Konjunkturforum 2015 von IHK und SGKB Zukunft Ostschweiz: IT-Bildungsoffensive für die Ostschweiz
„Die Ostschweizer Wirtschaft im Härtetest" lautete der vielsagende Titel des ersten Teils von Zukunft Ostschweiz, dem gemeinsamen Konjunkturforum der IHK St.Gallen-Appenzell und der St.Galler Kantonalbank. Peter Eisenhut machte deutlich, dass der Schock nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar noch nicht verdaut wurde. Im Gegenteil: „Die negativen Auswirkungen zeigen sich jetzt mit zeitlicher Verzögerung", erklärt der Ökonom. Die Ostschweizer Exporte in die Eurozone sind im dritten Quartal um mehr als zehn Prozent gesunken. Aufgrund massiver Preisnachlässe sind die Margen weggeschmolzen. Trotzdem blicke die Industrie mit relativ viel Zuversicht in die Zukunft, wie der Konjunkturindex zeige. Die Frankenstärke habe gemäss Peter Eisenhut aber auch der Detailhandel stark zu spüren bekommen. „Neben sinkenden Preisen und schwindenden Margen führt auch der Einkaufstourismus zu einem aussergewöhnlich schlechten Jahr im Detailhandel", weiss Peter Eisenhut. Bei der Bauwirtschaft sei eine leichte Abkühlung feststellbar, auch wenn die Bautätigkeit nach wie vor auf einem hohen Niveau sei.
Wechselkurs als dominierendes Thema
Für die ganze Schweiz betrachtet, fällt die Konjunktureinschätzung etwas positiver aus. Gemäss Jan-Egbert Sturm, Direktor der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, hat sich die Geschäftslage insgesamt zuletzt auf tiefem Niveau leicht verbessert. Die positivere Entwicklung gelte jedoch primär für die Nordwestschweiz und die Region Zürich. Der im Januar schlagartig erstarkte Franken war auch bei Jan-Egbert Sturm zentrales Thema. So zeigte er auf, welche Auswirkungen die Aufhebung des Mindestkurses auf die Preis- oder Exportentwicklungen hatte. Zwar stiegen die Exporte real um 1.1%, doch aufgrund des Wechselkurses sanken die Exporte nominal um 3.1%. Entsprechend verschlechtert hat sich auch die Geschäftslage der Unternehmen seit anfangs Jahr. Zum Schluss des ersten Veranstaltungsteils wurden die präsentierten Konjunkturprognosen in ein einem Konjunkturtalk vertieft. Unter der Leitung von Peter Eisenhut diskutierten Roland Ledergerber (CEO St.Galler Kantonalbank und IHK-Vizepräsident), Rolf Frei (CFO SFS Group und IHK-Vorstandsmitglied) und Ivo Dietsche (Leiter Coop Verkaufsregion Ostschweiz-Ticino) über die spezifische Situation in der Ostschweiz.
Ostschweiz im Krebsgang
Im zweiten Teil von Zukunft Ostschweiz stellte IHK-Direktor Kurt Weigelt die längerfristige Entwicklung der Ostschweiz als Wirtschaftsstandort ins Zentrum. Dafür untersuchte die IHK St.Gallen-Appenzell die Veränderung verschiedener wichtiger Kennziffern im Vergleich zu den anderen Wirtschaftsregionen der Schweiz. Die Resultate sind alarmierend. Egal ob es um die Entwicklung der Bevölkerung, der Beschäftigung oder der Exporte geht: Die Wirtschaftsentwicklung der Ostschweiz verlief in den letzten 15 Jahren klar unterdurchschnittlich. Dies bedeutet, dass die Ostschweiz laufend an Bedeutung verliert. Für Kurt Weigelt ist klar, dass es jetzt höchste Zeit ist, neue Strategien zu entwickeln: „Wir müssen uns nicht neu erfinden, sondern auf vorhandenen Kompetenzen aufbauen und diese weiterentwickeln." In erster Linie solle die Forschung und Entwicklung gestärkt werden. Die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen rund um Hochschulen. Dementsprechend wichtig sei die Rolle der Bildungspolitik, die mit der richtigen Weichenstellung die wirtschaftliche Entwicklung einer Region nachhaltig verändern kann.
