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Agrarprotektionismus auf Kosten der Arbeitsplätze

Markus Vettiger, CEO der Maestrani Schweizer Schokoladen AG, im Gespräch Agrarprotektionismus auf Kosten der Arbeitsplätze

Am 1. Januar 2017 tritt die neue Swissness-Gesetzgebung in Kraft. Die erhöhten Anforderungen bringen die Wirtschaft in Bedrängnis. Maestrani-CEO Markus Vettiger erklärt, was die neue Regelung für sein Unternehmen bedeutet. Er befürchtet, dass Arbeitsplätze ins Ausland ausgelagert werden müssen, sollten sie gezwungen werden, überteuerte Rohstoffe in der Schweiz zu kaufen. Trotzdem wird in Flawil kräftig in ein «Chocolarium» investiert.

Herr und Frau Schweizer konsumierten zuletzt knapp 12 Kilo Schokolade pro Jahr, Tendenz sinkend. Maestrani kann also wohl primär im Ausland wachsen. Wie hoch ist Ihr Exportanteil und welche Ziele verfolgen Sie im Ausland?

Markus Vettiger: Unser Exportanteil beträgt ungefähr 35 %. Weil der Schweizer Markt gesättigt ist, ein Verdrängungsmarkt ist und der Lebensmittelhandel praktisch von einem Duopol kontrolliert wird, ist Wachstum für eine KMU, wie wir sie sind, nicht sehr einfach.

Wir versuchen im Ausland, vor allem mit Spezialitäten in Nischenmärkten, zu wachsen; dies gelingt uns einerseits recht gut mit unseren «Bio-/Fairtrade»-Spezialitäten und andererseits mit speziell für den Travel Retail ent­wickelten Produkten vor allem auf internationalen Flughäfen.

Welche Bedeutung hat für Maestrani die Kennzeichnung ihrer Schokolade als Schweizer Produkt?

Es hat eine sehr hohe Bedeutung. Weil wir im Ausland nicht sonderlich bekannt sind, bauen wir mit der Kennzeichnung durch das Schweizerkreuz auf den guten Ruf der Schweizer Schokolade auf.

Ab 1.1.2017 gilt die neue Swissness-Gesetzgebung. Was ändert sich dann für Ihr Unternehmen? Welche Massnahmen ergreifen Sie?

Wir haben durch unseren Branchenverband Chocosuisse zum Glück einige Ausnahme­regelungen verhandelt und werden dadurch weniger davon betroffen sein wie ursprünglich angenommen. Ein Problem bleibt jedoch weiterhin, dass wir gezwungen werden, überteuerte Rohstoffe (Milch und Zucker) in der Schweiz zu kaufen. Dies verringert unsere Konkurrenzfähigkeit im Ausland. Sollte diese Situation durch den Wegfall des Schoggigesetzes (Rohstoff-Preisausgleich für exportierte Produkte) noch verschärft werden, glaube ich, dass wir über kurz oder lang gezwungen sein werden, zumindest für das Ausland bestimmte Produkte nicht mehr in der Schweiz herzustellen.

Es ist wirklich bedauerlich, dass agrarprotektionistische Massnahmen zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland führen können. Die Schweiz als rohstoffarmes Land hat sich in der Vergangenheit durch Wertschöpfung, Innovation, Qualität und Know-how einen Namen auf der ganzen Welt geschaffen. Dies wird leider im Swissness-Gesetz überhaupt nicht berücksichtigt, denn um die Swissness ausloben zu können, sind 80 % der Rohstoffe schweizerischen Ursprungs erforderlich. Eine Ausnahme gilt für den in der Schweiz nicht angebauten Kakao.

Wie Sie erklärt haben, gibt es für die Schokoladeproduktion gewisse Ausnahmen bei der Swissness-Regelung. Ist für Maestrani das Problem also gar nicht so gross?

Das ist eine falsche Annahme. Wir haben nicht die Markenstärke einer multinationalen Firma und auch nicht Marketingbudgets wie die Grossen der Branche, darum stellt für uns die Kennzeichnung mit dem Schweizerkreuz einen unverzichtbaren Vorteil bei der Vermarktung im Ausland dar. Unsere Produkte sind oftmals teurer als ausländische und nur durch die hervorragende Qualität und den Schweizer Ursprung ist der Mehrpreis erzielbar. Eigentlich hat die Schokolade- und Uhrenindustrie die Marke Schweiz erschaffen und davon profitieren heute alle.

Welche Auswirkungen hat die geänderte Swissness-Gesetzgebung auf Ihre Ziele in den Auslandmärkten?

Wir sind heute gezwungen an Möglichkeiten und Wege zu denken, welche für uns früher tabu waren.

Das Produzieren in der Schweiz ist teurer geworden und die steigende Regulierung wird beklagt. Müssen wir bald damit rechnen, dass Unternehmen wie Maestrani im Ausland produzieren?

Für unsere Produkte, welche für den Schweizer Markt bestimmt sind, ist dies vorläufig sicher nicht der Fall. Wir sind stolz darauf, dass alle unsere Produkte nur in der Schweiz hergestellt werden. Dies im Unterschied zu den grössten Schweizer Herstellern.

Welche Rolle spielt die geplante Abschaffung des «Schoggigesetzes», welches bisher mit Exportsubventionen die höheren Einkaufskosten von Rohstoffen mildert?

Um im Ausland mit unseren Produkten konkurrenzfähig zu bleiben, sind wir auf den Zugang zu weltmarktpreisfähigen Rohstoffen angewiesen. Falls wir überteuerte Schweizer Milch und Zucker einkaufen müssen, muss der Preisunterschied in irgendeiner Form ausgeglichen werden.

Wäre die Schweiz zum heutigen «Mutterland der Schokolade» geworden, wenn die neuen Swissness-Regeln damals gegolten hätten?

Ganz klar: nein. Denn als die Milchschokolade erfunden wurde, gab es in der Schweiz keinen Zucker und somit wären die neuen Swissness-Anforderungen nicht erfüllt worden.

Trotz all dieser Unsicherheiten investieren Sie in den Standort Flawil und eröffnen in einem Jahr das «Maestranis Chocolarium». Was können wir davon erwarten?

Wir bekennen uns zum Standort Flawil – die Schweiz ist für uns noch immer der wichtigste Markt; wir investieren in die Zukunft unserer Marken und werden unsere Werte und den Ruf unserer hohen Qualität durch die vielen ausländischen Besucher auch in die Welt hinaustragen. Sie können ein superspannendes, einzigartiges Erlebnis in der fantastischen Schokoladefabrik erwarten.

Welche Erwartungen oder Wünsche möchten Sie als Unternehmer an die Politik richten?

Eigentlich wenige. Vielleicht dies: Besinnt euch doch auf das, was die Schweiz in der Vergangenheit so erfolgreich und bekanntgemacht hat. Öffnet euch und verlasst den Weg der Abschottung.

2017 gilt neues Swissness-Gesetz

Die neue Swissness-Gesetzgebung tritt am 1. Januar 2017 in Kraft. Sie soll den Schutz der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes verstärken und dazu beitragen, Missbrauch zu verhindern und einzudämmen, damit der Wert der «Marke Schweiz» langfristig erhalten bleibt.

Die IHK St. Gallen-Appenzell kritisierte die erhöhten Anforderungen seit der ersten Stunde, weil sie zu Lasten des Produktionsstandortes gehen.