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Ostschweizer Wirtschaft nimmt Bedrohung durch Coronavirus ernst und fordert eine gemeinsame Ermöglichungsstrategie

6. Ostschweizer Corona-Unternehmensumfrage Ostschweizer Wirtschaft nimmt Bedrohung durch Coronavirus ernst und fordert eine gemeinsame Ermöglichungsstrategie

12. Februar 2021 | Die Ostschweizer Unternehmen beurteilen die Bedrohung durch das Coronavirus als ernst und kämpfen nach wie vor mit starken coronabedingten Erschwernissen. Das zeigt die sechste IHK-Unternehmensumfrage. Die Mehrheit rechnet damit, dass die Erschwernisse weiter anhalten werden und ein spürbarer wirtschaftlicher Aufschwung noch länger Zeit benötigt. Von den Ostschweizer Regierungen fordern die IHK St.Gallen-Appenzell und die IHK Thurgau eine Ermöglichungsstrategie und einen stärkeren Einbezug der Unternehmen in die Bewältigung der Pandemie. Als unmittelbare Massnahme soll der Fokus auf eine ambitionierte Teststrategie gerichtet werden. Wirtschaft und Gesellschaft benötigen eine Perspektive.

Die sechste Unternehmensumfrage «Coronavirus und Ostschweizer Wirtschaft» der IHK St.Gallen-Appenzell und der IHK Thurgau zeigt, dass die Unternehmen in der Kernregion Ostschweiz durch die Corona-Pandemie zwar unterschiedlich stark betroffen sind, aber weitgehend einen Umgang mit den coronabedingten Erschwernissen gefunden haben. Das widerspiegelt sich insbesondere in der Bewertung der Geschäftsentwicklung. So beurteilen trotz starker Erschwernisse vier von fünf befragten Unternehmen die Geschäftsentwicklung im vierten Quartal 2020 als befriedigend oder gar als gut. «Das verarbeitende Gewerbe schätzt dabei die Geschäftsentwicklung leicht schlechter ein als der Dienstleistungsbereich. Allerdings existieren innerhalb der beiden Sektoren erhebliche Unterschiede», erklärt Alessandro Sgro, Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell.

Durchwegs als gut schätzen der Hoch- und Tiefbau sowie der Grosshandel die Geschäftsentwicklung ein. Im tertiären Sektor sind erwartungsgemäss Teile des Detailhandels negativ betroffen.

«Die coronabedingten Erschwernisse sind im verarbeitenden Gewerbe insgesamt deutlich stärker ausgeprägt als im Bereich der Dienstleistungen», führt Sgro weiter aus. Dabei sind es die nach wie vor sehr tiefe Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen, aber auch der Personalausfall und je nach Bereich auch ein zu hoher Personalbestand, die die Unternehmen beschäftigen. Aufgrund und trotz der starken Erschwernisse nimmt die Mehrheit der befragten Unternehmen die Bedrohung durch das Coronavirus ernst.

Abb.: Ostschweizer Unternehmen nehmen die Bedrohnung durch das Coronavirus ernst. 
Frage: Wie ernst muss man die Bedrohung durch das Coronavirus nehmen?

Fokus richtet sich nach vorne, Chancen werden genutzt 

Über die Hälfte der befragten Unternehmen rechnet damit, dass die Erschwernisse noch länger als neun Monate anhalten werden. Die Aussichten haben sich somit im Vergleich zum November 2020 leicht eingetrübt. Entsprechend geht die Mehrheit frühestens im zweiten Halbjahr 2021 oder im ersten Halbjahr 2022 von einem spürbaren wirtschaftlichen Aufschwung aus. Erfreulicherweise wird unmittelbar weder mit einer grösseren Kündigungs- noch mit einer Konkurswelle gerechnet. «Die aktuellen Konkurszahlen liegen sogar unter dem langfristigen Durchschnitt. Allerdings sind diese Zahlen mit Vorsicht zu betrachten, da zurzeit viele Unternehmen, die unter normalen Bedingungen nicht mehr profitabel wären, durch die immensen Stützungsmassnahmen am Leben erhalten werden», erklärt Sgro weiter. Die Unterstützungsmassnahmen von Bund und Kanton werden von den befragten Unternehmen grösstenteils in Art und Umfang als angemessen und ausreichend erachtet. Für drei von zehn befragten Unternehmen gehen sie zu weit. Als notwendig und ausgewogen wird auch das Härtefallprogramm beurteilt. Doch die Forderungen nach einem klaren Konzept zur strategischen Bewältigung der Corona-Pandemie nehmen deutlich zu. Positiv zu erwähnen ist, dass Unternehmen die Krise dennoch als Chance nutzen können und anpassungsfähig bleiben. Digitalisierung, Prozessoptimierungen und die Entstehung von innovativen Produkten und Dienstleistungen sind die meist genannten Punkte in diesem Zusammenhang.

