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Aufgehellte Stimmung bei Ostschweizer Wirtschaft

Konjunktur Kernregion Ostschweiz Q1 Aufgehellte Stimmung bei Ostschweizer Wirtschaft

15. Februar 2023 | Die Ostschweizer Unternehmen blicken wieder positiver in die Zukunft. Die Gründe für die Verbesserung sind zum einen die entspanntere Energielage sowie weniger Stress bei den Lieferketten. Die globale Abkühlung wie auch der wirtschaftliche Rückgang in Deutschland spürt die Ostschweizer Wirtschaft weiterhin nur punktuell.

Die wirtschaftliche Situation ist bei den Ostschweizer Unternehmen weiterhin gut. Die Auftragslage präsentiert sich in fast allen Branchen zufriedenstellend, wenn auch die Nachfrage aus dem Ausland etwas abflacht. «Die konjunkturelle Entwicklung in der Ostschweiz präsentiert sich trotz Nachfrageschwäche im Ausland, Preisdruck, Zinswende und dem Fach- und Arbeitskräftemangel erfreulich», meint Beat Schiffhauer, Konjunktur- und Finanzexperte der St.Galler Kantonalbank. «Die befürchtete Energiemangellage in der Schweiz wie auch in der EU hat sich nicht bewahrheitet. Das hat massgeblich zu den positiveren Einschätzungen der Unternehmen beigetragen», so Schiffhauer. Belastend wirken jedoch der weiterhin andauernde Preisdruck sowie die zunehmend hohen Lagerbestände, welche die Unternehmen im Zuge des Lieferkettenstresses vorausschauend aufgebaut haben.

Abb.: Ostschweizer Unternehmen erfreuen sich einer guten Geschäftslage

Die Unternehmen berichten von einer guten Geschäftslage, der Stimmungsbarometer verharrt jedoch unter der wichtigen Marke von 100 Punkten. (Ausführungen zu Methodik und Interpretation am Ende des Dokuments)

Baugewerbe spürt den Preisdruck

Die Auftragslage für das Ostschweizer Baugewerbe ist weiterhin sehr gut. Viele Unternehmen vermelden bis weit ins Jahr hinein Aufträge. Trotz steigender Zinsen sind die Kapazitäten der Unternehmen gut ausgelastet. Hier dürften auch strukturelle Veränderungen eine entscheidende Rolle spielen. «Die Installation von Wärmepumpen und Solarpanels sowie energietechnische Renovationen sorgen für volle Auftragsbücher», meint Jan Riss, Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell. Belastend wirkt neben dem andauernden Fach- und Arbeitskräftemangel der weiterhin hohe Preisdruck. Die Weitergabe von steigenden Materialkosten und höheren Lohnkosten gelingt vielen Unternehmen nur zeitverzögert und belasten die Margen. Entspannen dürfte sich mit der Öffnung der chinesischen Wirtschaft hingegen beim Bau die Situation bei den Lieferketten.

Grosshandel erwartet Verbesserung der Lieferfristen

Eine Entspannung bei den Lieferfristen erwarten auch die Ostschweizer Grosshändler. Zum einen hat man sich an längere Lieferfristen gewöhnt, zum anderen haben mit der Öffnung der chinesischen Wirtschaft und der gleichzeitig global schwächeren Nachfrage zwei gewichtige Faktoren zur Entspannung beigetragen. Gleichzeitig sind die Transportkosten von China nach Europa deutlich gesunken. Die durchschnittlichen Kosten für einen Container bewegen sich fast wieder auf Vorkrisenniveau. Die globalen Logistikketten normalisieren sich zügig, auch wenn die hohen Infektionsraten in China weiterhin punktuell eine Belastung darstellen.

Lageraufbau könnte zur Belastung werden

Unterdessen vermeldet ein erheblicher Teil der Ostschweizer Unternehmen, dass ihr Lagerbestand an Vorprodukten deutlich zu hoch ist. «Dies ist in vielen Fällen gewollt», erläutert Schiffhauer. «Ein Grossteil der Unternehmen hat sich in Folge der anhaltenden Lieferprobleme der vergangenen Jahre ein Lager an Vorprodukten aufgebaut». Zudem haben viele ihr Lieferantennetzwerk diversifiziert. Dies dürfte trotz der Entspannungssignale aus China vorerst so bleiben. «Eine schnelle Rückkehr zur Just-in-Time-Produktion erwarten wir nicht», meint Schiffhauer. «Mittelfristig ist die hohe Lagerhaltung aber eine Kosten- und Liquiditätsfrage und bei einer anhaltenden Stabilisierung dürften die Unternehmen bald wieder zu früheren Praktiken zurückkehren», fügt er an. Herausfordernd für die Unternehmen werden aber im Zuge einer sich abschwächenden Nachfrage die hohen Lagerbestände an Fertigprodukten. Je nach Produktzyklus müssen die Unternehmen die Bestände zügig abbauen, was oft mit einer Belastung der Profitabilität einhergeht.

Abb.: Die Lager werden von den Ostschweizer Unternehmen als zu gross eingeschätzt
Neben den Vorproduktelagern werden auch die Fertigproduktelager von den Ostschweizer Industrieunternehmen als zu gross wahrgenommen.