IT-Bildungsoffensive starten
Kurt Weigelt verweist auf den „SATW Technology Outlook" der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften. In der Studie werden Schlüsseltechnologien aufgeführt, die in Zukunft für den Erfolg aller Branchen entscheidend sein werden. Dazu gehört unter anderem die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), die sämtliche Lebensbereiche noch stärker durchdringen wird, gerade auch die Industrie (Stichwort Industrie 4.0). Gemäss Weigelt eröffne sich hier eine grosse Chance für die Ostschweiz, denn bereits heute verfügt die Ostschweiz über einen starken IT-Cluster mit knapp 2000 IKT-Unternehmen. Wenn sich die Ostschweiz als führender IT-Standort etablieren kann, werden auch die entscheidenden Impulse für die Zukunftstauglichkeit des Industrie- und Werkplatzes gesetzt. Um dies zu erreichen, schlägt die IHK St.Gallen-Appenzell eine Bildungsoffensive im Bereich der Informatik mit folgenden Massnahmen vor:
- Einführung von Informatik-Mittelschulen: Die duale Berufsbildung soll im Bereich der Informatik mit Fachmittelschulen ergänzt werden. Von dieser Massnahme verspricht sich die IHK einen wirkungsvollen Beitrag im Kampf gegen den Fachkräftemangel.
- Standortübergreifende Informatikstrategie der Fachhochschule Ostschweiz: Die drei Teilschulen der Fachhochschule Ostschweiz in Rapperswil, Buchs und St.Gallen bilden erfolgreich Informatikfachleute aus. Was jedoch fehlt, ist eine standortübergreifende Informatik-Strategie. Vorhandene Fähigkeiten müssen gebündelt und Kompetenzzentren aufgebaut werden. Dies zugunsten eines sinnvollen Einsatzes vorhandener Mittel und mit Blick auf eine erfolgreiche Positionierung der Fachhochschule Ostschweiz als Ausbildungsstätte mit schweizweiter Ausstrahlung.
- Aufbau eines Informatik-Studiums an der Universität St.Gallen: An der Universität St.Gallen soll ein „Studienschwerpunkt Informatik" entstehen. Die Universität erfüllt alle Voraussetzungen, um auch im Bereich der Informatikausbildung sowie der Informatikforschung und -entwicklung eine europaweit führende Stellung aufzubauen. Der Studiengang mit einer Bachelor- und Masterausbildung soll sowohl die theoretisch-wissenschaftlichen Grundlagen vermitteln als auch die Kompetenz, diese in marktfähige Produkte umzusetzen.
200'000 Franken für Machbarkeitsstudie
Eine Bildungsoffensive ist jedoch nicht kostenlos zu haben. Zur Erreichung der bildungspolitischen Ziele schlägt die IHK St.Gallen-Appenzell deshalb vor, Gelder aus dem besonderen Eigenkapital des Kantons St.Gallen für Initialaufwände einzusetzen. Zurzeit kommt das besondere Eigenkapital ausschliesslich Steuerentlastungen und Gemeindefusionen zu Gute. Um den Verwendungszweck anzupassen und auch zur Förderung der MINT-Bildung (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) einsetzen zu können, soll ein Vorstoss im St.Galler Kantonsrat eingereicht werden. Zudem schlägt die IHK vor, dieses Geld in eine Stiftung einzubringen. „Auf diese Weise könnte die Stiftung auch mit Geldern der Nachbarkantone und von Privaten geäufnet werden", erklärt Kurt Weigelt. Die IHK St.Gallen-Appenzell möchte selbst einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der IT-Bildung leisten: IHK-Präsident Peter Spenger und IHK-Direktor Kurt Weigelt überreichten Thomas Bieger, Rektor der Universität St.Gallen, am Schluss der Veranstaltung einen Check über 200'000 Franken. Mit dem Beitrag der IHK soll die Universität St.Gallen eine Konzept- und Machbarkeitsstudie „Studienschwerpunkt Informatik" erarbeiten. Neben möglicher Alleinstellungsmerkmale einer solchen Bachelor- und Masterausbildung soll die Studie vor allem auch den Praxisbezug und den Wissenstransfer zum industriellen Sektor untersuchen.
Dokumente:
IHK: IT-Bildungsoffensive für die Ostschweiz
KOF/ETH: KOF Geschäftslageindikator mit leichtem Auftrieb, aber weiterhin auf niedrigem Niveau
Quartalsbericht Konjunkturumfrage SGKB/Kanton St.Gallen: Ostschweizer Konjunkturindes im Minus
Vorschau:
Zukunft Ostschweiz findet in den nächsten Jahren an folgenden Daten statt:
Montag, 20. November 2017
Montag, 19. November 2018