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Digitalisierung der Schweizer Armee in drei Stufen

Gastbeitrag Digitalisierung der Schweizer Armee in drei Stufen

Korpskommandant Thomas Süssli, Chef der Armee

Digitale Produkte und Internetanwendungen prägen heute einen grossen Teil unserer alltäglichen organisatorischen, sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten. Das Ausmass und die Tragweite der rasanten Entwicklungen in den Bereichen der Vernetzung, der digitalen Plattformen und Big Data ist stärker als alle anderen bahnbrechenden Technologien in der Geschichte der Menschheit.

Digitalisierung ist letztlich eine Kulturfrage – es erfordert Mut, neue Wege zu gehen

Auch der Verteidigungsbereich und die Art der Kriegsführung ändern sich aufgrund der explosionsartigen Fortschritte in der digitalen Technologie rapide und permanent. Wir kommen nun an einen Punkt, wo nicht mehr nur die Menschen die Technologie verändern, sondern die Technologie die Menschen und die Lebensrealitäten verändert. In der Vision der Gruppe Verteidigung setzen wir uns zum Ziel, 2030 agil und digitalisiert zu sein. Wir dürfen dabei die digitale Transformation nicht als ein abzuschliessendes Technologieprojekt betrachten, sondern vielmehr als einen Zustand ständiger Bewegung, der ständigen Adaption und Weiterentwicklung.

Der Faktor Zeit ist entscheidend. In Zukunft wird sich nicht der grösste, sondern der schnellste Player durchsetzen. Schnelligkeit steht in einem direkten Zusammenhang mit Innovation. Es reicht nicht mehr, einfach zu beobachten, abzuwarten und allenfalls zu kopieren. Wer erfolgreich sein will, muss neu gestalten oder zumindest mitgestalten. Das gilt auch für die Armee. Wir haben das Glück, dass unser Land in den Bereichen Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft weltweit immer noch zu den besten und unsere Armee dank dem Milizsystem zu den agilsten gehört. Die Voraussetzungen, dass damit auch unsere Armee die Herausforderung der Digitalisierung meistert, sind gegeben.

Digitalisierung ist Business

Die digitale Transformation der Armee kann nicht befohlen werden. Wir alle müssen sie selbst in die Hand nehmen. Wir müssen uns mit den neuesten Technologien und Arbeitsweisen auseinandersetzen, sie nicht nur akzeptieren, sondern umarmen. Auch wenn dies bedeutet, dass wir uns von lieb gewonnen Prozessen und Gewohnheiten verabschieden müssen. Unseren Mitarbeitenden erklären wir noch zu wenig, was wir mit «Digitalisierung» meinen: Meine Absicht zur Digitalisierung geht über drei Stufen hin zur Nutzung des vollen digitalen Potentials. Es wird klar, dass Digitalisierung mehr als nur «Gadgets» oder IT ist.

Digitalisierung ist Business und beginnt ganz oben. Auf der ersten Stufe geht es darum, bestehende Prozesse zu digitalisieren. Das klingt wenig revolutionär und hätte bereits vor 20 Jahren erledigt sein sollen. Um die Digitalisierung der Miliz voranzubringen, unterstützt ein Team, welches direkt bei mir angesiedelt ist, die Umsetzung der Ideen aus der Organisation. Dabei sind bereits einige funktionierende Anwendungen in Betrieb. Die erste Stufe macht schon deutlich: Digitalisierung ist nicht IT, sondern Business.

Silos aufbrechen

Die zweite Stufe der Digitalisierung bedeutet für mich «Integration». Dieser Schritt ist besonders anspruchsvoll, geht es doch darum, die aus den verteilten digitalisierten Prozessen gewonnenen Informationen zu integrieren und daraus neues Wissen zu gewinnen. Dafür müssen Silos aufgebrochen und horizontal integrierte Plattformen aufgebaut werden. Dieses Wissen generiert einen direkten Mehrwert, denn es gibt uns neue Erkenntnisse über unser Geschäft. Im militärischen Kontext bedeutet die zweite Stufe die Integration von Sensorinformationen aus allen Operationssphären, also vom Boden, aus der  Luft, aus dem Weltall, dem maritimen Raum sowie aus dem elektromagnetischen, dem Cyber- und dem Informationsraum. Mit der Integration gewinnen wir die Informationsüberlegenheit über unseren eigenen Raum. Diese zweite Stufe macht die Verarbeitung von enormen Datenmengen in kurzer Zeit notwendig. Erst Big Data und Algorithmen, vor allem Mustererkennung mittels künstlicher Intelligenz, lassen uns den relevanten Baum im Informationswald erkennen.

 

Vierte industrielle Revolution

Die dritte Stufe lässt uns mit dem neu gewonnenen Wissen unser Geschäft neu denken. Der Schritt auf diese Stufe ist besonders gross und hat eher die Höhe einer vierten Stufe. In militärischen Anwendungen will ich mit dem Wissen über die Möglichkeiten der Gegenseite die eigenen Effektoren rascher und präziser einsetzen können.Genauso will beispielsweise ein Online-Buchhändler ihnen in Zukunft Bücher zustellen, die sie sowieso gekauft hätten. Selbstverständlich wird auch künftig in schweizerischen militärischen Anwendungen immer noch der Mensch den Abzug betätigen. Digitale Technologie entwickelt sich exponentiell und ich teile die Ansicht, dass es sich um eine eigentliche vierte industrielle Revolution handelt. Die Armee muss die Chancen packen und dabei die Risiken so klein als möglich halten. Deshalb schaffen wir mit den neuen Rechenzentren und dem Führungsnetz Schweiz eine robuste und hochsichere Basis für die Digitalisierung.

Das neu geschaffene Cyber Fusion Center schützt unser digitales Nervensystem. Digitalisierung ist letztlich eine Kulturfrage. Es erfordert Mut, neue, digitale Wege zu gehen. Fehler müssen möglich sein, um rasch wieder aufzustehen und daraus zu lernen. Mit unserer Milizarmee haben wir potenziell 140’000 Quellen für innovative Ideen. Schaffen wir gemeinsam mit Miliz und Militärverwaltung sowie Wissenschaft und Wirtschaft eine Umgebung, in der wir dieses Potenzial nutzen können!