Preisdruck dürfte weitere Zinserhöhungen der Zentralbanken nach sich ziehen

Die Inflationszahlen in der Schweiz notieren weiter auf hohem Niveau. Viele Ostschweizer Unternehmen erwarten zudem, dass die Einkaufspreise weiter steigen werden. «Viele sehen gute Chancen, die höheren Einkaufspreise weitergeben zu können, was die Preisentwicklung weiter anheizt», meint Riss. Die Kerninflation, also die Preisentwicklung ohne Nahrungsmittel und Energie, stieg deshalb im Gegensatz zur Gesamtinflation zuletzt weiter an. «Vor allem auf die Preise für Dienstleistungen richtet die Schweizerische Nationalbank (SNB) ein besonderes Augenmerk. Denn dort sind die Löhne die wichtigste Kostenkomponente», führt Riss aus. Bis Ende Jahr dürfte die Inflation zwar leicht zurückgehen. Entscheidend für die Teuerungsentwicklung sei aber nicht zuletzt das gepflegte Narrativ. «Setzten sich die ständigen Preis- und Lohnerhöhungen einmal in den Köpfen der Wirtschaftsteilnehmer fest, ist es schwierig, diesen Geist wieder in die Flasche zu bringen», fügt er an. Dies würde einen erheblichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schaden nach sich ziehen. Entsprechend wird die SNB weiter an der Zinsschraube drehen.

Abb.: Inflation ist nicht ausschliesslich energiegetrieben

Entwicklung verschiedener Komponenten des Landesindex der Konsumenten preise (YoY in %)

Konjunkturboard Ostschweiz

Das Konjunkturboard Ostschweiz beurteilt quartalsweise die konjunkturelle Entwicklung der Ostschweizer Wirtschaft in den Hauptbranchen Industrie, Detailhandel, Dienstleistungen und Bau. Das Konjunkturboard setzt sich von Seiten der IHK St.Gallen-Appenzell aus Jan Riss, Chefökonom IHK, von Seiten der St.Galler Kantonalbank aus Caroline Hilb Paraskevopoulos, Leiterin Anlagestrategie und Analyse SGKB, sowie Beat Schiffhauer, Senior Konjunktur- und Finanzexperte SGKB, zusammen. Die Ökonomin und die beiden Ökonomen kommentieren quartalsweise die Konjunkturlage in der Ostschweiz und bringen diese in den nationalen und globalen Kontext. Ergänzt wird das Gremium um Jérôme Müggler, Direktor IHK Thurgau, Karin Jung, Leiterin Amt für Wirtschaft des Kantons St.Gallen, Daniel Lehmann, Leiter Amt für Wirtschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden, sowie Thomas Reinhard, Leiter Projekte und Wirtschaftsfragen Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Thurgau. Diese breite Kombination bündelt verschiedene Kompetenzen und ermöglicht eine ganzheitliche sowie konsistente Einschätzung zur konjunkturellen Entwicklung in der Region.

Die Resultate und Analysen der aktuellen Umfrage können auf der Plattform www.konjunkturboard.ch abgerufen werden. Hier finden sich zudem Kontaktinformationen der jeweiligen Konjunkturboard-Mitglieder.

Konjunkturindizes für die Kernregion Ostschweiz

Um auf schnelle, aber präzise Art und Weise ein systematisches Bild über die Verfassung der Ostschweizer Wirtschaft zu erhalten, sind gesamtwirtschaftliche Konjunkturindizes zentral. Für die Kernregion Ostschweiz stehen zwei Indizes zur Verfügung: Geschäftslageindikator und Stimmungsbarometer.

Der Geschäftslageindikator basiert auf monatlichen oder quartalsweisen Unternehmensbefragungen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich zur aktuellen Einschätzung der Geschäftslage. Dabei geben die befragten Unternehmen ihre Einschätzung mit «gut», «befriedigend» oder «schlecht» an. Der Saldowert zwischen «gut» und «schlecht» – also die Differenz der Prozentanteile – widerspiegelt die aktuelle Geschäftslage. Je höher dieser ist, desto besser schätzen die Unternehmen die aktuelle Geschäftslage ein. Die Aggregation der branchenspezifischen Beurteilung der Geschäftslage ergibt den Geschäftslageindikator.

Der Stimmungsbarometer ist ein breit angelegter Indikator, der die Stimmung in Unternehmen und privaten Haushalten misst und dient dazu, das BIP-Wachstum zu verfolgen. Ein Wert über 100 deutet auf eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Einschätzung hin, während Werte unter 100 eine unterdurchschnittliche Einschätzung signalisieren. Der Stimmungsbarometer ist so standardisiert, dass er meistens zwischen 90 und 110 Punkten liegt.

Die beiden Indikatoren werden gemeinsam von der IHK St.Gallen-Appenzell und der St.Galler Kantonalbank erhoben. Sie werden mit der gleichen Methodik berechnet wie die gesamtschweizerischen Indikatoren der KOF.

Die jeweiligen Konjunkturindizes können auf www.konjunkturboard.ch abgerufen werden. Sie werden monatlich aktualisiert.