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Das transatlantische Freihandelsabkommen

Welche Auswirkungen hätte TTIP auf die Ostschweizer Wirtschaft? Das transatlantische Freihandelsabkommen

Dr. Frank Bodmer

Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP soll den USA und der EU durch Abbau von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen wirtschaftliche Vorteile bringen. Als Nicht-EU-Mitglied wäre die Schweiz bei dem Abkommen aussen vor. Doch wie bedeutsam wäre ein Abseitsstehen beim TTIP?

EU und USA befinden sich in Verhandlungen zu einer Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP, für «Transatlantic Trade and Investment Partnership»). Neben dem eigentlichen Freihandelsabkommen, das heisst der Abschaffung von Zöllen, umfasst es einen Abbau von nicht-tarifären Handelshemmnissen (Standards und Herkunftsbezeichnungen) und einen freien Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen. Es wird mit klar positiven Effekten auf Wohlstand und Wachstum in den beiden Wirtschaftsräumen gerechnet, wobei vor allem ein Abbau der nicht-tarifären Handelshemmnisse positive Auswirkungen hätte.

Für die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied würden die neuen Regeln von TTIP nicht automatisch gelten. Es wäre aber möglich, im Rahmen von bilateralen Verhandlungen oder der EFTA entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Der Schweizer Exportwirtschaft könnten aus einem Abseitsstehen der Schweiz erhebliche Nachteile entstehen. Vor allem die Position auf dem amerikanischen Markt wäre gefährdet, da europäische Firmen dort in Zukunft einen deutlich einfacheren Zugang hätten. Aber auch auf dem europäischen Markt kann es zu einer relativen Verschlechterung der schweizerischen Position kommen. Während für Schweizer Exporte aus dem Industriebereich in der EU zwar keine Zölle anfallen, ist eine Verschlechterung im Bereich der nicht-tarifären Handelshemmnisse nämlich durchaus möglich.1

Abseitsstehen als Gefahr für die Schweiz

Das seco hat die möglichen Auswirkungen von TTIP auf die Schweiz empirisch untersuchen lassen. Nach den Studien hängen die Auswirkungen vor allem davon ab, wie umfassend TTIP ausfallen wird und ob die Schweiz indirekt auch in das neue Regelwerk einbezogen wird. Negative Effekte ergäben sich für die Schweiz vor allem dann, wenn sie abseitsstehen und das Abkommen nur relativ wenige Erleichterungen bei den nicht-tarifären Handelshemmnissen bringen würde.2 In diesem Fall wären vor allem die sinkenden Zölle von Bedeutung, was für die Schweiz als Aussenstehende mit Nachteilen verbunden wäre. Bei einer weitgehenden Vereinheitlichung der Standards wäre dagegen laut Studie sogar für Aussenstehende mit Vorteilen zu rechnen. Grund dafür sind die positiven indirekten Effekte und die Möglichkeit der Schweiz, sich solchen Standards anzuschliessen. Zölle spielen vor allem in der EU noch eine erhebliche Rolle, wogegen sie in den USA eigentlich nur im Bereich Textilien und Bekleidung von Bedeutung sind (siehe Abbildung 1). Bedeutender sind auf beiden Seiten des Atlantiks die nicht-tarifären Handelshemmnisse. Besonders betroffen sind Nahrungsmittel, Chemie und Pharma, Fahrzeuge, Metalle und Elektronik.

Bedrohung für Ostschweizer Exporte

Die Ostschweizer Exporte in die EU machen etwa 60 % der gesamten Exporte aus, diejenigen in die USA etwa 13 %. Die EU, hier vor allem Deutschland, ist damit der mit Abstand bedeutendste ausländische Absatzmarkt. Vor allem bei Maschinen und Elektronik und den Metallerzeugnissen, den beiden wichtigsten Gütergruppen, ist die Dominanz der EU als Absatzmarkt gross (siehe Abbildung 2). Ausnahmen finden sich nur bei den Nahrungsmitteln, wo die Exporte in die EU und die USA praktisch gleich bedeutend sind, sowie den Präzisionsinstrumenten. Geht man davon aus, dass TTIP vor allem auf die Exporte in die USA Auswirkungen haben würde, wären deshalb vor allem diese beiden Branchen betroffen. Bei den Nahrungsmitteln ist der Fall allerdings insofern speziell, als dass es sich bei den Ostschweizer Exporten vor allem um Red-Bull-Getränkedosen handelt. Es ist anzunehmen, dass TTIP für diese Exporte aufgrund einer sehr tiefen Zollbelastung keine Auswirkungen hätte. Anders sieht es bei den Präzisionsinstrumenten aus. Dort sind Herkunftsbezeichnungen von erheblicher Bedeutung.3

Auch die Ostschweiz ist gefordert

Noch bleibt bei TTIP vieles offen. Die politischen Hindernisse für ein Abkommen sind sowohl in den USA als auch in Europa hoch. Es ist damit höchst unsicher, ob es zu einem Abkommen kommen wird und wie umfassend dieses ausfallen könnte. Insbesondere im Bereich der nicht-tarifären Handelshemmnisse wird viel von den Details abhängen. Es ist aber gerade dieser Bereich, welcher für die wirtschaftlichen Auswirkungen entscheidend sein wird. Bei den möglichen Auswirkungen auf die Schweiz ist zu beachten, dass für die bereits mit dem starken Franken kämpfende Exportwirtschaft auch eine kleine zusätzliche Benachteiligung gegenüber der Konkurrenz spürbare Auswirkungen haben könnte. Die Schweiz sollte diese Verhandlungen deshalb verfolgen und frühzeitig Strategien ausarbeiten, um eine Diskriminierung der eigenen Exporte zu vermeiden. Zudem sollte nicht vergessen werden, dass sich ein umfassendes TTIP zu einem Wachstumsmotor für die beteiligten Länder entwickeln könnte. Damit die Schweiz vollwertiges Mitglied dieses Prozesses werden kann, wären aber vorgängig grundlegende Reformen im Agrarbereich nötig. Es ist höchst unsicher, ob solche Reformen in der Schweiz politisch überhaupt möglich sind.