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Zukunft Ostschweiz: Problematische finanzpolitische Dynamik

Konjunkturforum Zukunft Ostschweiz: Konjunktur erholt sich Zukunft Ostschweiz: Problematische finanzpolitische Dynamik

Die Ostschweiz steht vor einer doppelten finanzpolitischen Herausforderung, wie eine neue IHK-Studie zeigt, die beim Konjunkturforum Zukunft Ostschweiz vorgestellt wurde: Zum einen steigen die Staatsausgaben deutlich stärker an als das wirtschaftliche Wachstum. Zum anderen – und noch gravierender – ist die unterdurchschnittliche Steuerbasis in der Ostschweiz. Beim Ressourcenpotenzial liegt die Ostschweiz abgeschlagen an zweitletzter Stelle aller Regionen. Im ersten Teil der von rund 1000 Personen besuchten Veranstaltung wurde die sich erholende Konjunktur thematisiert.

Im Vorjahr standen die Konjunkturaussichten noch immer unter dem Schock der Aufhebung des Euro-Mindestkurses anfangs 2015. Ein Jahr später zeigt sich, dass sich die Schweizer Wirtschaft dank Robustheit und Agilität auch unter erschwerten Bedingungen behaupten kann. Dieses Bild wurde beim ersten Teil von „Zukunft Ostschweiz“, dem Konjunkturforum der IHK St.Gallen-Appenzell, der IHK Thurgau und der St.Galler Kantonalbank, bestätigt. Nach den markanten Exportrückgängen im vergangenen Jahr konnte die Ostschweiz 2016 wieder deutlich mehr Waren in die Eurozone ausführen. Dabei ist das Exportwachstum der Ostschweiz gemäss Peter Eisenhut breit über diverse Branchen abgestützt. Betrachte man hingegen die Ausfuhren aus der gesamten Schweiz, so sei rund 80% des Wachstums auf die Chemie- und Pharmabranche zurückzuführen. Während sich der Maschinenbau in der Ostschweiz positiv entwickelt, stellt Eisenhut im Detailhandel eine weiterhin schwierige Situation fest, die von sinkenden Umsätzen und Margen geprägt ist.

BIP-Wachstum von fast 2%

Ein ähnlich grundsätzlich positives Bild zeichnet auch Prof. Dr. Jan-Egbert Sturm. Gemäss dem Direktor der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich ist die Zuversicht bezüglich der weiteren konjunkturellen Entwicklung bei den Unternehmen gestiegen. Dies galt zuletzt insbesondere für die Nordwestschweiz. Sturm geht denn auch davon aus, dass das Schweizer BIP in den nächsten beiden Jahren um 1.8 bis 1.9% wachsen wird. Insbesondere die konsumentennahen Dienstleistungen tragen am stärksten zum Wachstum bei. Ein Problem stellt hingegen die festzustellende Margenerosion dar. Angesichts der steigenden Lohnkosten sinkt der Bruttobetriebsüberschuss der Unternehmen.
Zum Abschluss des ersten Veranstaltungsteils diskutierten Beat Hirt (CEO der Provida Verwaltungs AG und Vizepräsident der IHK Thurgau), Otto F. Hofstetter (Inhaber und Geschäftsführer der Otto Hofstetter AG sowie Vorstandsmitglied der IHK St.Gallen-Appenzell) und Albert Koller (Leiter Bereich Privat- und Geschäftskunden der St.Galler Kantonalbank) unter der Leitung von Peter Eisenhut über die konjunkturelle Situation in der Ostschweiz.

Ostschweiz mit schwachem Ressourcenpotenzial

Schwaches Ressourcenpotenzial der OstschweizDer zweite Teil von „Zukunft Ostschweiz“ stand im Zeichen der Finanzpolitik. Die neue IHK-Studie „Die Finanzlage der Ostschweizer Kantone“ und deren Zusammenfassung in Form eines EcoOst-Standpunktes stellten die Grundlagen der Diskussionen dar. IHK-Direktor Kurt Weigelt stellte die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie in einem Gespräch mit Moderatorin Eva Nietlispach vor. So zeigte er auf, dass die Ostschweiz (gemeint sind damit immer die Kantone SG, TG, AR und AI) im Vergleich mit anderen Grossregionen über ein sehr schwaches Ressourcenpotenzial (steuerbares Einkommen und Vermögen der natürlichen Personen und den steuerbaren Unternehmensgewinnen) verfügt: Die Ostschweiz rangiert an zweitletzter Stelle und gerät insbesondere gegenüber ihren Nachbarregionen Zürich und Innerschweiz ins Hintertreffen. Gleichzeitig nehmen die Ausgaben deutlich stärker zu als das wirtschaftliche Wachstum, insbesondere in den grossen Kostenblöcken öffentlicher Verkehr, Gesundheit und soziale Sicherheit.

Grundsätzliches Umdenken nötig

Die Ostschweiz steht damit finanzpolitisch vor einer doppelten Herausforderung, wie Kurt Weigelt ausführte: „Einerseits muss unsere Wirtschaftskraft gestärkt werden und für junge Erwachsene, qualifizierte Mitarbeitende und zukunftsorientierte Unternehmen attraktiver werden.“ Dies erfordere gezielte Investitionen in Zukunftsprojekte, wie zum Beispiel die von der IHK vor einem Jahr vorgeschlagene IT-Bildungsoffensive. Andererseits müsse aber auch das Ausgabenwachstum in Griff bekommen werden. „Dieser finanzpolitische Spagat ist ohne ein grundsätzliches Umdenken nicht zu bewältigen“, findet Weigelt.
Um dieser Situation zu begegnen, sind aus Sicht des IHK-Vorstandes sechs mögliche strategische Optionen denkbar. Sechs kantonale Politikerinnen und Politiker stellten – jeweils in Form eines Plädoyers – diese sechs Optionen vor: Bettina Surber (SP-Kantonsrätin St.Gallen) votierte für Steuererhöhungen, Michael Götte (SVP-Fraktionspräsident St.Gallen) setzte sich für eine verstärkte Nutzerfinanzierung ein, Ruedi Eberle (SVP-Grossrat Appenzell Innerrhoden) warb fürs Sparen, Yvonne Suter (CVP-Kantonsrätin St.Gallen) für eine bessere Schwerpunktbildung, Roger Sträuli (alt Kantonsrat FDP Appenzell Ausserrhoden) für Strukturreformen und Sonja Wiesmann Schätzle (SP-Fraktionspräsidentin Thurgau) für eine höhere Verschuldung.

Option Schwerpunktbildung wird von der Wirtschaft bevorzugt

Im Anschluss an die Plädoyers konnten die Anwesenden im Saal mittels Abstimmungsgeräten entscheiden, welche Optionen sie bevorzugen würden. Das Ergebnis soll der Politik sowie der IHK einen Fingerzeig geben, in welche Richtung künftige Forderungen gehen könnten, um die Ostschweizer Finanzhaushalte langfristig gesund halten zu können. Den grössten Zuspruch erhielt die Handlungsoption Schwerpunktbildung: 94% der anwesenden IHK-Mitglieder würden die Option befürworten oder eher befürworten. Auf den weiteren Plätzen folgten die Optionen Strukurreform mit 87% und Sparen mit 79%, dicht gefolgt von der Nutzerfinanzierung mit 76%. Am wenigsten Zuspruch erhielten – wenig überraschend – die Option Steuererhöhung mit lediglich 11% und Verschuldung mit 22%.

 

 

 


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