüft werden. Auch Franziska Ryser, Nationalrätin Grüne, sieht Potenzial in neuen Herangehensweisen. Ihr schwebt eine Auktionsplattform für planbare Verzichtsmassnahmen bei Unternehmen vor. Denn gerade beim Verbrauchermarkt sieht sie noch Einsparpotenzial.

Die EcoOst Energieumfrage: Im Zeitraum zwischen dem 11. und 25. Juni 2022 haben die beiden IHK eine Unternehmensumfrage zur Energiethematik durchgeführt. In der beiliegenden Präsentation sind die Resultate der Umfrage detailliert aufgeführt.

 

 

Der Kanton St.Gallen könnte seine Winterlücke schliessen

Im IHKdirekt-Gespräch mit Markus Bänziger, Direktor der IHK St.Gallen-Appenzell, liess die St.Galler Baudirektorin Susanne Hartmann durchblicken, wie sich der Kanton auf die Mangellage vorbereitet. Neben kurzfristigen Massnahmen im Hinblick auf diesen Winter, würden auf kantonaler Ebene auch längerfristige Sicherungsmassnahmen geprüft. So werden derzeit 17 Windkraftgebiete definiert, welche den Kanton mit Winterenergie versorgen könnten – aber noch nicht im kommenden Winter. Denn bis zur Realisierung sind noch einige Hürden auf verschiedenen Ebenen zu nehmen. «Es braucht auch auf Bundesebene Gesetzesanpassungen», hält die Mitte-Regierungsrätin fest.

Mangellage verhindern hat Priorität

Weder die aktuelle Energiestrategie noch ein nationaler Alleingang garantieren die Versorgungssicherheit. Daher identifizieren die IHK Thurgau und die IHK St.Gallen-Appenzell gemeinsam vier Handlungsfelder, in welchen deutliches Verbesserungspotenzial besteht. Kurzfristig müsse ganz klar das Verhindern einer Energiemangellage Priorität haben, hält Markus Bänziger fest. «Die Schweiz kann sich als Land der Sicherheiten eine Energiemangellage mit Kontingentierung oder gar rotierenden Netzabschaltungen schlichtweg nicht leisten.» Das Schadenspotenzial einer unzuverlässigen, lücken- oder mangelhaften Versorgung ist enorm. Politik, Gesellschaft und Wirtschaft müssen nun Hand in Hand arbeiten.

Handlungsfelder Energie

Mittel- bis langfristig muss mit Kostenwahrheit und einer Stärkung der Eigenverantwortung die Energieeffizienz erhöht werden. Auch gilt es, das inländische Potenzial der erneuerbaren Energieträger besser auszuschöpfen, unter anderem durch die Reduktion administrativer Hürden.
Schliesslich muss die staatsvertragliche Kooperation mit dem Ausland wieder verbessert werden. Ohne Strommarktabkommen mit der EU fehlt die langfristige Garantie für die Schweizer Netzstabilität und zuverlässige Importe.

EcoOst-Vademecum «Versorgungssicherheit in Zeiten der Energiewende»
Die beiden Ostschweizer Wirtschaftsverbände vertiefen die vier Handlungsfelder in der EcoOst-Publikation «Versorgungssicherheit in Zeiten der Energiewende» und präsentieren einen umfassenden Massnahmenkatalog. Dazu gehören beispielsweise ein Auktionsverfahren für Grossverbraucher für den planbaren, freiwilligen Verzicht von Strom und Gas oder der Bau des bereits projektierten Laufwasserkraftwerks im Rheinabschnitt Sargans/Trübbach. Das Vademecum beleuchtet die Energieversorgung der Schweiz im europäischen Kontext. Mit Gastbeiträgen von Matthias Berthold von der FH OST, Jörg Spicker von Swissgrid und Daniela Decurtins vom Verband der Schweizerischen Gasindustrie bietet die Publikation einen umfassenden und fundierten Überblick über die Herausforderungen der Energiepolitik.