Sie sind hier

Ostschweiz braucht stärkere Motoren

Der EcoOst-Monitor Ostschweiz braucht stärkere Motoren

Dr. Frank Bodmer, Leiter IHK-Research

Mit dem EcoOst-Monitor lanciert die IHK St.Gallen-Appenzell ein Indikatorensystem zur Messung der wirtschaftlichen Dynamik. Es gibt Aufschluss darüber, wie sich die Schweizer Regionen in Bezug auf vier wichtige Kennzahlen (Beschäftigung, Bevölkerung, Export und Steuerbasis) entwickelt haben. Die Ostschweiz schneidet bei allen vier Indikatoren unterdurchschnittlich ab. Die Ostschweiz braucht eine verbesserte Zusammenarbeit aller vier Kantone und eine regionale Strategie.

Die Ostschweiz werde in der übrigen Schweiz nicht wahr- und ernst genommen, ist eine oft gehörte Klage. Aber liegt das Problem wirklich bei der Haltung der übrigen Schweiz? Oder ist es eher die Befindlichkeit der Ostschweiz, welche das eigentliche Problem darstellt? Innerhalb der Ostschweiz ist von Einheit und gemeinsamem Handeln wenig zu sehen, vielmehr überwiegen Gegensätze und Konflikte. Es fehlt der Wille, die Region mit gemeinsamen Initiativen voranzubringen.

Ostschweiz neu definieren

Die Probleme beginnen mit der unklaren Definition der Ostschweiz. Für Bundesbern ist die Grossregion Ostschweiz ein amorpher Raum, welcher von Schaffhausen bis Roveredo reicht. Die Ostschweiz wird so gewissermassen zur «Restschweiz». Diese statistische Grossregion spielt politisch denn auch kaum je eine Rolle. Grosse Ausnahme war bisher die Fachhochschule Ostschweiz. Bezeichnenderweise peilt dort Graubünden den Alleingang an, und die Zusammenarbeit mit den übrigen Kantonen ist ebenfalls infrage gestellt.

Für die meisten praktischen Fragen wäre es deshalb sinnvoller, wenn die vier Kantone Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden, St.Gallen und Thurgau als Kernostschweiz zusammenarbeiten. Diese haben auch wirkliche gemeinsame Interessen. Eine Gemeinsamkeit ist der Arbeitsmarkt: Teile der vier Kantone bilden um das Zentrum St. Gallen eine Arbeitsmarktregion. Zwar ist St.Gallen im Vergleich zu anderen Zentren relativ klein. Trotzdem ist die Stadt für viele Pendler aus den umliegenden Kantonen wichtig. Verkehrsfragen betreffen damit auch alle vier Kantone. Daneben gibt es allerdings grosse Teile der Kantone St.Gallen und Thurgau, für welche die Stadt kaum eine Rolle spielt. Auch für die reduzierte Kernostschweiz bleiben Heterogenität und unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten damit eine Realität, welche zu akzeptieren ist.

Fehlende Reaktion der Politik

Diese Kernostschweiz hat seit Beginn des Jahrtausends gegenüber den meisten anderen Schweizer Regionen an Boden verloren. Für den Wirtschaftsstandort Ostschweiz stellte der Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 die Zäsur dar. Von der Politik wird dieses Zurückfallen kaum wahrgenommen, speziell seit sich der konjunkturelle Ausblick wieder aufgehellt hat. Zum einen interessiert diese Kernostschweiz in der politischen Diskussion nur wenig, vielmehr schaut jeder Kanton für sich selber. Zum anderen stellt die aktuelle Lage keine akute Krisensituation dar. Der Schweiz als ganzer geht es gut. Auch in den schwächeren Regionen ist die finanzpolitische Lage dank wachsender Steuereinnahmen und reichlich fliessender Mittel aus dem Finanzausgleich stabil.

