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Das Problem mit der Kostenwahrheit

Vor dem Hintergrund der «Milchkuh»-Abstimmung Das Problem mit der Kostenwahrheit

Robert Stadler, Leiter Kommunikation / Stv. Direktor IHK

Die «Milchkuh»-Initiative fordert eine faire Verkehrsfinanzierung: Die Abgaben der Strassenbenützer sollen für die Strasseninfrastruktur eingesetzt werden. Dieser Ansatz der Kostenwahrheit ist aus Sicht der IHK St. Gallen-Appenzell zu unterstützen. Die Quersubvention des öffentlichen Verkehrs durch den Individualverkehr ist jedoch nur ein Beispiel. Das Verursacherprinzip müsste auch in anderen Bereichen konsequent umgesetzt werden, um dem Überkonsum und der Unterfinanzierung öffentlicher ­Leistungen einen Riegel zu schieben.

Am 5. Juni entscheiden die Stimmberechtigten unter anderem über die «Milchkuh»-Initiative, die eine faire Verkehrsfinanzierung fordert. Gemeint ist damit, dass die Einnahmen aus der Mineralölsteuer vollständig dem Strassenverkehr zugutekommen. Bisher fliessen aus diesem Topf rund 1,5 Milliarden in die allgemeine Bundeskasse statt in die Strasseninfrastruktur. Die Initiative fordert Kostenwahrheit – ein wichtiges Anliegen der IHK: Wer die Kosten trägt, soll auch den Nutzen daraus ziehen können. Aufgrund dieses Grundsatzes hat der Vorstand der IHK St. Gallen-Appenzell zur «Milchkuh»-Initiative die Ja-­Parole gefasst, auch wenn einige Vorstandsmitglieder Bedenken gegenüber der Vorlage geäussert hatten.

Ausgaben und Einnahmen sind entkoppelt

Die Initiative legt den Finger auf einen wunden Punkt: Insbesondere in der Verkehrspolitik ist die Kostenwahrheit ein Fremdwort. So werden mit den verkauften Bahntickets nur rund 40 Prozent der effektiven Kosten gedeckt, bei intensiven GA-Benützern liegt dieser Anteil nochmals deutlich tiefer. Der grosse Rest berappt der Steuerzahler – auch derjenige, der nie Bahn fährt und die Züge höchstens an einer Bahnschranke an sich vorbeiziehen sieht. Im Verkehr sind die Ausgaben- und die Einnahmenseite weitgehend voneinander entkoppelt. Diese Intransparenz führt dazu, dass der Einzelne das Gefühl für die tatsächlichen Kosten verliert. Und wo immer (staatliche) Leistungen individuell konsumiert, aber kollektiv finanziert werden, schiesst die Nachfrage durch die Decke. Trotz grosser Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und laufendem Ausbau des Angebots kann die steigende Nachfrage kaum befriedigt werden.

Schritt in die richtige Richtung

Um dieses Problem zu lösen, hat der Think Tank «Avenir Suisse» vor zwei Jahren ein Mobility Pricing gefordert, das die Kostenwahrheit im Verkehr einführen und auf marktwirtschaftliche Preismechanismen setzen würde: Wer Mobilität konsumiert, soll auch dafür bezahlen.

In eine ähnliche Richtung gingen auch immer wieder Vorschläge der IHK St. Gallen-Appenzell. So propagierte IHK-Direktor Kurt Weigelt eine ökonomische Steuerreform, bei der das Leistungsfähigkeitsprinzip (wer wirtschaftlich leistungsfähiger ist, hat mehr zum Steueraufkommen beizutragen) mit einem Vorteilsprinzip ergänzt wird: Bei staatlich erbrachten Sonderleistungen zugunsten einzelner Personen oder Nutzergruppen, sind diese zur Finanzierung der speziellen Staatsausgaben heranzuziehen. Wer profitiert, bezahlt. Bei einer korrekten Kostenstruktur wird sich der Nutzer öffentlicher Leistungen zweimal überlegen, ob er die Leistung tatsächlich in Anspruch nehmen möchte oder nicht.

Eine Annahme der «Milchkuh»-Initiative alleine löst das Problem der Verkehrsfinanzierung zwar noch nicht. Doch es ist ein Schritt in die richtige Richtung, zu mehr Kostenwahrheit und Transparenz.