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Krankheit während Probezeit

Krankheit während Probezeit

Ein Arbeitnehmer ist während der Probezeit erkrankt. Dürfen wir ihm kündigen? Hat er während der Probezeit für die Krankheitsdauer Anspruch auf Lohn?

 

A. Dauer der Probezeit

Bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis sieht das Gesetz eine Probezeit von einen Monat vor. Im Arbeitsvertrag kann die Probezeit verkürzt, bis höchstens drei Monate verlängert oder auch ganz wegbedungen werden (Art. 335b OR). Ein Gesamtarbeitsvertrag kann abweichende Regelungen vorsehen. Arbeitet der Arbeitnehmer während der Probezeit wegen Krankheit, Unfall, Militär- oder Zivildienst für eine gewisse Zeit nicht, verlängert sich die Probezeit um diese Zeit.
Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis jederzeit mit einer Kündigungsfrist von sieben Tagen gekündigt werden. Die Gegenpartei muss die Kündigung während der Probezeit erhalten, die Frist kann hingegen nach der Probezeit ablaufen. Die Parteien können schriftlich etwas anderes vereinbaren oder ein Gesamtarbeitsvertrag kann eine abweichende Regelung enthalten.

B. Kein zeitlicher Kündigungsschutz während laufender Probezeit

Erkrankt ein Arbeitnehmer oder fällt er aufgrund eines Unfalls ganz oder teilweise aus, darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während einer bestimmten Dauer nicht kündigen. Im ersten Dienstjahr beträgt die Dauer des Kündigungsschutzes 30 Tage, ab dem zweiten bis und mit dem fünften Dienstjahr 90 Tage und ab dem sechsten Dienstjahr 180 Tage. Auch darf der Arbeitgeber nicht kündigen, während der Arbeitnehmer Militär- oder Zivildienst leistet, sowie während der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin und in den 16 Wochen nach deren Niederkunft. Hat der Arbeitgeber die Kündigung ausgesprochen, bevor die Kündigungsfrist abgelaufen ist, so wird die Kündigungsfrist durch diese sogenannten Sperrfristen unterbrochen und nach deren Ende fortgesetzt. Entsprechend verlagert sich das Ende des Arbeitsverhältnisses nach hinten.
Diese Sperrfristen greifen aber erst nach Ablauf der Probezeit. Spricht der Arbeitgeber die Kündigung noch während der Probezeit aus, so ist die Kündigung gültig. Die kurze Kündigungsfrist wird nicht unterbrochen, selbst wenn die Abwesenheit des Arbeitnehmers wegen Krankheit oder Unfall über die Probezeit hinaus andauert. Wenn die Probezeit wegen Krankheit oder Unfall des Arbeitnehmers verlängert wird, setzt der zeitliche Kündigungsschutz erst nach Ablauf der (verlängerten) Probezeit ein (Art. 336c OR).

C. Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers während der Probezeit?

Kann ein Arbeitnehmer wegen einer Erkrankung, eines Unfalls oder Leistung von Militär- oder Zivildienst seine Arbeitsleistung nicht erbringen, muss der Arbeitgeber ihm den Lohn für eine gewisse Zeit weiterhin entrichten, wenn das Arbeitsverhältnis für mehr als drei Monate eingegangen ist oder mehr als drei Monate gedauert hat. Kann also ein Arbeitsverhältnis durch Kündigung vor Ablauf der ersten drei Monate beendet werden, was bei Vereinbarung einer Probezeit regelmässig der Fall ist, beginnt die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht erst am ersten Tag des vierten Anstellungsmonats (Art. 324a OR). Die Parteien können aber eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung treffen.
Bestehende Ansprüche des Arbeitnehmers aus einer abgeschlossenen Krankentaggeldversicherung oder aus der Unfallversicherung sind unabhängig von der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers.

Beispiel: Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer haben im schriftlichen Arbeitsvertrag eine Probezeit von 3 Monaten vereinbart. Der Arbeitnehmer tritt seine unbefristete Stelle am 1. Februar 2016 an und ist vom 10. März 2016 infolge eines Unfalls für einen Monat krankgeschrieben. Der Arbeitgeber könnte dem Arbeitnehmer trotz der unfallbedingten Abwesenheit kündigen, da der zeitliche Kündigungsschutz erst nach Ablauf der Probezeit greift. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer während dieser unfallbedingten Abwesenheit keinen Lohn entrichten, da das Arbeitsverhältnis noch keine drei Monate gedauert hat. Aufgrund der unfallbedingten Abwesenheit während der Probezeit verlängert sich die Probezeit um einen Monat und dauert bis Ende Mai 2016. Im Mai 2016 erkrankt der Arbeitnehmer an einem Virus und fällt für sechs Wochen aus. Nun trifft den Arbeitgeber eine Lohnfortzahlungspflicht, weil das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat. Weil die Probezeit aufgrund der Verlängerung noch andauert, könnte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch unter Einhaltung der siebentägigen Kündigungsfrist kündigen und sich damit einer längeren Lohnfortzahlungspflicht entledigen, da mit Ende des Arbeitsverhältnisses auch die Lohnfortzahlungspflicht endet.

 

lic.iur. Thomas Mayer, Rechtsanwalt
Schoch, Auer & Partner
Mitglied des St. Galler Anwaltsverbandes SGAV