Monitoring soll Handlungsbedarf aufzeigen

Ohne akute Krise stellt «business as usual» den Normalmodus dar, dies nicht nur in der Politik. Der Vergleich mit anderen Regionen kann helfen, die Orientierung zu behalten. Ein Zurückfallen ist dabei oft ein Warnsignal für Handlungsbedarf. Für Kantone und Regionen stellt sich die Frage, welche Indikatoren relevant sind. Auf nationaler Ebene wird für wirtschaftliche Vergleiche in der Regel das Bruttoinlandprodukt (BIP) verwendet. Für die regionale Analyse eignet sich dieses Mass weniger. Ein erheblicher zeitlicher Rückstand bei der Veröffentlichung sowie hohe Fluktuationen aufgrund weltweit erzielter, unverteilter Unternehmensgewinne sprechen dagegen. Bestehende Indikatorensysteme arbeiten oft mit einer Kombination von Indikatoren für die Performance und solchen für die Ursachen der Performance.1 So sollte eine tiefe Steuerbelastung zu einem Wachstum der steuerbaren Einkommen und Gewinne führen. Bleibt dieses Wachstum aus, reicht eine gute Position im Steuerwettbewerb offensichtlich nicht aus.

Vier Indikatoren für den EcoOst-Monitor

Für den neuen EcoOst-Monitor verwenden wir vier Indikatoren, welche in ihrer Mehrheit zeitnah erhältlich sind und zentrale Aspekte der regionalen wirtschaftlichen Entwicklung abbilden. Für die Dynamik im Bereich Wohnort stellt das Wachstum der Bevölkerung den einfachsten Indikator dar. Die Dynamik des Arbeitsorts wird durch das Wachstum der Beschäftigung erfasst. Aufgrund der grossen Bedeutung des Aussenhandels für die Ostschweiz fügen wir zudem die Entwicklung der Exporte als zusätzlichen Indikator für die Attraktivität als Arbeitsort bei. Der vierte Indikator des Monitors ist das Wachstum der Steuerbasis, welche die Basis für den Ressourcenausgleich im neuen Finanzausgleich bildet. Dieser Indikator ist zwar nur mit Verspätung erhältlich. Da die Steuerbasis die Möglichkeiten zur Erzielung von Steuereinnahmen bestimmt, füllt er allerdings eine wichtige Lücke.
Zur vereinfachten Darstellung werden die Wachstums­raten der letzten fünf Jahre in einem «Fussabdruck» zusammengefasst. Der regionale Wert wird dabei mit demjenigen der besten Region (Wert 100) und demjenigen der schwächsten Region (Wert 0) verglichen.

Zurückfallen der Ostschweiz

Die Ostschweiz (AI, AR, SG und TG) schneidet bei allen vier Indikatoren unterdurchschnittlich ab, mit Werten zwischen 20 und 40 (Abbildung). Am nächsten bei der nationalen Entwicklung lag das Beschäftigungswachstum, am weitesten entfernt dasjenige der Exporte. Während die Schweizer Exporte dank Pharma und Uhren kräftig stiegen, litt die Ostschweizer Exportindustrie unter dem seit 2015 weiter erstarkten Franken. Die aktuelle positive Entwicklung ist zwar erfreulich, reicht aber nicht aus, den verlorenen Boden wettzumachen. Bei der Steuerbasis wurde der Rückstand zum schweizerischen Mittel in den Jahren 2011 bis 2014 wieder etwas grösser.

Zusammenarbeit: Basis für mehr Dynamik

Die Ostschweiz braucht stärkere Wachstumsmotoren. Die Politik kann und muss ihren Beitrag dazu leisten. Erstens müssen die vorhandenen Mittel sparsam und effektiv eingesetzt werden. Doppelspurigkeiten müssen reduziert werden. Vor allem bei den Spitälern plant bisher jeder Kanton für sich, ohne Rücksicht auf das Angebot der Nachbarkantone. Auch bei der Bildung liessen sich Synergien nutzen. Zweitens sind gemeinsame Projekte zu entwickeln, welche die Region als ganze weiterbringen. Eine gemeinsame Strategie im Bereich Bildung und Forschung wäre hier an vorderster Stelle zu nennen. Zuletzt wäre die Stimme der Ostschweiz in Bern zu stärken. Verkehrsprojekte von nationaler Bedeutung, welche erhebliche Bundesmittel benötigen, können nur mit einer breiten Unterstützung aller vier Kantone realisiert werden.

1 Das gilt für den Standortqualitätsindikator der CS ebenso wie für den zwischen 2009 und 2011 publizierten IHK-Monitor.


Der gesamte EcoOst-Monitor 2017 zum Download

PDF icon IHK-Research Zoom: Der EcoOst-Monitor 2017 (Dr. Frank Bodmer)

Diese Beiträge könnten
Sie ebenfalls interessieren: