Arbeitsmigration

Via Schwägalp hoch hinaus

Nicu Sohoreanu gehört zum Säntis-Team wie die Siedwurst zu den Chäshörnli.

13. Dezember 2024, Bruno Eisenhut und Fabio Giger

Nicu Sohoreanus beruflicher Aufstieg erinnert an das allenthalben geläufige Bild «Vom Tellerwäscher zum Millionär». Reich ist der einstige Tellerwäscher aus Rumänien inzwischen geworden – reich an Glücksmomenten. Auf der Schwägalp beginnt für Touristen der Aufstieg zum Säntis. Für Nicu Sohoreanu begann hier sein beruflicher Aufstieg. Der gebürtige Rumäne ist einer von 220 Mitarbeitenden aus 21 Nationen, die täglich einzigartige Bergerlebnisse schaffen. «Ich bin ein Teil der Schwägalp», sagt Sohoreanu stolz. Ohne ihn und alle seine Arbeitskollegen bliebe das Sandwich aus dem eigenen Rucksack das kulinarische Highlight am Säntis.

Seit acht Jahren arbeitet Sohoreanu in der Küche des Hotels Schwägalp. Angefangen hat er als Tellerwäscher – fast ohne Deutschkenntnisse und ohne Erfahrung in der Küche. «Ich habe zuvor mein ganzes Leben in der Landwirtschaft gearbeitet. Aber ich wollte weiterkommen, eine richtige Stelle haben, nicht nur Hilfskraft sein», erzählt er. Mittlerweile hat er das Abwaschtuch gegen den Kochlöffel getauscht. Vor zwei Jahren schloss Sohoreanu seine Kochlehre EBA mit einer 5,2 ab. «Darauf bin ich sehr stolz», sagt er strahlend. Durchhaltewillen und täglicher Einsatz waren die wichtigsten Zutaten für sein Erfolgsrezept. Dazu kam eine Prise «Anschubhilfe» seines Vorgesetzten, der sein Potenzial erkannte und ihn förderte – bis er sich entschloss, die Kochlehre zu beginnen.

«Wir sitzen alle in derselben Bahn.»

Personal mit Migrationshintergrund springt in die Bresche

In der Bundesstatistik gilt Sohoreanu als «gering qualifiziert», doch Jakob Gülünay, Geschäftsführer der Säntis Schwebebahnen AG, widerspricht: «Für uns ist Nicu unverzichtbar.» Ohne Mitarbeitende mit Migrationshintergrund wäre der Betrieb auf der Schwägalp nicht möglich. «Sie übernehmen Positionen, die Einheimische seltener besetzen, etwa in der Küche oder im Housekeeping», so Gülünay. Damit ist die Säntis-Schwebebahnen AG kein Einzelfall: In kaum einem anderen Job ist der Anteil an ausländischen Arbeitskräften höher als unter den Hilfskräften in der Gastronomie.

Ohne sie läuft nichts am Berg: Die Säntis Schwebebahn AG beschäftigt 220 Mitarbeitende aus 21 Nationen.

Der Arbeitskräftemangel, besonders in der Gastronomie, verstärkt den Bedarf an ausländischen Arbeitskräften. «Für die Küche gibt es kaum Bewerbungen», stellt Gülünay fest. Darum geht sein Betrieb eigene Wege, setzt gezielt auf Integration und Ausbildung der eigenen Leute – so wie bei Nicu Sohoreanu. Ein zentraler Ansatzpunkt ist dabei die Sprache. «Sprache ist einer der wichtigsten Integrationsfaktoren», betont Gülünay. Deshalb bietet das Unternehmen seit kurzem Deutschkurse an.

Zufriedenheit rundum

Nicu Sohoreanu hat die Sprache bei seiner Arbeit am Selbstbedienungsbuffet gelernt. Da arbeitet er am liebsten. «Weil ich mich mit den Gästen unterhalten kann», sagt er. Inzwischen kennt er viele Stammgäste und weiss, welche Menüs sie bevorzugen. Sohoreanu kann flexibel eingesetzt werden, sei es in der kalten oder warmen Küche oder bei der Vorproduktion. Im Restaurant Passhöhe unterhalb der Schwägalp hat er auch schon die Küche geleitet.

«Ich bin ein Teil der Schwägalp.»: Nicu Sohoreanu (r.) mit Jakob Gülünay.

Die Schwägalp, ein Ort, an dem Berge und Karrieren gleichermassen in den Himmel wachsen können – das zeigt Nicu Sohoreanus Werdegang eindrucksvoll. Die ersten Jahre wohnte er im betriebseigenen Personalhaus. Heute lebt er im nahe gelegenen Urnäsch und fährt, wenn möglich, mit dem Fahrrad zur Schwägalp. In seiner Freizeit wandert er gern, am liebsten auf den Säntis – aber nicht mehr so oft wie früher. Der Grund dafür: Seit einem halben Jahr sind er und seine Frau Eltern eines Sohnes. «Ich bin sehr glücklich und dankbar», sagt Sohoreanu, «mit meinem Beruf, meinem Arbeitsumfeld und meiner persönlichen Entwicklung.»

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