Abb.: Ostschweizer Unternehmen beweisen in der Krise ihre Anpassungsfähigkeit 
Frage: Konnten Sie im Hinblick auf die Erschwernisse der Coronakrise auch Chancen in Ihrem Betrieb realisieren? 

Unternehmen wollen einen Beitrag leisten 

Die negativen Folgen der Corona-Pandemie für die Wirtschaft und die Gesellschaft sind immens. Der psychische Druck aber auch die durch die Pandemie veränderten Rahmenbedingungen in den Unternehmen wiegen immer schwerer. Unternehmerinnen und Unternehmen wollen entsprechend einen Beitrag leisten, um die Corona-Pandemie möglichst schnell und nachhaltig einzudämmen. «Letztlich geht es um Planungssicherheit, die Aufrechterhaltung des gesamten Betriebs und der Ostschweizer Wirtschaftskraft. Mit immer wieder aufflackernden Corona-Infektionsherden gefolgt von wiederkehrenden gesundheitspolizeilichen Massnahmen ist dies nur schwer möglich», erläutert Markus Bänziger, Direktor der IHK St.Gallen-Appenzell. Damit dies gelingt, sei ein Perspektivenwechsel notwendig. «Die Bestrebungen dürfen sich nicht auf kurzfristige Eindämmungsmassnahmen und Härtefallhilfen beschränken, sondern müssen ein Leben und Wirtschaften mit Corona ermöglichen.

Hierzu braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und der Bevölkerung», ergänzt Jérôme Müggler, Direktor der IHK Thurgau. Vor allem sei eine ambitionierte Teststrategie erforderlich, die auch Unternehmen und Arbeitnehmenden einen niederschwelligen Zugang zu Tests und so ein «Wirtschaften» trotz Corona und mit Respekt vor der Pandemie ermögliche. Tests müssen in ausreichendem Masse und lokal verfügbar sein sowie zeitnah ausgewertet werden können.

Ausbau der Testkapazitäten, Blick nach vorne 

Denn Praxiserfahrungen zeigen, dass in den Unternehmen grundsätzlich eine hohe Testbereitschaft herrscht, die Betriebe aber nicht die gewünschte Unterstützung finden. «Zudem sind die Testkapazitäten in der gesamten Region heute viel zu tief. Diese muss unmittelbar erhöht werden», fordert Bänziger. Nur so lassen sich Infektionsketten frühzeitig erkennen und unterbrechen. Letztlich sei es zielführender, die Ressourcen in Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu leiten, als im Nachgang verschiedene Wirtschaftszweige mit hohen finanziellen Beträgen stützen zu müssen.

Die IHK St.Gallen-Appenzell und die IHK Thurgau luden diese Woche zu einem Ostschweizer Wirtschaftsgipfel mit den Vorstehern der Volkwirtschaftsdepartemente sowie den Leitern der Ämter für Wirtschaft und Arbeit der Kantone St.Gallen, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden und Thurgau. Dabei wurden die Forderung nach einer klaren Ermöglichungsstrategie mit dem Fokus auf ambitionierten Teststrategien eingebracht. «Wir müssen das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben mit positiven Signalen, verschiedenen Massnahmen zur Ermöglichung bei unverändert hohen Sicherheitsvorkehrungen allmählich wieder zulassen», schliesst Bänziger seine Ausführungen. Die Forderungen der IHK St.Gallen-Appenzell und der IHK Thurgau wurden gestern in einem PDF icon gemeinsamen Schreiben mit der Handels- und Industriekammer HIKA Appenzell Innerrhoden und der Industrie AR bei den Regierungen der Ostschweizer Kantone platziert. Die Wirtschaftsverbände fordern von der Politik, dass die politische Energie und finanziellen Massnahmen weg von der Brandbekämpfung hin zur Bewältigung der Pandemie gelenkt werden.

 


Zur Umfrage

Die IHK St.Gallen-Appenzell und die IHK Thurgau haben die Umfrage zwischen dem 25. und dem 31. Januar 2021 unter ihren Mitgliedunternehmen durchgeführt. Insgesamt haben 658 Unternehmen daran teilgenommen. Die vollständigen Resultate können hier abgeruen werden:

PDF icon Coronavirus und die Ostschweizer Wirtschaft - Ergebnisse zur 6. Unternehmensumfrage

Die Umfrage ist Bestandteil einer Umfrageserie zur Coronakrise unter Ostschweizer Unternehmen. Ziel dieser Umfrageserie ist es, ein systematisches Bild zur Verfassung, der aktuellen Risikoeinschätzung und der Zukunftsperspektiven der Ostschweizer Wirtschaft zu entwickeln und über den Krisenzeitraum nachverfolgen zu können. Die Resultate und Analysen der bisherigen Umfrage können hier abgerufen werden.

 

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