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Mehrkosten und ein Rekord an Gesetzesseiten

Facts & Figures zur Bürokratie Mehrkosten und ein Rekord an Gesetzesseiten

Robert Stadler, stv. Direktor/Leiter Kommunikation IHK

Wieviel neue Gesetzesseiten sind in den letzten 20 Jahren auf Bundesebene entstanden? Welcher Anteil des BIP geht für Regulierungen verloren? Was ist das «dümmste» Gesetz des Jahres? Wie ausgeprägt ist die Wirtschaftsregulierung in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern? Einige Fakten zum Thema Bürokratie.

10% des BIP gehen für Regulierungen verloren

Die jährlichen Kosten, die bei Unternehmen, Gesellschaft und Verwaltung anfallen, um die gesetzliche Regulierung einzuhalten, belaufen sich auf rund 60 Milliarden Franken pro Jahr. Zu diesem Schluss kam vor einigen Jahren eine Studie von KPMG im Auftrag des Schweizerischen Gewerbeverbandes. Diese Summe entspricht rund einem Zehntel des Bruttoinlandproduktes – und damit mehr als der Beitrag der Maschinen­industrie zum BIP.
Im Auftrag des Bundesrates schätzt auch das SECO die jährlich anfallenden Regulierungskosten für die Wirtschaft: So schlagen die Vorschriften zur Lebensmittelhygiene mit 1,3 Milliarden Franken Mehrkosten zu Buche, die Bauregulierung rund 1,6 Milliarden, beim Umweltrecht 1,8 Milliarden oder bei der Arbeits- und Unfallsicherheit 1,2 Milliarden Franken.

Was kann dagegen unternommen werden?

Deregulierungsbemühungen gibt es in der Schweiz viele und seit Jahren werden im Parlament immer wieder neue Versuche gestartet, leider ohne Erfolg. Einer der ersten der neueren Zeit stammt von Arthur Löpfe: 2004 schlug der damalige Innerrhoder CVP-Nationalrat (und ehemaliges IHK-Vorstandsmitglied) in einer Interpellation eine «one in – one out»-Regelung vor: Für jedes neue Gesetz sollte ein altes gestrichen werden. Der Bundesrat lehnte die Idee ab.
In anderen Ländern wendet man dieses Prinzip jedoch an. So kennen England, Frankreich, Deutschland oder auch Kanada ähnliche Regelungen. 2013 hat England sogar «one in – two out» eingeführt: Pro neue Regulierung müssen alte Normen mit doppelt so hohen Regulierungskosten abgeschafft werden.

Neuer Rekord an Gesetzesseiten

Im vergangenen Jahr wurde ein unrühmlicher Rekord aufgestellt: Noch nie wurden in einem Jahr auf Bundesebene mehr Gesetzesseiten produziert wie 2017. Die amtliche Sammlung der Eidgenossenschaft wuchs um ganze 7796 Seiten an neuen und revidierten Erlassen an. Damit entstanden in den letzten 20 Jahren 112 889 neue Seiten an Gesetzestexten – und das allein auf Bundesebene. Umgerechnet benötigt man fast 200 Bundesordner, um die Gesetze der letzten 20 Jahre ablegen zu können. Die Ordner-Grafik zeigt also nur die Relationen der Zunahme; eigentlich hätten mehr als doppelt so viele Ordner gezeigt werden müssen ...

5 vor 12 für Regulierungen?

«5vor12» heisst der neu lancierte Preis für schlaue De-Regulierung und wurde vom Swiss Venture Club und StrategieDialog21 initiiert. Der Preis wird vergeben für das beste Gesetz («Gesetzesabschaffungsgesetz»), die beste Vollzugsmassnahme bei der Rechtsanwendung (effizient und kostensenkend) oder für den besten Regulierungs- oder Deregulierungsvorschlag. Gemessen wird der Impact auf die Wirtschaft und die Freiheit sowie die Selbstbestimmung jeder Bürgerin und jedes Bürgers. Vom 21. Mai bis zum 1. August 2018 werden Vorschläge für schlaue Deregulierung gesammelt. Ideen können unter der Webadresse https://www.5-vor-12.ch/wettbewerb-mitmachen eingebracht werden.

