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Bürowelt Schiff: Bleistift und Fülli oder Salat und Cupcake?

Transformation – Von der Papeterie zum Restaurant Bürowelt Schiff: Bleistift und Fülli oder Salat und Cupcake?

Robert Stadler, Leiter Kommunikation / stv. Direktor IHK

Eine offensichtliche Veränderung setzte die Bürowelt Schiff AG vor zweieinhalb Jahren um: Die traditionsreiche Papeterie in der St.Galler Innenstadt ist jetzt auch ein Restaurant und Catering-Unternehmen. Die Transformation ist Resultat vielfältiger Herausforderungen eines klassischen Detailhandelsunternehmens: Digitalisierung, Wegfall bisheriger Umsatzträger, schwindende Attraktivität des Einkaufens in der Stadt oder der Einkaufstourismus.

Wer die Bürowelt Schiff betritt, dem steigen ungewohnte Düfte in die Nase – zumindest für eine Papeterie. Beim Eingang riecht es ­dezent nach frischen Brötchen, Kaffee, angemachten Salaten und Kuchen im «homemade style». Wo früher eine grosse Wand mit Glückwunschkarten stand, preist heute eine grosse Glastheke verschiedenste Leckereien an. Das Restaurant in der Papeterie heisst «Schiffchuchi» und wird von Amanda Weigelt geführt. Wie kam es zu dieser ungewohnten Transformation von Schreibwaren zu Sandwiches? Als Papeterie im Stadtzentrum seien sie in mehrfacher Hinsicht herausgefordert, weiss Amanda Weigelt: «Als Folge der Digitalisierung verlieren wir ganze Sortimentsbereiche.» Heute brauche kaum mehr jemand Zeitplansysteme, Abreibebuchstaben oder Fotoalben – alles Produkte, die entscheidende Umsatzträger waren. Zudem habe das «Lädele» als Freizeitvergnügen an Bedeutung verloren. Dies nicht zuletzt, weil die Politik seit Jahren alles daran setzt, die Autofahrer vom Stadtzentrum fernzuhalten. Erschwerend komme zudem auch der zunehmende Einkaufstourismus dazu.

Jüngere Kundschaft gewonnen

«Mit dem eigenen Restaurant- und Take-away-Konzept möchten wir nicht nur unsere Fläche besser nutzen, sondern in erster Linie Zusatzumsatz mit Kunden generieren, die in der Stadt arbeiten. Für das Mittagessen kann man nicht nach Dornbirn fahren», bringt es Amanda Weigelt auf den Punkt. Der bisherige Erfolg gibt der Idee recht: Die Schiffchuchi habe sich weit besser entwickelt als erwartet, auch wenn die Gastronomie ein hartes Pflaster sei und es sehr viel brauche, um wirklich Geld zu verdienen. «Unser Ziel war von Anfang an, nicht nur das Angebot, sondern auch die Aufenthaltsqualität in unserem Ladengeschäft zu verändern», erklärt sie. Das habe zwar zu enttäuschten Kunden geführt. Dafür sind aber auch viele neue, vor allem jüngere Kundinnen und Kunden dazugekommen, die das «Schiff» wieder als Trendsetter wahrnehmen.

Bestehendes infrage stellen

Trendsetter war die Bürowelt Schiff AG auch schon früher in ihrem angestammten Geschäftsfeld. Und sie hat bis heute als Papeterie überlebt: Gab es vor 40 Jahren noch 14 Papeterien im Zentrum von St.Gallen, sind heute nur noch zwei übrig geblieben. Dabei habe geholfen, dass bereits der frühere Eigentümer, Max Hungerbühler-Chyun, alles andere als ein stromlinienförmiger Einzelhändler war. Seine breit gefächerten unternehmerischen Aktivitäten reichten weit über den Fachhandel hinaus und bis nach Asien. 1991 kaufte die Familie Weigelt das Unternehmen und baute bereits 1997 einen Online-Shop – notabene einen der ersten der Branche. Eines der Erfolgsrezepte sei möglicherweise, dass sich die Weigelts als Quereinsteiger immer ausserhalb der etablierten Branchenszene bewegten. «Dies macht es einfacher, Bestehendes infrage zu stellen.»

Um einen Transformationsprozess erfolgreich zu bewältigen, sind aus Sicht von Amanda Weigelt bei kleinen, inhabergeführten Betrieben ohnehin andere Aspekte wichtig als bei einem Grossunternehmen. Denn bei kleinen Unternehmen gehe es nicht um Prozesse oder Strukturen. Entscheidender sei die Haltung der Vorgesetzten, durch ihr Verhalten und ihre Veränderungsbereitschaft auch die Mitarbeitenden «ins Boot» zu holen und so Glaubwürdigkeit gegenüber dem Kunden auszustrahlen.