Schweiz-EU

Ostschweizer Exportwirtschaft erwartet Rechtssicherheit

IHK Business Outlook mit Bundesrat Ignazio Cassis zur Rolle der Aussenpolitik für die Exportwirtschaft

11. Februar 2020

Ob Handelskrieg zwischen den USA und China oder die ungeklärten Fragen zum Verhältnis mit der EU: Ostschweizer Exportunternehmen sehen sich aktuell mit vielen Unsicherheiten konfrontiert. Dabei wären sie auf stabile und berechenbare Beziehungen zum Ausland angewiesen. Welche Rolle dabei die Aussenpolitik spielt, diskutierten Bundesrat Ignazio Cassis sowie bedeutende Ostschweizer Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Forschung im Rahmen des «IHK Business Outlooks» am Montagabend, 10. Februar 2020, im Pfalzkeller.

Welche Bedeutung hat die Aussenpolitik für die Exportregion Ostschweiz? Über 200 Gäste folgten der Einladung der Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell (IHK) zu dieser Frage. Bundesrat Ignazio Cassis, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), präsentierte dazu die «Vision für die Schweizer Aussenpolitik 2028» (AVIS28). Diese wurde unter der Leitung von Pascal Hollenstein, Leiter Publizistik bei CH Media, im anschliessenden Podium rege diskutiert.

Internationales Umfeld wird komplexer

Rasch wurde ersichtlich: Die Schweizer Aussenpolitik ist vielseitig gefordert. Eine fragmentierte Weltordnung trete vermehrt an die Stelle der bis anhin vorherrschenden Globalisierungswelle, so Bundesrat CassisInternationale Institutionen, etwa die WTO, seien zunehmend in einer schwierigen Lage. Dem pflichtete Podiumsgast Christoph Frei, Professor für Politikwissenschaften an der Universität St.Gallen, bei: «Die stabile Weltordnung, die wir in den letzten sechzig, siebzig Jahren hatten, beginnt zu erodieren.» Die Schweiz als kleines, offenes Land profitiere hingegen stark von geregelten internationalen Institutionen.

Fokus auf kohärente Aussenpolitik

Um auf die genannten Herausforderungen zu reagieren, müsse die Schweiz kohärenter auftreten, so die Überlegungen von Bundesrat Cassis weiter. Daher habe das EDA mit AVIS28 eine departementsübergreifende, umfassende Vision für die Aussenpolitik der Schweiz entwickelt. Diese Vision solle die innen- und aussenpolitische Zusammenarbeit verstärken und damit die Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft noch mehr ins Zentrum rücken. Die Idee einer kohärenten Vision fand Zuspruch von Peter Spuhler und Stefan Scheiber, welche die Ostschweizer Exportwirtschaft auf dem Podium vertraten: Es sei gut, wenn man klar wisse, wohin der Weg führt, so Peter Spuhler, Verwaltungsratspräsident der Stadler Rail AG. Rechtssicherheit sei deshalb eine Grundvoraussetzung, um international wirken zu können. Ähnlicher Meinung war Stefan Scheiber, CEO der Bühler-Gruppe mit Sitz in Uzwil. Zugleich betonte er die konkrete Umsetzung der aussenpolitischen Ziele: Die Unternehmen – vor allem auch kleinere Betriebe – seien darauf angewiesen, dass Handelsabkommen Türen öffnen und nicht zusätzliche bürokratische Hürden verursachen.

Stabile, berechenbare Beziehungen zu Europa

Für die Ostschweizer Exportwirtschaft stünden stabile und berechenbare Beziehungen zu Europa im Zentrum, betonte IHK-Präsident Roland Ledergerber bereits eingangs der Veranstaltung: Während schweizweit rund 52% der Exporte in die EU fliessen, sind es in der Kernregion Ostschweiz rund 63%. Die zentrale Rolle der EU als Handelspartnerin wurde im Verlauf der Veranstaltung sodann auch mehrfach betont: Alleine die Grenzregionen im nahen Ausland seien mit Abstand das wichtigste Ziel von Ostschweizer Exporten, wie EDA-Vorsteher Cassis ausführte.

Klare Worte gegen die SVP-Kündigungsinitiative

Herausgefordert werden die Beziehungen zur EU aktuell durch die Kündigungsinitiative, welche im Mai 2020 zur Abstimmung kommt. Die Initiative zielt auf eine Steuerung der Zuwanderung aus Ländern der EU, welche unweigerlich eine Aufhebung der Personenfreizügigkeit und somit sämtlicher Verträge der Bilateralen I zur Folge hätte. Aus Sicht der Ostschweizer Wirtschaft gelte es dies mit Vehemenz zu verhindern. «Der Schweizer Arbeitsmarkt muss offenbleiben», so Stefan Scheiber. Auch Peter Spuhler sprach sich gegen die Initiative aus: Der bilaterale Weg sei der richtige für die Schweiz. Gerade dieser werde durch die Kündigungsinitiative aufs Spiel gesetzt. Im Namen der IHK fand deren Direktor Markus Bänziger in seinem Schlusswort denn auch klare Worte: «Mit der Kündigungsinitiative stellt die Schweiz die zentralen Bündnisse mit der EU, der mit Abstand wichtigsten Handelspartnerin, auf eine harte Probe.»

Impressionen vom IHK Business Outlook 2020