Neue Eskalation im Aussenhandel
US-Importzölle – Wie weiter?
US-Zölle gefährden die Weltwirtschaftsordnung. Was bedeutet dies für Ostschweizer Unternehmen?

3. April 2025
In den kommenden Tagen treten neue US-Zölle in Kraft – mit besonders harten Auswirkungen für die Ostschweiz. Auf Schweizer Exporte wird ein überdurchschnittlich hoher Zollsatz von 31 Prozent erhoben. Die IHK St.Gallen-Appenzell beobachtet die Entwicklungen mit Besorgnis. Ruhe bewahren, verhandeln und gemeinsam mit Verbündeten für offene Märkte und Freihandel einsetzen ist angesagt. Im folgenden finden Sie aktuelle Informationen.
Update vom 10. April 2025:
Am 9. April (EST) hat die US-Regierung die Zölle per sofort und für die Dauer von 90 Tagen durch einen allgemeinen Zoll für Importe in die USA in der Höhe von 10 % ersetzt. Dies gelte für alle Handelspartner, welche keine Gegenmassnahmen getroffen haben. Somit gilt dies auch die Schweiz.
Am 10. April hat die EU bekanntgegeben, dass auch sie ihre geplanten Handelshemmnisse für die USA für 90 Tage aussetzen wird.
Informationen für die Ostschweizer Exportwirtschaft
Die Partnerschaft mit Switzerland Global Enterprise (S-GE) erlaubt uns, auf tiefgreifendes Know-how im In- und Ausland zu spezifischen Exportmärkten zurückzugreifen. In diesem Zusammenhang führt S-GE eine aktuell geführte Übersicht zu den Zoll-Änderungen der USA und deren Bedeutung für unsere Mitgliedsunternehmen.
Die Übersicht finden Sie hier.
Die neuen US-Zölle auf Schweizer Exporte sind umfassender und gravierender als erwartet. Sie treffen insbesondere die Ostschweizer Industrie voraussichtlich spürbar – gerade in einer Phase schwacher Auftragslage und struktureller Herausforderungen. Wiewohl die Auswirkungen erst erahnt werden können, dürften die historisch hohen Zölle nicht nur direkt den schweizerischen Handel mit den USA belasten, sondern den weltweiten Handel und damit die über Jahrzehnte entwickelte internationale Arbeitsteilung und den damit verbundenen Wohlstand gefährden. Für die Schweiz ist nun entscheidend, ihren wirtschaftlichen Beitrag in den USA und ihre Offenheit für fairen Handel noch gezielter in die Handelsdiplomatie einzubringen. Gleichzeitig gilt es, die Aussenbeziehungen zu gleichgesinnten Partnerinnen weiter zu stärken – insbesondere mit der EU.
Wichtiger Handelspartner geht weiter auf Konfrontationskurs
Ostschweizer Unternehmen exportierten im vergangenen Jahr Waren im Wert von über 2,3 Milliarden Franken in die USA. Die Vereinigten Staaten gehören damit zu den wichtigsten Handelspartnern der Ostschweiz. «Die neuen Zölle betreffen nicht nur einzelne Branchen, sondern entfalten eine Wirkung entlang ganzer Lieferketten – sowohl direkt bei Exporten in die USA als auch in abgeschwächter Form über den Handel mit der ebenfalls betroffenen EU», sagt IHK-Chefökonom Jan Riss. Besonders betroffen seien Ostschweizer Industriebetriebe, deren Wertschöpfung stark in internationale Lieferketten eingebunden sei. Immerhin: Pharmaprodukte sind vom aktuellen Zollhammer ausgenommen – zumindest vorerst. Die Schweiz exportierte 2024 Pharmaprodukte im Wert von 31,2 Milliarden Franken in die USA. Zusammen mit den chemischen Erzeugnissen sind sie für knapp zwei Drittel der Schweizer Warenexporte in die USA verantwortlich. In der Ostschweiz machen die Chemie- und Pharmaexporte immerhin ein gutes Drittel der US-Warenexporte aus.
Diffuse Begründung, Verlusterwartungen für alle Länder
Kurzfristig dürften die höheren Importpreise primär US-Konsumenten belasten, sekundär die Importeure in den USA und die Exporteure in Europa und Asien. In der Schweiz ist damit mit Investitionsverzögerungen auf Unternehmensseite zu rechnen – eine Entwicklung, die auch in der Schweiz spürbar werden könnte. «Wirtschaftliche Unsicherheit ist immer auch investitionshemmend», so Remo Wild, Leiter Export bei der IHK. Für exportorientierte KMU stelle sich nun die Herausforderung, ihre Preisstrategien für den US-Markt zu überprüfen und sich stärker mit von ihnen angewendeten Handelsklauseln (Incoterms) und damit der zolltechnischen Klassifikation auseinanderzusetzen. Gleichzeitig gelte es laut Wild festzuhalten, dass die Schweiz zwar einen Handelsbilanzüberschuss bei den Waren aufweise. Werden hingegen auch die Dienstleistungen wie Software- und Streaming-Lizenzen oder Forschungs- und Entwicklungsausgaben berücksichtigt, so halten sich Importe und Exporte ziemlich genau die Waage. «Dass der Dienstleistungshandel sowie die einseitige Abschaffung der Industriezölle durch die Schweiz nun von der US-Administration ignoriert wurden, ist schlichtweg nicht nachzuvollziehen», so Wild. Überdies schaffen Schweizer Unternehmen viele Arbeitsplätze in den USA und investieren massgeblich: Bei ausländischen Investitionen in den USA liegt die Schweiz im internationalen Vergleich auf Platz 6. Schweizer Unternehmen schaffen in den Vereinigten Staaten fast eine halbe Million Arbeitsplätze mit einem sehr hohen Durchschnittseinkommen von 131’000 Dollar pro Stelle.
Den Schweizer Weg fortführen
«Die Schweiz ist ein offener, rohstoffarmer und verhältnismässig kleiner Markt. Die Unternehmen sind elementar darauf angewiesen, ihre Produkte möglichst hindernisfrei im Ausland verkaufen zu können. Auf die stark techindustrie- und exportorientierte Ostschweiz trifft dies besonders zu. Daher sollte die offizielle Schweiz von einer konfrontativen Gegenreaktion absehen», beurteilt IHK-Direktor Markus Bänziger die Lage. Die Geschichte zeige: Zölle schaffen vor allem Verlierer.
So begrüsst und unterstützt die IHK die bisherige Haltung des Bundesrats, in der Handelspolitik mit ruhiger Hand und durch intensive diplomatische Bemühungen zu agieren. Die fortgesetzte Handelsdiplomatie von Wirtschaftsminister Guy Parmelin und Aussenministerin Karin Keller-Sutter sowie Staatssekretärin Helene Budliger Artieda beurteilt Bänziger als richten Schritt. Parallel müsse die Diversifizierung der Exportmärkte beschleunigt werden – etwa durch die Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit Indien oder die Wiederaufnahme der Gespräche mit dem Mercosur. Langfristig sei auch ein sektorielles Freihandelsabkommen mit den USA anzustreben. Gleichzeitig gelte es, den Marktzugang zur EU als wichtigstem Absatzmarkt der Ostschweizer Wirtschaft nachhaltig zu sichern.
Newsticker: Handelspolitik Trump 2.0
Unser Partnerverband economiesuisse führt einen Newsticker mit den aktuellen Entwicklungen zur US-amerikanischen Aussenhandelspolitik.
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