Preis fürs dümmste Gesetz

Positiv ist, dass ein Preis wie «5vor12» Aufmerksamkeit auf die Bürokratie-Thematik lenkt. Allerdings gibt es seit Längerem ähnliche Aktionen – mit offensichtlich geringem Erfolg. So zeichnet die IG Freiheit jedes Jahr das «dümmste, unnötigste Gesetz» mit dem «Rostigen Paragraphen» aus. Gewinner des letzten Jahres war das Gesetz für Grill- und Ofenhandschuhe. Es regelt die Anforderungen und Voraussetzungen für den Gebrauch von Ofen- und Grillhandschuhen. Darin heisst es, dass sie eine «angemessene thermische Isolierungskraft und mechanische Festigkeit» besitzen müssen.
Auch die FDP des Kantons Zürich verleiht mit ihrem «Gahts no?»-Preis seit einigen jahren eine Auszeichnung mit ähnlichem Ziel, allerdings mit dem Fokus auf die Zürcher Kantonalpolitik.

Wer trägt Schuld?

Stetig nimmt die Regulierungsdichte zu. Doch wer trägt die Hauptschuld an diesem Wachstum und wie ist es einzudämmen? Meistens sind die Hauptschuldigen schnell in der Verwaltung und in der Politik gefunden. Doch auch die Wirtschaft sorgt immer wieder für einen Schub an neuen Gesetzen und Vorschriften. So kämpfen nicht selten einzelne Branchenverbände an vorderster Front für neue Regulierungen, um eigene Pfründe zu zementieren und unliebsame Konkurrenz zu verhindern. Zudem scheint ein grosser Teil der Bevölkerung Eigenverantwortung nicht mehr so hoch einzuschätzen wie früher. So nimmt man durch die erhöhte Sensibilität in Umwelt- oder Gesundheitsfragen verstärkte Regulierung eher in Kauf oder verlangt sogar danach. Zumal die Kostenfolgen bei neuen Regulierungen für den Einzelnen meistens kaum ersichtlich sind.

Regulierte Finanzbranche

Die Zusammenschlüsse von Banken haben deutlich zugenommen. Dies nicht zuletzt aufgrund der wachsenden Regulierung im Finanzsektor. 2002 reichten noch 30 Seiten, um die Eigenmittelfinanzierung zu regeln. Nur zwei Jahre später waren bereits 347 Seiten notwendig und mit den neuen Vorschriften «Basel III» wuchs das Regelwerk auf 616 Seiten an. Um Regulierungen kontrollieren zu können, müssen selbstverständlich auch die zuständigen Behörden ausgebaut werden. So erhöhte sich der Personalbestand der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA innert fünf Jahren um 44% auf 481 Mitarbeitende.
Gerade für kleinere, regional tätige Banken ist die Entwicklung besonders leidig: Sie trifft die Regulierungszunahme, die durch das Fehlverhalten in grossen internationalen Banken ausgelöst wurde, besonders hart.

Das Wirtschaften wird in der Schweiz immer schwieriger

Die Weltbank veröffentlicht jährlich den «Doing Business»-Report und vergleicht darin die Wirtschaftsregulierungen in 190 Ländern. Untersucht werden verschiedene Kriterien wie Regulierungen bei Firmengründungen, der Marktzugang, die Steuersituation oder die Stromversorgung. Die Gesamtwertung gibt Auskunft, in welchen Ländern es einfacher ist, Geschäfte zu machen.
Die Schweiz verliert bei dieser Untersuchung von Jahr zu Jahr an Boden. 2014 lag unser Land noch auf Rang 20. Ein Jahr später reichte es noch für Platz 26. 2016 verloren wir weitere fünf Ränge und im neusten Ranking fielen wir mittlerweile auf Position 33 zurück. In der Einzelwertung «starting a business» liegt die Schweiz sogar nur auf Platz 73. Ganzer Bericht zum Download

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